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Stephan Eisel
Trump spaltet Amerika
Zwei seiner Ex-Minister warnen vor einer Wiederwahl
Was sich in diesen Tagen in Amerika abspielt, wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die verheerende Politik von Donald Trump. Schon während seines Wahlkampfes und dann auch im Weißen Haus setzte er auf Polarisierung. Immer wieder heizt er mit rassistischen Bemerkungen die Stimmung an und versucht, mit der Verbreitung von Unwahrheiten Vorurteile zu befeuern, die in seiner eigenen Anhängerschaft fest verankert sind. Die Verbreitung von Hass ist für Trump – wie für alle Populisten – eine politische Strategie. Wer selbst für nichts steht, braucht Feindbilder, um sich zu definieren. Dabei ist bei Trump das populistische Egomanen-Gen besonders ausgeprägt.
Als der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet wurde, war Trump zur einzig angemessenen Reaktion unfähig – nämlich der klaren Verurteilung dieser Gewalttat. Die Polizei war von einem Ladenbesitzer gerufen worden, der den Verdacht hatte, Floyd habe Zigaretten mit Falschgeld bezahlt. Floyd wurde daraufhin festgenommen. Dabei wurde er von drei Polizisten auf dem Boden festgehalten, einer davon drückte mit dem Knie auf den Hals des Verhafteten. Obwohl Floyd mehrfach stöhnte, nicht mehr atmen zu können, und selbst als er ohnmächtig wurde, wurde er weiter niedergedrückt – insgesamt fast neun Minuten lang und auch als mehrere Passanten die Polizisten auf die Ohnmacht des Verhafteten hinwiesen. Inzwischen sind die beteiligten Polizisten des Mordes angeklagt.
Dieser Vorfall ist Teil in einer Reihe von brutalen Polizeieinsätzen vornehmlich gegen junge farbige Amerikaner. Sie offenbaren einen latenten Rassismus, der in den USA eine lange Geschichte hat und vor dem – wie die Flüchtlingskrise gezeigt hat – auch wir in Deutschland nicht gefeit sind. Zugleich ist in den USA die Kontrolle polizeilicher Arbeit bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei uns in der Folge des Missbrauchs der Polizeigewalt in der NS-Diktatur.
Ein Passanten-Video dokumentierte die Ereignisse von Minneapolis so unzweideutig, dass es sofort überall im Land zu Demonstrationen kam. Dabei plünderte eine kleine gewalttätige Minderheit auch Geschäfte. Schnell grenzte sich die große Mehrheit der Demonstranten aber von diesen – inzwischen weitgehend verschwundenen - Exzessen ab. Aber Trump drohte – verfassungswidrig - mit dem Einsatz des Militärs gegen die Proteste. Zugleich ließ er am 1. Juni in Washington friedliche Demonstranten per Tränengas vertreiben, um sich vor einer Kirche mit einer Bibel fotografieren zu lassen. Führende Geistliche verschiedener Konfessionen verurteilten diese Aktion scharf.
Vor allem aber war dieses Vorgehen Trumps Anlass für zwei seiner früheren Kabinettsmitglieder, sich klar von ihm zu distanzieren. Der hochangesehene General James N. Mattis – von 2017 bis 2019 von Trump berufener Verteidigungsminister - veröffentlichte am 3. Juni 2020 im US-Magazin THE ATLANTIC eine Stellungnahme, die es vollständig zu lesen lohnt. (Eine Übersetzung finden sie am Endes des Textes):
"IN UNION THERE IS STRENGTH
I have watched this week’s unfolding events, angry and appalled. The words “Equal Justice Under Law” are carved in the pediment of the United States Supreme Court. This is precisely what protesters are rightly demanding. It is a wholesome and unifying demand—one that all of us should be able to get behind. We must not be distracted by a small number of lawbreakers. The protests are defined by tens of thousands of people of conscience who are insisting that we live up to our values—our values as people and our values as a nation.
When I joined the military, some 50 years ago, I swore an oath to support and defend the Constitution. Never did I dream that troops taking that same oath would be ordered under any circumstance to violate the Constitutional rights of their fellow citizens—much less to provide a bizarre photo op for the elected commander-in-chief, with military leadership standing alongside.
