Volltextsuche:

DIE FDP-FLUCHT AUS DEN VERHANDLUNGEN

zu einer Jamaika-Koalition hat ein politisches Erdbeben ausgelöst. Wie die SPD stimmt die FDP mit der Weigerung, Regierungsverantwortung zu übernehmen,  die Grundmelodie an, die Partei sei wichtiger als das Land: 
DIE FDP-FLUCHT AUS DEN VERHANDLUNGEN

 

 

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

 

Stephan Eisel

Zum Ausstieg der FDP aus den Jamaika-Sondierungen

„Nichtstun ist Machtmissbrauch!“ 

- der noch vor drei Monaten überall plakatierte Slogan der FDP fällt auf seine Urheber zurück: Die FDP hat sich zum Nichtstun entschlossen und ließ eine durchaus mögliche Jamaika-Koalition platzen. Damit gesellt sie sich zur Regierungsverweigerungspartei SPD und stimmt in die Grundmelodie ein: Die Partei ist wichtiger als das Land. 

Das Ergebnis der Bundestagswahlen am 24. September 2017 bleibt für alle demokratischen Parteien eine Herausforderung, vor allem weil AfD und Linke zusammen über 20 Prozent der Stimmen erhalten haben: Jeder fünfte Wähler hat sich für den rechten oder linken Rand entschieden. Damit ist die Verantwortung der demokratischen Parteien eigentlich hinreichend beschrieben. 

Sie besteht sicherlich nicht darin, die Wähler so lange zur Urne zu bitten bis das Ergebnis angenehm ist. Das gilt umso mehr als eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Ergebnis von Neuwahlen ähnlich ausfällt wie das letzte Ergebnis: Mit vielleicht etwas verschobenen Prozentzahlen ist es sehr gut möglich, dass wieder nur die Alternative „große“ Koalition oder Jamaika bleibt. Für Schwarz-Gelb müssten Union und FDP 6 – 7 Prozent hinzugewinnen ohne einander Stimmen abzunehmen. Rotgrün fehlen fast 20 Prozent und einem nicht zu verantwortenden Bündnis unter Einschluss der Linken immer noch ca. 10 Prozent der Stimmen. 

Neben der Stärkung der politischen Ränder war das deutlichste Ergebnis der letzten Wahlen die offenkundige Abwahl der nur vermeintlich „großen“ Koalition aus CDU/CSU und SPD (-14 Prozent). Die Stimmanteile von SPD und Union stürzten auf historische Tiefstände ab. 

Die Reaktion der SPD auf ihren beispiellosen Absturz in der Wählergunst ist auf den ersten Blick verständlich: Von 40 Prozent auf 20 Prozent in zwanzig Jahren. In acht Bundesländer liegt sie unter 20 Prozent, in fünf Bundesländern ist sie nicht einmal mehr zweitstärkste Partei. Die Sozialdemokraten brauchen einen Neuanfang und es ist im Interesse unserer Demokratie, dass dieser gelingt. Möglich ist ein solcher Neubeginn am ehesten in der Opposition – mit der erfreulichen Nebenwirkung, dass im Bundestag die Aufgabe der größten Oppositionspartei nicht den Populisten der AfD zufällt. Allerdings muss sich die SPD ebenso wie die FDP fragen lassen, ob die mit dem Wohl der Partei begründete Regierungsverweigerung auch im Interesse des Landes ist. 

Demokratie ist kein Wunschkonzert, sondern eine Verantwortungsgemeinschaft. Das gilt für Wähler wie für Gewählte. Dazu gehört es, Wahlergebnisse zu akzeptieren – auch wenn eigene Träume daran zerplatzen. Dass sich die Parteien zu wenig voneinander unterscheiden, wird nach den Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition jedenfalls niemand mehr im Ernst behaupten können. 

Trotz inhaltlicher Differenzen war es problematisch, dass die möglichen Jamaika-Partner immer wieder den Eindruck vermittelten, zu regieren sei die eigentliche Strafe in der Demokratie. Fast krampfhaft führten sie dem Publikum vor, dass sie eine von ihnen gebildete Regierung nur als bittere, aber eben notwendige Medizin „staatspolitischer Verantwortung“ schlucken würden. So konnte keine optimistische Stimmung eines politischen Neuanfangs entstehen. Diesen Vorwurf muss sich vor allem die CDU als stärkster Partner machen lassen. 

