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WIE WEITER MIT EUROPA?

Wieder einmal steht die Europäische Union an einem Scheideweg. Wieder einmal ist die Krise eine Chance für neue Dynamik bei der europäischen Einigung. Im Mittelpunkt stehen die Stichworte Verfassung, Erweiterung und Globalisierung.

Im Blick auf die europäische Verfassung hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 die Blockade aufgelöst.  Zwar hatten die Franzosen und Niederländer den Verfassungsvertrag abgelehnt, aber 15 Mitgliedsländer haben sie ratifiziert (Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Spanien, Malta, Österreich, Slowakei, Slowenien, Luxemburg, Ungarn, Zypern). Mit der Einigung auf einen abgespeckten "Grundlagenvertrag" konnte die Blockade aufgelöst werden. Im Mittelpunkt steht dabei das Subsidiaritätsprinzip verankert. Damit weist sie Exekutive und Bürokratie in die Schranken. Parlament und Bürger werden gestärkt.

Zweites Bewährungsfeld ist die Erweiterung der EU. Europa kann nicht länger der Frage ausweichen, wo seine Grenzen sind. Europa ist kein unbestimmter Bekenntnisraum, zu dem man sich per Deklaration als zugehörig empfindet. Der Kontinent hat auch geographische Grenzen. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft mit geographischem Bezug.

Es gibt europäische Länder, die die geographische Voraussetzung erfüllen und auf dem Weg zur Wertegemeinschaft sind. Zu nennen sind z. B. die Staaten auf dem Balkan. Sie haben einen prinzipiellen Beitrittsanspruch, brauchen aber keine überhastete Zeitperspektive für die Mitgliedschaft. Ehrlichkeit die Zeitachse betreffend muss dabei Priorität haben.

Länder, die wie Russland oder die Türkei zwar europäische Teile haben, aber ganz überwiegend außerhalb Europas liegen, haben keinen Anspruch auf eine EU-Mitgliedschaft. Die Idee der ?konzentrischen Kreise? bleibt richtig: Im Kern die Europäische Union (mit der vorangehenden Gruppe der Euro-Länder), die Nachbarn der Union als ?privilegierte Partner? und die Freunde und Partner in der Welt.

Zugleich geht es um die ?Aufnahmefähigkeit? der Union. Die Erweiterung hat auch dort ihre Grenzen, wo sie die erreichte politische Integration zumindest jetzt gefährdet. Die Europäische Union muss stabil bleiben, schon weil die Rolle Europas in der Welt das Gesicht der Globalisierung wesentlich beeinflussen kann.

Daraus ergibt sich eine neue, zusätzliche Legitimation der europäischen Einigung. In den letzten Jahrzehnten hat sie sich vor allem als erfolgreiches Modell der Friedens- und Freiheitssicherung auf unserem Kontinent bewährt. Dies bleibt notwendig und richtig und der Auftrag nach innen. Aber Europa gewinnt neue Legitimität, weil es seine Grundwerte nicht nur nach innen sichern, sondern auch außerhalb verteidigen muss. Nur so hat Europa auch die Chance, die eigene freiheitliche politische Kultur für sich selbst zu bewahren.