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Bonner Haushalt:
Mehr für die Beethovenhalle als für freie Kulturträger und Sportvereine
Haushaltsberatungen sind eine komplexe Angelegenheit, und wenn es ums Sparen geht, wird’s besonders kompliziert. Umso merkwürdiger ist, was sich zur Zeit in Bonn abspielt: Für 300.000 Euro wird zum zweiten Mal eine fragwürdige Internetabstimmung zu Haushaltsfragen durchgeführt. Die Bürger halten nichts davon: Nach zehn Tagen konnten selbst bei der „populärsten“ Fragegerade einmal 236 Stimmen gezählt werden. Zugleich werden von interessierter Seite Sport und Kultur gegeneinander ausgespielt, die doch in ihrem bürgerschaftlichen Engagement natürliche Bündnispartner sein sollten.
Zu solchen ziellosen Debatten kommt es, weil Transparenz über die städtischen Ausgaben fehlt. Dafür gibt es auch politische Gründe, denn manche in der Kommunalpolitik wollen bestimmte Bereiche wie z. B. im Bau- oder Sozialhaushalt von vorneherein aus der notwendigen Spardebatte halten. Auch die Stadtverwaltung mit dem Oberbürgermeister an der Spitze ist nicht frei von Eigeninteressen. So werden beispielsweise trotz entsprechender Ratsbeschlüsse die Kosten für eine bauliche Sanierung der Beethovenhalle konsequent verschwiegen und dennoch der Erhalt der Mehrzweckhalle beschlossen.
Wer sich den städtischen Haushalt aber genauer anschaut und sich nicht vom ersten Eindruck blenden lässt, stößt auf erstaunliche Dinge. Wussten Sie, dass in Bonn
die jährlichen Kosten für die Beethovenhalle die gesamte Förderung freier Kulturträger und (!) der Sportvereine übersteigen.
das städtische Gebäudemanagement den Steuerzahler jedes Jahr sieben Mal soviel wie das Beethovenorchester kostet.
mehr für städtisches Personalmanagement ausgegeben wird als für die Musikschule oder die Bereitstellung von Sportanlagen.
der Aufwand für Straßenerhaltung in jedem Jahr deutlich höher liegt als für Oper und Schauspiel.
Schon diese wenigen Gegenüberstellungen weisen auf Stolpersteine für die Zukunftsentwicklung Bonns hin, die bei der notwendigen Haushaltskonsolidierung ausgeräumt werden sollten. Mit manipulativen Abstimmungen weniger Internetaktivisten lässt sich diese Herausforderung ebenso wenig bewältigen wie mit billigen Versuchen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Man muss sich schon die Mühe machen, den städtischen Haushalt genauer zu analysieren.
Das wird den Bürgern allerdings nicht leicht gemacht. Es ist zwar nicht einfach, Transparenz in Haushaltsfragen herzustellen. Aber einiges könnte im Bonner Haushalt verbessert werden, denn dort fehlt:
eine nachvollziehbare Unterscheidung zwischen (projektbezogenen) einmaligen Zukunftsinvestitionen und jährlich anfallenden Konsumausgaben. Leider sucht man die städtischen Investitionskosten etwa für den Bahnhofsvorplatz, das von der Verwaltung vorgeschlagene neue „Spaßbad“ oder die Sanierung der Beethovenhalle vergebens. So lässt sich keine Entscheidung über Zukunftsprioritäten fällen – und zugleich bleibt verborgen, wo der Stadt wie beim Bau des Festspielhauses private Investitionen angeboten werden.
eine klare Unterscheidung zwischen gesetzlich zwingenden und freiwilligen Ausgaben. So verstecken sich bei den Schulausgaben Sonderzuwendungen für den Ganztagsbetrieb, den in ganz NRW nur Bonn zahlt. In den Sozialausgaben verbirgt sich der nur in Bonn gewährte Bonn-Ausweis. Beim Straßenbau werden Projekte nicht offengelegt, für die das Land zwar Zuschüsse zahlt, die aber Bonn deswegen noch lange nicht bauen muss – man denke nur an viele Verkehrskreisel. Und wer den städtischen Kostenanteil an der überflüssigen verlängerten Tieferlegung auf der Friedrich-Ebert-Allee sucht, muss ein Detektivbüro beauftragen.
eine klare Haushaltsdarstellung statt schwer verständlichen Verwaltungssprache. Immerhin 45,5 Mio Euro werden z. B. als Ausgaben der Produktgruppe “Allgemeine Zuweisungen/Umlagen/Abgaben“ zugeordnet. In den Erläuterungen steht dazu: „Beschaffung von Finanzmitteln zur Finanzierung städtischer Aufgaben, die nicht durch Gebühren bzw. Entgelte gedeckt werden“. Gemeint sind schlicht die für die Verschuldung aufzubringenden Zinsen, wobei sich das Management der Verschuldung wiederum in zwei anderen Positionen mit dem weiteren Aufwand von weiteren 4,2 Mio Euro findet.
die Vermeidung der Zusammenfassung von Ausgaben, die nicht zueinander gehören. Zum viel diskutierten „Kulturhaushalt“ rechnet die Verwaltung z. B. auch die Volkshochschule und das Stadtarchiv. Im „Sporthaushalt“ werden zur Sportförderung die Bäder gezählt, die doch vorzugsweise Freizeiteinrichtungen sind.
