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EINE RUTSCHBAHN INS MILLIONENGRAB

03. Mai 2016
ist die Luxussanierung der Beethovenhalle. Die Kos­tenschätzungen der Verwaltung haben sich in nur drei Jahren verdoppelt und seit Jahresanfang sogar mo­natlich um eine Million Euro erhöht. Insgesamt sollen mindestens 75 Millionen ausgegeben werden. Das sind schon jetzt fünfmal mehr als der städti­sche Beitrag zu Bau und Betrieb des Beethoven-Festspielhauses gewesen wäre. 

 

Warum ich mich der Spendenaktion für die Beethovenhalle nicht anschließe, können Sie hier lesen.

 

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Stephan Eisel

Beethovenhalle: Millionengrab mit ständiger Kostenexplosion

Rechnungsprüfungsamt überprüft Zahlenwerk erst nach Ratsbeschluss  

Die aufwendige Luxussanierung der Beethovenhalle ist nicht nur überflüssig, sondern entwickelt sich schon vor Baubeginn zur Rutschbahn in ein Millionengrab: Bevor überhaupt ein Handschlag getan ist, haben sich die Kos­tenschätzungen der Verwaltung innerhalb von nur drei Jahren verdoppelt und seit Jahresanfang sogar mo­natlich um eine Million Euro erhöht. Insgesamt sollen mindestens 75 Millionen ausgegeben werden – und zwar ohne jede Verbesserung der Akustik im alten Mehrzwecksaal. Dazu kommt für den Betrieb ein jährlicher Zu­schuss von mindestens 2 Mio Euro aus der Stadtkasse. Das sind schon jetzt fünfmal mehr als der städti­sche Beitrag zu Bau und Betrieb des Beethoven-Festspielhauses gewesen wäre. 

Die bisher gefassten Ratsbeschlüsse sind schon deshalb unseriös, weil regelmäßig die notwendigen Entschei­dungsgrundlagen fehlen. Im Dezember 2015 wurden - wie es im Beschlusstext wörtlich heisst - „vor Ab­schluss der Entwurfsplanung und Prüfung der Kostenberech­nung“ hohe zweistellige Millionenbeträge verab­schiedet. Weil das nicht alle CDU-Stadträte mitgemacht haben, kam die Mehrheit nur mit den Stimmen von Linkspartei und Piraten zustande. Auf den noch im Mai 2015 eingeforder­ten Businessplan und ein Hallenkon­zept, das zunächst überhaupt den Bedarf für die Mehrzweckhalle feststellt, hat der Rat längst verzich­tet. 

Am 7. April 2016 hat der Rat eine Beschlussvorlage der Verwaltung verabschiedet, deren gesamte Kostenbe­rechnung auf Angaben eines „externen Projektsteuerers“ beruht. Erst nach (!) dem Ratsbeschluss soll zur „in­ternen Absi­cherung … eine Plausibilisierung der vorgelegten Zahlenwerke durch das städtische Rechnungs­prüfungsamt vorgenommen werden“ - und selbst das nur „auf einer kursorischen Ebene“. Stadtdi­rektor Fuchs wird mit Hinweis zitiert: „Was die Sanierung am Ende genau kosten werde, wisse man allerdings erst, wenn voraussichtlich nach der Sommerpause die Angebote für die einzelnen Gewerke vorliegen.“ (GA 15.3.16)

In meiner jahrzehntelangen Arbeit in Gremien des Stadtrats bis hin zum Bundestag, habe ich sel­ten ein so unseriöses Verfahren erlebt wie bei der Sanierung der Beethovenhalle. Teilweise wer­den die Gre­mien sogar ohne schriftliche Unterlagen einberufen, regelmäßig werden sie mit komplexen Tischvorlagen oder nachge­reichten Unterlagen konfrontiert. In keinem Fall (!) hat der Rat Beschlussvorlagen zur Sanierung der Beetho­venhalle fristgerecht mit dem Versand der Sitzungseinla­dung erhalten. Wer als Mandatsträger Wert auf einen verant­wortlichen Umgang mit Steuergeldern legt, darf auf dieser Grundlage keine Entschei­dungen treffen.

Die Kostensteigerung für die Hallensanierung ist schon in der Planungsphase atemberau­bend:

Verwaltungsvorlage

Veranschlagte
Sa­nierungskosten

ausdrücklich benanntes
Kos­tensteigerungsrisiko

Zusätzlicher Hinweis

17.09.2012

„Kostenermittlung“

Drs. 1212095ST7

29, 8 Mio Euro

 

 

15.04.2015

„Kostenschätzung“

Drs. 1511323
(dazu Ratsbeschluss am 7.05.2015)

56,3 Mio Euro

+ 30 Prozent

„mit teilweiser Ertüchtigung der Akustik“

24.11.2015

„Schätzkosten“ Drs. 1513665

(dazu Ratsbeschluss am 10.12.2015)

59,8 Mio Euro

+ 25 Prozent

„Projektgrenzen: Kei­ne raumakusti­sche Verbesse­rung des großes Saal­es für Musik“

01.04.2016

„Kostenberechnung“ Drs. 1611089

(dazu Ratsbeschluss am 7.04.2016)

