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KULTURPOLITIK UND POLITISCHE KULTUR

12. Februar 2012
haben viel miteinander zu tun: Das zeigt sich auch in der Bonner Kommunalpolitik. Rat und Verwaltung halten eine unverwandte Distanz zur Kulturpolitik, andere Themen haben eine stärkere Lobby. Aber 2012 ist das Jahr wichtiger politischer kulturpolitischer Entscheidungen für die Zukunft Bonns. Hoffentlich beachten die Entscheidungsträger die Mahnung von Karl Kraus: „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten.“
Andreas Trautwein, Ludwig, Acryl auf Leinwand 2010
Andreas Trautwein, Ludwig, Acryl auf Leinwand 2010

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Kulturpolitik braucht politische Kultur

Was ist los mit der Kulturpolitik in Bonn ? 

  • Vor zwei Jahren legte der Oberbürgermeister das „Beethoven-Festspielhaus“ auf Eis, obwohl der Bau vollständig privat finanziert war und für den Betrieb Zusagen von Bund, Land, Rhein-Sieg-Kreis und Sparkasse von mehr als 50 Mio Euro vorlagen. Der Rat nahm diesen Alleingang lethar­gisch hin. Mühsam müssen jetzt durch Engagement von Bonner Bürgern Sponsoren ersetzt werden, die die Kommunalpolitik verprellt hat. Rat und Verwaltung verfolgen das von der Zuschauertribüne. Da­bei wird Bonn zum 250 Geburtstag Beethovens 2020 im Fokus internationalen Interesses stehen. Wenn diese Chance im provinziellem Kleinmut verspielt wird, wird’s keiner gewesen sein wollen.

  • Vor einem Jahr hat der Bonner Oberbürgermeister in Köln vorgeschlagen, man könne die Bonner Oper schließen. Ein Sturm des Bürgerprotestes und die einhellige Ablehnung der Ratsfraktionen ver­hinderten Schlimmeres. Aber wie man an der schwierigen Suche nach einem neuen Intendanten sieht, bleiben solche Signale kulturpolitischer Oberflächlichkeit nicht ohne Folgen.

  • Vor kurzem mussten trotz großen Publikumszuspruchs die privaten Veranstalter der Rheinkultur und der Open-Air Konzerte auf dem Museumsplatz die Segel streichen. Es erst nachdem das Kind in den Brunnen gefallen war, erschraken Rat und Verwaltung über die Folgen der eigenen Untätigkeit. 

Man könnte angesichts solcher Erfahrungen schier verzweifeln. Aber innere Emigration führt nicht aus der Sackgasse. Gefragt sind klare Worte und entschlossener Einsatz, denn in diesem Jahr muss die Kommunal­politik wichtige Entscheidungen zum künftigen kulturellen Angebot in unserer Stadt treffen.

Diese kulturpolitische Herausforderung ist ein Test für die politische Kultur in Bonn. Bisher üben sich Rat und Verwaltung in unverwandter Distanz zur Kulturpolitik. Andere Themen haben eine stärkere Lobby. Das liegt auch daran, dass sich zu wenige kulturengagierte Bürger kommunalpolitisch ein­bringen und auf das notwendige mühsame Bohren dicker Bretter einlassen. Anderer­seits sind weni­ge kommunale Entscheidungs­träger außerhalb repräsentativer Anlässe im Alltag kulturel­ler Ange­bote und Veranstaltungen anzutref­fen.

Die Bonner Kommunalpolitik steht parteiübergreifend in der Gefahr das Gespür dafür zu verlieren, dass Kultur in Bonn keine Eliteveranstaltung, sondern fest in der Bürgerschaft verankert ist. Anders ist nicht zu erklären, dass Jahr für Jahr weit über eine Million Besucher zu den Bonner Konzerten vom Beethovenfest bis zur Rheinkultur, ins Theater von den Godesberger Kammerspielen bis zur Springmaus und in die Muse­en von der Bundeskunsthalle bis zum Stadtmuseum kommen. Den über 40 Kultur-Fördervereinen wie sie seit einem Jahr im „Kulturkreis Bonn“ zusammengeschlossen sind, gehören mehr als 20.000 Bürger an. Es spricht Bände, dass diese Zahlen in Rat und Verwaltung kaum bekannt sind. 

Auch deshalb dominiert in der Kommunalpolitik die Meinung, das kulturelle Angebot in unserer Stadt sei ein zusätzlicher Luxus - sozusagen ein Sahnehäubchen, wenn alle anderen Aufgaben erledigt sind. Dem liegt ein merkwürdiges Menschenbild zugrunde, denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein: Schon in der Schule gehören die Begegnung mit Kunst und Kultur ebenso zur Bildung der Persönlichkeit wie naturwissenschaft­liches Verständnis und das Erlernen von Sprachen. Wer Kindern Musik, Theater oder bildende Kunst vorent­hält und ihnen die Möglichkeit des eigenen Mitmachens verweigert, enthält ihnen wichtigen Erfahrungen vor, die die Qualität des Lebens ausmachen. Die meisten Eltern wissen das. 