We must reject any thinking of our cities as a “battlespace” that our uniformed military is called upon to “dominate.” At home, we should use our military only when requested to do so, on very rare occasions, by state governors. Militarizing our response, as we witnessed in Washington, D.C., sets up a conflict—a false conflict—between the military and civilian society. It erodes the moral ground that ensures a trusted bond between men and women in uniform and the society they are sworn to protect, and of which they themselves are a part. Keeping public order rests with civilian state and local leaders who best understand their communities and are answerable to them.
James Madison wrote in Federalist 14 that “America united with a handful of troops, or without a single soldier, exhibits a more forbidding posture to foreign ambition than America disunited, with a hundred thousand veterans ready for combat.” We do not need to militarize our response to protests. We need to unite around a common purpose. And it starts by guaranteeing that all of us are equal before the law.
Instructions given by the military departments to our troops before the Normandy invasion reminded soldiers that “The Nazi slogan for destroying us…was ‘Divide and Conquer.’ Our American answer is ‘In Union there is Strength.’” We must summon that unity to surmount this crisis—confident that we are better than our politics. Donald Trump is the first president in my lifetime who does not try to unite the American people—does not even pretend to try. Instead he tries to divide us. We are witnessing the consequences of three years of this deliberate effort. We are witnessing the consequences of three years without mature leadership. We can unite without him, drawing on the strengths inherent in our civil society. This will not be easy, as the past few days have shown, but we owe it to our fellow citizens; to past generations that bled to defend our promise; and to our children.
We can come through this trying time stronger, and with a renewed sense of purpose and respect for one another. The pandemic has shown us that it is not only our troops who are willing to offer the ultimate sacrifice for the safety of the community. Americans in hospitals, grocery stores, post offices, and elsewhere have put their lives on the line in order to serve their fellow citizens and their country. We know that we are better than the abuse of executive authority that we witnessed in Lafayette Square. We must reject and hold accountable those in office who would make a mockery of our Constitution. At the same time, we must remember Lincoln’s “better angels,” and listen to them, as we work to unite. Only by adopting a new path—which means, in truth, returning to the original path of our founding ideals—will we again be a country admired and respected at home and abroad."[i]
General John F. Kelly - 2017 zunächst Innenminister und dann bis 2019 Stabschef im Weißen Haus – pflichtete seinem Kollegen Mattis ausdrücklich bei und fügte hinzu: “I think we need to look harder at who we elect … I think we should look at people that are running for office and put them through the filter. What is their character like? What are their ethics?”[ii] Diese klare Warnung vor einer Wiederwahl Trumps kommt von dem Mann, der zwei Jahre lang sein engster Mitarbeiter im Weißen Haus war.
Inzwischen solidarisieren sich nicht nur immer mehr Polizisten und Vertreter des öffentlichen Lebens mit den Demonstrationen, sondern zum Beispiel auch mit Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama alle noch lebenden Vorgänger Trumps. Auch zwei der 53 republikanische Senatoren haben jetzt öffentliche Zweifel geäußert, ob sie Trump für eine Wiederwahl unterstützen können. In allen Meinungsumfragen liegt er weit abgeschlagen hinter dem demokratischen Kandidaten Joe Biden. Man kann als Freund Amerikas nur hoffen, dass Trump durch die Wahlen im November zu einer Episode wird – aber es sind noch lange fünf Monate bis dahin.
[i] Arbeitsübersetzung:
IN DER EINHEI LIEGT DIE STÄRKE
Ich habe die Ereignisse dieser Woche beobachtet, wütend und entsetzt. Die Worte "Equal Justice Under Law" sind in den Giebel des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten eingraviert. Genau das fordern die Demonstranten zu Recht. Es ist eine richtige und einigende Forderung, die wir alle hinter uns stellen können sollten. Wir dürfen uns nicht von einer kleinen Anzahl von Gesetzesbrechern ablenken lassen. Die Proteste werden von Zehntausenden von Menschen mit Gewissen definiert, die darauf bestehen, dass wir unseren Werten gerecht werden - unseren Werten als Menschen und unseren Werten als Nation.
Als ich vor etwa 50 Jahren zum Militär ging, schwor ich einen Eid, die Verfassung zu unterstützen und zu verteidigen. Ich hätte nie gedacht, dass Truppen, die denselben Eid ablegen, unter irgendwelchen Umständen angewiesen werden, die verfassungsmäßigen Rechte ihrer Mitbürger zu verletzen - geschweige denn, dem gewählten Oberbefehlshaber ein bizarres Foto zu ermöglichen – mit der militärischen Führung an seiner Seite.
