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PUTINS AGGRESSIONSPOLITIK RÜCKT

11. Mai 2014
den Kern der Euopäischen Union als Friedensprojekt wieder in den Mittelpunkt. Dabei ist auffällig, dass die heftigsten EU-Kritiker zugleich die größten "Putin-Versteher" sind. Damit habe ich mich in einem Beitrag für den Blog "kreuz-und-quer.de" befasst.
PUTINS AGGRESSIONSPOLITIK RÜCKT

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Stephan Eisel

Putins Aggression und die Europawahl

Was der russische Autokrat Wladimir Putin mit der völkerrechtswidri­gen Annexion der Krim und der systematischen Destabilisierung der Ukraine vom Zaun ge­brochen hat, hat zwar vie­len die Augen über den "lupenreinen Demokraten" (so Gerhard Schröder 2004 noch als Bundes­kanzler) geöffnet, löst aber zugleich ein Gefühl verzweifelt-wütender Hilf­losigkeit aus. Wie soll die Gemeinschaft freiheitlicher De­mokratien einer solch skrupellos neo­kolonialen und of­fen imperialistischen Politik entgegen treten, die ohne Hemmun­gen auf Ge­walt setzt ?

Die von Rußland ausgelöste Krise hat zugleich die europäische Einigung als Friedensprojekt wieder in den Fokus ge­rückt. Die Europäische Union ist nicht nur eine, sondern die Antwort auf die Frage, wie politi­sche Struk­turen aussehen müssen, die militärische Konflikte im Grundsatz ausschließt. Die­ses Europa-Pro­jekt war seit der Initialzündung durch den Schuman-Plan 1950 und der Grün­dung der Europäi­schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (1952) als Friedensprojekt so er­folgreich, dass es von vielen für zu selbstverständlich gehalten wird.

Mit Polen, Rumänien, der Slowakei und Ungarn gehören vier der sieben Nachbarländer der Ukraine der EU und der NATO an. Zwischen Berlin, München oder Dresden und den von Pu­tin-orientierten Separatisten liegen we­niger als 2000 km. Es geht hier um militärische Konflikt­e, die uns als freiheitliche Demokratien schon durch die geographische Nähe direkt be­treffen. Dies rückt die oft diskutierten internen Probleme in der Europäischen Union in eine neue Di­mension und den Kern des Europaprojektes in den Mittelpunkt.

Es ist kein Zufall, dass die heftigsten Kritiker der Europäischen Union auf der äußersten rech­ten Seite (einschließlich der AfD) und der äußersten linken Seite (einschließlich der Linken) zu­gleich die engagiertesten „Putin-Versteher“ sind: Gemeinsam lehnen sie Sanktionen ge­gen Pu­tins Ag­gressionspolitik ab und zeigen Verständnis für Putins angebliche „Einkreisungsängste“, weil sich EU und und NATO „nach Osten“ ausgedehnt hätten.

Konsequent wird dabei verschwiegen, dass alle mittel- und osteuropäischen Länder die Mit­gliedschaft in EU und NATO sofort anstrebten, als ihnen demokratische Wahlen die Möglich­keit zur freien Entscheidung gaben. Hätte man ihnen dies verweigern sollen?

Dass die NATO nach ihrer Ost-Erweiterung bewusst und frei­willig davon abgese­hen hat, per­manent Truppen und Gerät in Ländern des früheren War­schauer Pakts zu statio­nieren, war ein klares Zeichen nach Moskau wie abwegig der Vorwurf angeblicher Bedrohungsszenarien durch die NATO ist. Zugleich öffnete sich die NATO gegenüber Rußland.

Bereits seit 1991 arbeiteten die NATO und Russland bereits in der Verteidigungs- und Sicher­heitspolitik zusammen. 1994 wurde Russland Mitglied im NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden". Im Mai 1997 wurde die "Grundakte über ge­genseitige Beziehungen, Zusammen­arbeit und Sicherheit zwischen der NATO und der Russi­schen Föderation" unter­zeichnet. Als Kon­sultationsforum wurde der "Ständige Gemeinsame NATO-Russland-Rat" ge­schaffen. Es hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun, wenn Putin den Eindruck einer Bedrohung Russ­lands durch die NATO erweckt und manche bei uns das einfach nachbeten.

