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JEDEN MONAT EINE MILLION ZUSÄTZLICH

kostet die "denkmalgerechte Sanierung" der alten Beethovenhalle. Diese Kostensteigerung schon vor Baubeginn hat jetzt eine Verwaltungsvorlage offenbart: Im Januar 2017 liegt die Schätzung - mit vielen Risiken - bei 61,5 Mio Euro. Das sind 8,5 Mio Euro mehr als im April 2016: das Millionengrab wird zum Faß ohne Boden.

 

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Stephan Eisel

Beethovenhalle: Millionengrab als Faß ohne Boden

"Die Denkmalpflege ist grundsätzlich am Erhalt der vorhandenen Bausub­stanz interessiert. Original­materialien sind zu erhalten und nicht durch preis­wertere zu substituieren. ... Grundsätzlich verursacht die denkmalpflege­rische Instandsetzung keine Mehrkos­ten, da Maß­nahmen, welche auf ei­ner gesetzli­chen Grundlage erfolgen,per Definition keine Mehrkosten sind.“
Stellungnahme 1710059ST2 der Stadtverwaltung Bonn vom 6. Januar 2017„Betreff: Sanierung der Beethovenhalle“ 

Seit der Bonner Stadtrat die aufwendige „denkmalgerechte Instandsetzung“ der maroden Beethoven­halle auf den Weg gebracht hat, werden schon vor Baubeginn in aben­teuerlicher Dynamik ständig neue Kostensteigerungen bekannt. Das bestätigt erneut eine Verwaltungs­vorlage vom 19.01.2017 (Drs. 1710337). Darin liest sich die Kostenentwicklung der letzten Monate so: 

  • 07.04.2016 (Drs. 161 1089) 53,4 Mio Euro
  • 22.09.2016 (Drs. 161 2370) 59,9 Mio Euro
  • 19.01.2017 (Drs. 171 0337) 61,5 Mio Euro

Fazit: Die Hallen-Sanierung verteuerte sich seit April 2016 um ca. eine Million Euro monatlich! 

Unverständlicherweise in den genannten Summen nicht berücksichtigt listet die Verwaltung weitere (!) Kosten in Höhe von netto (!) mindestens 3,3 Mio Euro auf (1,3 Mio für Außenanlage und Stühle sowie 2 Mio Euro „erkennbares Restrisiko“). Tatsächlich liegt also der be­reits jetzt bekannte Auf­wand für die Beethovenhalle bei 64,8 Mio Euro. Zugleich schreibt die Verwaltung aus­drücklich „Die Ausführungsplanung ist jedoch noch nicht abgeschlossen.„ Außerdem wird auf die „verbleiben­de Schwankungsbreite von +/- 25% bei Kostenberechnungen gemäß Leistungsphase 3 der HOAI (Entwurfsplanung) verwiesen. Dies ist insbesondere beim „Bauen im Bestand“ von Bedeu­tung.“ Wenn diese „Schwankungsbreite“ als Kostensteigerung eintritt, werden die Kosten der Hal­lensanierung also bei ca. 80 Mio Euro liegen. 

Es ist fahrlässig, dass sich die Verwaltung bei diesen Zahlen praktisch ausschließlich auf den externen Projektsteue­rer verläßt. Das städtische Rechnungsprüfungsamt ist de facto ausgeb­remst. In der städti­schen Vorlage heisst es dazu: „Ursprünglich war es vorgesehen, dass nach der Prüfung der Kosten­berechnung durch den externen Projektsteuerer eine Plausibilisierung durch das städtische Rech­nungsprüfungsamt erfolgen sollte … Da allerdings im Hinblick auf die zeitlichen Rahmenbedingun­gen des Pro­jekts zur Beschleunigung der Planung bereits parallel eine vertiefende Planung erfolgt ist und die ex­terne Prüfung der Kostenbe­rechnung erst im Dezember 2016 zum Ab­schluss gebracht wur­de, ist auf eine separate Plausibilisie­rung durch das RPA zunächst verzichtet worden.“ Vorgesehen ist jetzt von der Verwaltung nunmehr „anstelle einer vollständigen Plausibili­sierung der Kostenberechn­ung „am Stück“ eine partielle Überprüfung und Feststellung von evtl. Kostenabweichungen.“ 

Auch der Zeitplan der Fertigstellung der Sanierung ist übrigens ins Rutschen geraten: Im April 2016 verlautete die Verwaltung noch: „Die Fertigstellung aller baulichen Arbeiten und damit die Inbetrieb­nahme der Halle für Veranstaltungen ist derzeit zum 10.09.2018 geplant.“ Im September 2016 hieß es dann, „dass der große Saal ab sofort auf dem kritischen Pfad liegt.“, weil die neu entdeckte Asbetsa­nierung sechs Monate und der „konstruktive Brandschutz“ drei Monate in Anspruch nehme. Im Januar 2017 teilt die Verwaltung nun mit: „Die­sen zusätzlichen Zeitraum kann das Projekt inner­halb der gesetzten Ziele nicht kompensieren. Als ef­fizienteste Gegensteuerungsmaßnahme wurde die Parallelisierung von Leistungen durch Unterteilung der Maßnahme in mehrere Baufelder identifi­ziert. “ Sollte sich diese Absicht verwirklichen lassen, prognostiziert die Verwaltung die „bauliche Fertigstellung innerhalb des Gebäudes“ zum 15. 10. 2018. Erst anschließend erfolge die Bauabnahme und die „Einpegelung der technischen Anlagen.“ Als Voraussetzung für diesen Zeitplan schlägt die Verwaltung übrigens auch eine Einschränkung der Mitsprache des Rates bei der Auftragsvergabe vor. 