Alle Bonner Kulturinstitutionen engagieren sich in vorbildlicher Weise in der Jugendarbeit und ihre Angebo­te stoßen auf enorme Nachfrage. Dabei gilt in der Kultur, was im Sport von jedem als selbstverständlich ak­zeptiert wird: Ohne Spitzenleistung gibt es keine Breitenwirkung. Deshalb lässt sich beispielsweise ein gutes Musikschulangebot nicht von der Arbeit des Orchesters trennen.

Wer das kulturelle Angebot in Bonn beschneidet, trifft nicht eine kulturelle Elite, die nach Köln oder Düssel­dorf ausweichen kann, sondern schadet denen, die diese finanzielle und zeitliche Mobilität nicht haben – nicht zuletzt Kinder und Jugendliche. Deshalb ist es sozial ungerecht, wenn Kulturangebote vor Ort bei uns in Bonn in ihrer Existenz gefährdet werden. Kulturpolitik ist eine Zukunftsaufgabe bürgernaher Politik. 

Kommunale Zukunftsentscheidungen zur Kulturpolitik sollten sich an Leitlinien orien­tieren, die bürgernah sind und der Verantwortung für kommunale Lebensqualität gerecht werden. 

1) Bei der Gestaltung des städtischen Haushaltes darf es kein Sonderopfer Kultur geben.
Die Notwendigkeit der Konsolidierung des städtischen Haushaltes ist unbestreitbar. Sie liegt im wohlver­standenen Interesse aller Bürger Bonns. Aber ebenso liegt es im Interesse aller Bürger, dass in unserer Stadt für Jung und Alt unabhängig von der individuellen finanziellen Situation und in allen Teilen der Stadt ein ange­messenes kulturelles Angebot sichergestellt bleibt. Das ist kein Luxus, sondern gehört zur Grundausstattung kommunaler Lebensqualität.

2) Kommunale Kulturförderung muss durch mehr Transparenz effizienter werden.
Es ist oft nicht durchschaubar, nach welchen Kriterien im Kulturbereich städtische Zuschüsse vergeben wer­den. Diese Förderkriterien müssen offengelegt werden. Es wäre zum Beispiel widersinnig, wenn ausgerech­net den Kul­tureinrichtungen Zuschüsse gestrichen werden, die wirtschaftlich effizient arbeiten, und stattdes­sen die mehr Geld bekom­men, die sich darum nicht bemühen. Notwendig ist auch endlich Transparenz bei den Infrastrukturfragen, von denen Kultur wesentlich betroffen ist. Dazu gehört ein transparentes Hallenkon­zept mit tatsächlichen Belegungszahlen und Sanierungskosten.

3) Für ein tragfähiges Kulturkonzept gehören die kulturpolitischen engagierten Bür­ger an den Tisch.
So sinnvoll es ist, auswärtige Experten und hauptamtliche Vertreter der Bonner Kulturinstitutionen bei der Erarbeitung des Kulturkonzeptes ein­zubeziehen, so wenig plausibel ist, dass die kulturpolitisch engagierten Bürger offenbar außen vor bleiben. Die Information darüber, was andere in teuer moderierten Runden be­schließen, oder manipulative Internetbefragungen sind kein Ersatz zur Mitarbeit an dem, was beschlossen werden soll. Dazu bietet der „Kulturkreis Bonn“ mit seinen über 40 Mitgliedsvereinen hohe Sachkompetenz und vielfältige Kulturerfahrung an. Leider grei­fen darauf weder die Verwaltung noch die Ratsfraktionen z. B. mit der Möglichkeit der Berufung „sachkun­diger Bürger“ zurück. 

4) Der kommunale Kulturhaushalt darf nicht mit sachfremden Ausgaben belastet werden.
Aus kommunalen Kulturmitteln dürfen nicht andere Aufgaben finanziert werden. So ist es unumgänglich, dass sich die Stadt besser um ihre Immobilien kümmert: aber wenn man es beispielsweise für richtig hält, die Beethovenhalle, darf das nicht zu Lasten des Kulturhaushaltes gehen.

5) Vielfalt ist die Stärke des kulturelle Lebens in Bonn und muss weiter gefördert werden.
Deshalb ist es widersinnig die unterschiedlichen kulturellen Sparten, die städtischen Einrichtungen und die freie Szene oder die kommunalen Einrichtungen und die in Bonn ansässigen Kulturinstitutionen von Land und Bund gegeneinander auszuspielen. Sie alle sind Angebote für alle Bürger: So lagen diejenigen, die vor zwanzig Jahren die Bundeskunsthalle als ver­meintliche Konkurrenz zum städtischen Kunstmuseum verhin­dern wollten, ebenso falsch wie jene, die heute so tun, als hätten die Bonner nichts vom nationalen Beetho­ven-Festspielhaus. Kultur ist das Gegenteil von wechselseitiger Geringschätzung. Sie lebt vom Miteinander und geht im Gegeneinander zugrunde: Des­halb dürfen Politik und Verwaltung Kulturpolitik nicht nach dem Motto "di­vide et impera" betreiben. 

Im Jahr 2012 kann die Bonner Kommunalpolitik der Hoffnung von Theodor Heuss gerecht werden:

„Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber vielleicht kann man mit Kultur Politik machen“

oder die Mahnung von Karl Kraus missachten:

„Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge einen langen Schatten.“

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