Wer die städtischen Ausgaben nicht in der von der Verwaltung offerierten Zusammenstellung, sondern die Einzelaufwendungen vergleicht, stößt auf die oben geschilderte überraschende Perspektive. Die folgende Übersicht zeigt die regelmäßig anfallenden städtischen Ausgaben am Beispiel des Jahr 2012 soweit sie eine Million Euro übersteigen. Die dem offiziellen Haushaltsplan entnommenen Zahlen enthalten die jeweils zugeordneten Personalausgaben und die Verrechnung von Einnahmen, Zuschüssen und verwaltungsinternen Leistungen. Investitionen wie z. B. der Straßenneubau sind ebenso wie städtischen Betriebe Vebowag (Wohnungswirtschaft) oder Stadtwerke (ÖPNV!) enthalten
Nettoausgaben 2012 |
Ausgaben 2012 in Mio Euro |
Grundsicherung nach SGB XII (Sozialhilfe) |
61,3 |
Grundsicherung nach SGB II (Arbeitslosengeld II) |
56,9 |
Gebäudemanagement (SGB) |
54,2 |
Sonstige Leistungen zur Förderung von jungen Menschen und Familien |
50,6 |
Allgemeine Zuwendungen/Umlagen/Abgaben |
45,5 |
Gemeindestraßen |
41,4 |
Tageseinrichtungen für Kinder |
35,8 |
Theater/Oper |
31,1 |
Entwässerung /Abwasserbeseitigung |
30,4 |
Brandschutz |
20,8 |
Grundschulen |
19,5 |
Konferenzzentrum / Beethovenhalle (davon 2,7 Mio Beethovenhalle) |
14,7 |
Öffentliches Grün |
12,1 |
Gymnasien |
8,9 |
Beethovenorchester |
7,7 |
Politische Gremien |
7,2 |
Schülerbeförderung |
6,8 |
Einwohnerangelegenheiten |
6,3 |
Kunstmuseum |
6 |
Sonstige soziale Hilfen (davon 2,8 Mio Bonn-Ausweis) |
5,9 |
Förderung der Träger freier Wohlfahrtspflege |
5,6 |
Wohnraumsicherung/Hilfe Wohnungslosigkeit |
5,5 |
Bereitstellung und Betrieb von Bädern |
5,4 |
Berufskollegs |
5,4 |
Einrichtungen der Jugendarbeit |
5,1 |
Bundesstraßen |
4,9 |
Liegenschaftskataster |
4,7 |
Realschulen |
4,7 |
Allgemeine Sicherheit und Ordnung |
4,6 |
Stadtbibliothek |
4,6 |
Leistungen nach dem Asylgesetz |
4,6 |
Gesamtschulen |
4,0 |
Verwaltungsführung |
4,0 |
Personalmanagement |
3,8 |
Bereitstellung und Betrieb von Sportanlagen |
3,8 |
Hauptschulen |
3,7 |
Musikschule |
3,6 |
Umweltschutz |
3,1 |
Parkeinrichtungen (Parkscheinautomaten usw) |
3,1 |
Abwehr von Großschadenereignissen |
3,1 |
Zentrale Dienste |
3,0 |
Kreditwirtschaft |
3,0 |
Förderschulen |
2,8 |
Hochwasserschutz |
2,7 |
Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen |
2,4 |
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit |
2,4 |
Unterhaltsvorschussleistungen |
2,2 |
Raumplanung |
2,1 |
Wirtschaftsförderung |
2,1 |
Landesstraßen |
2,0 |
Gesundheitsförderung |
2,0 |
Beethovenpflege |
2,0 |
Lebensmittelüberwachung |
1,9 |
Personalstandswesen |
1,9 |
Abfallwirtschaft |
1,8 |
Internationales Profil /Zielgruppenservice |
1,7 |
Stadtarchiv |
1,7 |
Gesundheitsschutz |
1,7 |
Finanzierung von Erschließungmaßnahmen |
1,7 |
Ortsbaurecht |
1,7 |
Tourismusförderung |
1,6 |
Sonstige Einrichtungen für junge Menschen und Familien |
1,6 |
Soziale Einrichtungen |
1,6 |
Verwaltung von Steuern und Benutzungsgebühren |
1,6 |
Volkshochschule |
1,5 |
Friedhöfe |
1,5 |
Straßenreinigung/Winterdienst |
1,4 |
Sonstige Schulische Maßnahmen |
1,4 |
Kreisstraßen |
1,4 |
ÖPNV |
1,3 |
Verkehrsplanung |
1,3 |
Grundstückswerteermittlung |
1,3 |
Kulturelle Förderung freier Träger |
1,3 |
Jugendarbeit |
1,3 |
Sportförderung |
1,3 |
Maßnahmen des bes. Städtebaurechts |
1,3 |
Liquiditätsmanagement |
1,2 |
Rettungsdienst |
1,1 |
Verkehrs- und Beförderungsangelegenheiten |
1,1 |
Tageseinrichtungen für behinderte Kinder |
1,1 |
Forstwirtschaft |
1,1 |