Man muss den Wählerwillen noch einmal in Erinnerung rufen, da die letzten Wochen den Eindruck vermittelten, bei den Jamaika-Verhandlungen säßen sich gleichstarke Partner gegenüber. Im Deutschen Bundestag entfallen 246 Sitze auf die Union (CDU: 200; CSU: 46), lediglich 80 auf die FDP und nur 67 auf die Grünen. 

In den Sondierungsgesprächen taten sich besonders die kleinen Partner schwer, denn auf dem Humus der Kompaktheit ihrer überschaubaren Mitgliedszahl blüht die Blume der „reinen Lehre“ besonders gerne. Rechnerisch gibt es unter 1000 wahlberechtigten Bürgern nur ein Mitglied der Grünen (61.000 Mitglieder) und auf ein Mitglied der FDP (55.000 Mitglieder) kommen 1120 Bürger. 

Fast zehnmal tiefer reicht die Verankerung der Volksparteien in die Bevölkerung. Schon unter 120 Bürgern findet sich statistisch ein CDU-Mitglied (431.000 Mitglieder ohne Bayern). In Bayern erreicht die CSU mit 142.000 Mitgliedern 66 Bürger pro Mitglied. Diese starke Verankerung in der Bevölkerung führt bei der CSU in Bayern zwar zu einer besonderen ausgeprägten parteiinternen Meinungsvielfalt, aber da sie außerhalb dieses großen Bundeslandes nicht vertreten ist, tendiert ihre Verankerung in der bundesdeutschen Bevölkerung insgesamt eher zum Niveau der kleinen Parteien. 

Für Volksparteien ist Kompromissbereitschaft innerparteilicher Alltag, denn in ihrer Mitgliedschaft repräsentiert sich die Vielfalt der Wählerschaft. Je weniger Mitglieder eine Partei hat, umso weniger ist sie in der Kompromissfindung geübt. Die Jamaika-Sondierungen lieferten dafür vielfältiges Anschauungsmaterial. Dennoch oder gerade deshalb wäre eine Jamaika-Koalition gerade für die Union eine große Chance gewesen, weil sie in einem solchen Bündnis stärker gefordert würde: Dass FDP und Grüne deutlich sagen, wofür sie stehen, erhöht den Profilierungsdruck auf die Union. Sie sollte sich etwas vom Idealismus der kleinen Parteien anstecken lassen, damit ihre Kompromisserfahrung nicht zur Gewöhnung an den kleinsten gemeinsamen Nenner degeneriert. 

Auch nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition darf die Union im Ideenwettbewerb der Parteien weder im Bremserhäuschen noch am Katzentisch sitzen. Es geht um Führungskraft und Gestaltungswille als zwei Seiten der gleichen Medaille. Die CDU muss das noch deutlicher machen, denn ob als bestimmende Kraft in einer Koalition, als Verantwortungsträger einer Minderheitsregierung oder vorhersehbar wiederum stärkste Partei nach Neuwahlen – der Kurs der CDU bleibt für Deutschland bestimmend. 

Dabei sollte man nicht vergessen, dass sich Deutschland keineswegs in einem staatspolitischen Notstand befindet, dessen Überwindung heroische Opfer der Parteien verlangt. Ganz im Gegenteil ist die Bundesrepublik eines der stabilsten, und wohlhabendsten Länder der Welt, das gerade deshalb ein solides Fundament für politischen Gestaltungswillen bietet. 

Deshalb ist es richtig, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor weiteren Entscheidungen mit den Vorsitzenden der möglichen Koalitionsparteien spricht und sie an ihre Verantwortung erinnert: "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält." 

Alle sind dazu aufgerufen, ihre Entscheidungen erneut auf den Prüfstand zu stellen. Das gilt auch für FDP und SPD, denn wichtiger als das Wohl der Partei ist das Wohl des Landes und Deutschland braucht eine stabile Regierung mit Gestaltungswillen und Verantwortungsbereitschaft.  

RSS

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD
Das "große" und das "kleine" Buch zu Beethoven in Bonn:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert) 34,90 €.
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung) 8,99 €

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
03. Dez 2023

DIE NÄCHSTE BUNDESTAGSWAHL WIRFT

ihre Schatten voraus. 2024 steht schon die Kandidatenaufstellung an. Für die CDU in Bonn möchte der Mediziner Prof. Dr. Hendrick Streeck antreten. Hier finden Sie seine Begründung für diese Bewerbung und warum er dabei vom ehem. Bonner MdB Stephan Eisel unterstützt wird. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
01. Aug 2023

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…