Die ursprünglich propagierte Absicht, dass Beethovenfest 2018 in der sanierten Halle stattfin­den zu lassen, ist also längst passé. Geht die „Parallelisierung“ von Baufeldern schief, kommt es nach dem bisher bekannten zusätzlichen Zeitbedarf erst zur Fertigstellung im Sommer 2019 – plus die zu erwartenden Verzögerungen bei öffentlichen Bauten und beim Bauen im Bestand. Man sollte den Realitäten insAauge sehen: Wer an der aufwendigen Denkmalsanierung der Mehrzweckhalle festhält, riskiert für das Beethoven-Jubiläum 2020 eine Baustelle. 

Trotz dieses enormen Aufwands ist übrigens eine Verbesserung der Akustik für die Zuhörer im Großen Saal aus­drücklich nicht vorgesehen. In den Unterlagen für den Sanierungsbeschluss vom 10.12.2015 steht wörtlich: „Projektgrenzen: Keine raumakustische Verbesserung des großen Saales für Musik.“ So wird zwar viel Geld für eine alte Mehrzweckhalle ausgegeben, aber die Beetho­venstadt Bonn muss das Beethoven-Jubiläum 2020 ohne angemessenen Konzertsaal bege­hen. 

Übrigens liegt auch immer noch kein Businessplan für die Beethovenhalle vor. Zusätzlich zu den Bau­kosten liegen nämlich auch im Betrieb erhebliche wirtschaftliche Risiken. Schon bisher musste die Beethovenhalle aus der Stadtkasse mit ca. 2 Mio Euro jährlich bezuschusst werden. Ohne das seit lan­gem geforderte Hallenkonzept, das zu­nächst überhaupt den Bedarf für Mehrzweckhallen wie die Beethovenhalle feststellen sollte, hangelt sich die Bonner Kommunalpolitik so ohne Strategie von einer Einzelentscheidung zur nächsten.

Auch bei Oper gibt es einen Sanierungstau, der intern mit bis zu 75 Mio Euro beziffert wird. Statt soviel Geld in die Sanierung alter Gebäude zu stecken, wäre Kehrtwende dringend not­wendig: Es genügt für das Beethoven-Jubiläu­m 2020 die Beethovenhalle in einen betriebssicheren Zu­stand zu bringen – d. h. den im Dezember 2015 abgelehnten Vorschlag von Oberbürgermeister Sridharan wieder auf­zugreifen. Experten schätzen, dass dies für 10 Mio Euro mög­lich wäre. Damit wäre auch das Risi­ko vermieden, dass die aufwendige Hallensanierung bis 2020 nicht fertig wird. 

Statt bei Beethovenhalle und Oper über 150 Mio Euro in die Sanierung zwei alter Gebäude zu ste­cken, wäre es besser, nach 2020 – wie z. B. in Baden-Baden oder Bregenz – einen integrierten Opern- und Konzerthausbau neu zu errichten. Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz lässt dies üb­rigens auch für Beethoven­halle ausdrücklich zu: Nach Artikel 9 muss die Erlaubnis zum der Ab­riss ei­nes denkmalgeschützten Gebäudes erteilt werden, wenn „ein überwiegendes öffentliches In­teresse die Maßnahme verlangt“. Dies festzustellen wäre Aufgabe des Rates. 

Die Vorteile einer solchen Zukunftsstrategie liegen auf der Hand: Die unkalkulierbare finanzielle Dop­pellast der Sanierung von Beethovenhalle und Oper wäre vermieden. Eine moderne integrierte Lö­sung würde die Betriebskos­ten reduzieren (ein Gebäude statt zwei), die Vermarktung des Opern­grundstücks würde Geld in die Stadtkasse bringen, die Zukunft von Oper und Schauspiel wäre gesi­chert und die Beethovenstadt käme endlich zu einem angemessenen Konzertsaal. 

Vielleicht führt die Kostenexplosion bei der Beethovenhalle, die sich nach dem Baubeginn sicherlich fortsetzen wird, endlich zu dem Entscheidungsmut, der dem Rat beim Beethoven-Festspiel­haus fehlte. Andernfalls wird die Stadt noch lange gebannt in das immer tiefere Millionen­grab Beetho­venhalle schauen und dass sich damit eine Zukunftsperspektive für Bonn öffnet.

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