Wir müssen jede Vorstellung von unseren Städten als eine "Schlachtfeld" ablehnen, das unser uniformiertes Militär "dominieren" soll. Zu Hause sollten wir unser Militär nur einsetzen, wenn dies in sehr seltenen Fällen von Gouverneuren des Bundesstaates verlangt wird. Die Militarisierung unserer Reaktion, wie wir in Washington, DC, gesehen haben, führt zu einem Konflikt - einem falschen Konflikt - zwischen der Militär- und der Zivilgesellschaft. Es untergräbt das moralische Fundament, das eine vertrauensvolle Verbindung zwischen Männern und Frauen in Uniform und der Gesellschaft gewährleistet, zu deren Schutz sie verpflichtet sind und zu der sie selbst gehören. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung liegt bei zivilen staatlichen und lokalen Führern, die ihre Gemeinschaften am besten verstehen und ihnen gegenüber verantwortlich sind. James Madison schrieb in den Federalist-Papers 14: "Ein geeintes Amerika mit nur einer Handvoll Truppen oder ohne einen einzigen Soldaten ist stärker gegenüber fremden Gefahren als ein uneiniges Amerika mit hunderttausend kampfbereiten Veteranen." Wir dürfen unsere Reaktion auf Proteste nicht militarisieren. Wir müssen uns um einen gemeinsamen Zweck vereinen. Und es beginnt damit, zu garantieren, dass wir alle vor dem Gesetz gleich sind.
Die Anweisungen der Militärführung an unsere Truppen vor der Invasion in der Normandie erinnerten die Soldaten daran, dass „Teilen und erobern“ das Motto der Nazis war, um uns zu zerstören. Unsere amerikanische Antwort lautet „In der Einheit liegt die Stärke “. Wir müssen diese Einheit herbeiführen, um diese Krise zu überwinden - zuversichtlich, dass wir besser sind als unsere Politik. Donald Trump ist der erste Präsident in meinem Leben, der nicht versucht, das amerikanische Volk zu vereinen - er gibt nicht einmal vor, es zu versuchen. Stattdessen versucht er uns zu teilen. Wir sind Zeugen der Folgen von drei Jahren dieser bewussten Bemühungen. Wir erleben die Folgen von drei Jahren ohne reife Führung.
Wir können uns ohne ihn vereinen und dabei auf die Stärken unserer Zivilgesellschaft zurückgreifen. Dies wird nicht einfach sein, wie die letzten Tage gezeigt haben, aber wir schulden es unseren Mitbürgern - und früheren Generationen, die Opfer brachten, um unsere Vision zu verteidigen ebenso wie unseren Kindern. Wir können diese schwierige Zeit gestärkt und mit einem neuen Sinn und Respekt füreinander überstehen. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass nicht nur unsere Truppen bereit sind, das ultimative Opfer für die Sicherheit der Gemeinschaft zu bringen. Amerikaner in Krankenhäusern, Lebensmittelgeschäften, Postämtern und anderswo haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihren Mitbürgern und ihrem Land zu dienen. Wir wissen, dass wir besser sind als der Missbrauch von Exekutivgewalt, den wir auf dem Lafayette Square erlebt haben. Wir müssen diejenigen im Amt ablehnen und zur Rechenschaft ziehen, die unsere Verfassung verspotten. Gleichzeitig müssen wir uns an Lincolns „bessere Engel“ erinnern und ihnen zuhören, während wir daran arbeiten, uns zu vereinen. Nur wenn wir einen neuen Weg einschlagen - was in Wahrheit bedeutet, dass wir zum ursprünglichen Weg unserer Gründungsideale zurückkehren -, werden wir wieder ein Land sein, das im In- und Ausland bewundert und respektiert wird. "
[ii] Arbeitsübersetzung
„Ich denke, wir müssen genauer hinschauen, wen wir wählen ... Ich denke, wir sollten uns die Leute ansehen, die für ein Amt kandidieren, und sie unsere Maßstäbe anlegen:. Wie ist ihr Charakter? Was sind ihre ethischen Grundsätze? "