Umgekehrt hat Putin das Konzept friedlicher Nachbarschaft offenbar ad acta gelegt. Wer hätte nicht Verständnis dafür, dass angesichts dessen beispielsweise die drei baltischen Staaten jetzt dar­auf dringen, dass in Reaktion auf das Aggressionspolitik Putins NATO-Trup­pen auch in ih­ren Ländern stationiert werden: Gerade erst hat Putin ein Abkommen mit Litauen über vertrau­ensbildende Maßnahmen gekündigt, die militärische Präsens im benachbarten Kalinin­grad er­höht und Übungen mit Kampfhubschraubern an der Grenze zu Lettland verstärkt.

All dies blenden rechte und linke die "Putin-Versteher" auf beschämende Weise aus: Man übertrifft sich in Rechtfertigungen für Putins Politik offener militäri­scher Ge­walt, die Assozia­tionen mit der Appeasement-Politik ("Beschwichtigungs­politik") des briti­schen Premierminis­ters Chamberlain 1938 gegen­über Hitler leider geradezu aufdrängen. Ge­schmackloser Höhe­punkt war hier die fotowirksame freundschaft­liche Schröder-Putin-Umarm­ung genau zu dem Zeitpunkt als Putin militärische Gewalt gegen und in der Ukraine offen för­derte.

Ganz offenkundig fürchtet Putin die dort für den 25. Mai anberaumten ukrainischen Wahlen und will ihnen die Legitimationsgrundlage nehmen: Immer noch sind russische Streitkräfte (35-40.000 Solda­ten) entlang der ukrainischen Grenze konzentriert und in Alarmbereitschaft ver­setzt und sein demonstrativer Besuch einer russischen Militärparade auf der krim ist alles ande­re als ein Signal des Deeskalation.

Man wird sehen, ob Putin die die „Ergebnisse“ der mit Maschinengewehren erzwungenen „Re­ferenden“ in einigen Gebieten der Süd- und Ostukraine ebenso anerkennt wie auf der Krim oder sein Aufruf zu deren Verschiebung mehr als ein Wortgeplänkel war. Dass er die Freilas­sung der OSZE-Beobachter herbeiführen konnte (eigentlich eine Selbstverständlichk­eit, denn immerhin ist Russland Mitglied der OSZE) belegt seinen Einfluss auf die von Mos­kau ermu­tigten und von Rußland abhängigen (para)militärischen Truppen in der Süd- und Ostukraine.

Zu Recht haben Deutschland und Frankreich in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 10. Mai un­terstrichen „dass bei einem Scheitern der Präsidentschaftswahlen die entsprechenden Konse­quenzen zu ziehen sind, die der Europäische Rat am 6. März mit seinem dreistufigen Sanktions­verfahren vorgesehen hat.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deut­schen Bun­destages, Norbert Röttgen, sagte dazu: „Putin hat als Aggres­sor die Hand­lungsdominanz. Wir müssen aufpassen, dass wir mit unseren Reaktionen nicht zu sehr hinter­herhinken.“

Dass sowohl die Wahlen in der Ukraine und wie auch die zum Europarlament am 25. Mai stattfind­en, ist ein Zufall – und offenbart zugleich, worum es wirklich geht:

Freie Wahlen sind kei­ne Selbst­verständlichkeit und schon deshalb sollte auch für uns in der EU die Teil­nahme eine demo­kratische Pflicht sein. Zugleich verdient (und braucht) die Europäi­sche Uni­on gerade ange­sichts Putin´schen Aggressionspolitik in ihrer unmittelbaren Nachbar­schaft Unterstützung und eine klare Absage an die­jenigen, die sie madig machen wollen.

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