62,7 Mio Euro

+ 20 Prozent

„Raumakustik kein Bestandteil“
bzw. „Raumakustik entfallen“

 

Die jetzt incl. des schon jetzt benannten Kostensteigerungsrisikos benannte städtische Ausgabe von ca. 75 Mio Euro1 muss ausschließlich durch eine weitere Verschuldung der Stadt finanziert werden. Das sind selbst in der jetzigen Niedrigzinsphase bis zu 1 Mio Euro weiterer jährlicher Ausgaben, über die niemand spricht. Die zu­sätzliche Verschuldung der Stadt wegen der Beethovenhalle wird zu Lasten anderer Auf­gaben der Stadt ge­hen. Oberbürgermeister Sridharan hatte dem General-Anzeiger in einem In­terview am 28. Dezember 2015 noch ein­mal ausdrücklich gesagt, „dass wir uns die beschlossene Variante nicht leisten können.“ Der Rat hat ihn unter Führung der Grünen überstimmt. 

Diese Lage haben Rat und Verwaltung selbst verschul­det. Wegen der enor­men Sanierungskosten und der hohen Betriebskosten war bis Ende 2009 klar, dass die Beethovenhalle zuguns­ten eines neuen Beethoven-Festspiel­hauses abgeris­sen werden sollte. Darauf ba­siert die erste Architektenwett­bewerb der Deutschen Post DHL. So findet es sich auch in den Programmen von CDU, SPD und FDP zur Kommu­nalwahl 2009. Doch dann legte der neue Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) das Projekt Fest­spielhaus im April 2010 im Alleingang aus Eis. Zu­gleich machten machten die Grünen den Erhalt der Beetho­venhalle zur Bedingung für die neue schwarz-grü­ne Ratskoalition. In der Folge beschloss der Rat 2011 den Er­halt der Beethovenhal­le ohne jegliche Informati­on über die finanziellen Folgen. Das war unverantwortlich und fahrlässig. 

Auf dieser Grundlage wurde 2014 ein von der Deutschen Post DHL finanzierter zweiter Architektenwettbe­werb für das Festspielhaus neben der Beethovenhalle durchgeführt. Die Stadt sollte lediglich ein baureifes Grund­stück zur Verfügung stellen (4,4 Mio Euro) und über (20 Jahre ge­streckt) einmalig 10 Mio zur Betriebsstiftung Festspielhaus beitragen. Alle anderen Kosten waren durch die pri­vaten Baufinanziers sowie im Betrieb vor al­lem durch den Bund (39 Mio), die Deutsche Tele­kom, die Sparkasse Köln-Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis ab­gedeckt. Das Projekt war durchfinanziert, die Satzung der Betriebsstif­tung von der Stiftungsaufsicht genehmigt und zwei durchgeplante Architektenent­würfe lagen realisierungsfä­hig vor. Alle Beteiligten hatten bis Ostern 2015 die notwendigen Beschlüsse ge­fasst – nur die Stadt Bonn ver­tagte sich immer wieder. 

Als die Stadtverwaltung im April 2015 zugeben musste, dass die Sanierungskosten der Mehrzweckhalle dop­pelt so hoch ausfallen würden wie ursprünglich angenommen, ließ sich die von den Grünen dominierte Rats­mehrheit davon nicht abschrecken, sondern beschloss am 7. Mai mit Planungsausgaben in Höhe von zwei Mio Euro die Reali­sierung. Zugleich verschob der Rat erneut die notwendigen Beschlüsse zum Beethoven-Fest­spielhaus. Am 16. Juni 2015 teilte die Deutsche Post DHL Group mit, dass sie die Errich­tung eines Festspiel­hauses nicht weiter verfolgen werde, „weil schon zum Start kein eindeutiger Schulter­schluss innerhalb der Stadt zu erken­nen ist.“ Damit waren auch die 39 Mio Euro des Bundes verloren. 

So muss die Beethovenstadt Bonn das Beethoven-Jubiläum 2020 ohne angemessenen Konzertsaal begehen. Von akustische Verbesserungen ist im Rahmen der aufwendigen Sanierung der Beethovenhalle näm­lich längst keine Rede mehr. Die hohen zweistelligen Millionenbeträ­ge ver­schlingt der Denkmalschutz. Für Sinfoniekon­zerte wird es in der Ge­burtsstadt des Komponisten nur Provi­sorien geben: eine Mehrzweckhalle und einen Ta­gungsraum (WCCB). Niemand wird wegen der Konzerte in solchen Provisorien auch nur aus Köln nach Bonn kommen. Deshalb sind alle Beteiligten gut beraten, das Beethovenjubiläum 2020 nicht an der Beethovenhalle festzu­machen. Viel wichtiger ist es, in das zu investieren, was Bonn zu Beethoven unverwech­selbar macht – vor allem die authent­ischen Orten und nachhaltige Strukturen für die Profilierung als Beetho­venstadt. 

Würden Rat und Verwaltung über den Tellerrand blicken, läge aus kommunalpoliti­scher Verantwor­tung eine zukunftsweisende Lösung auf der Hand: Da auch bei der Oper hohe zweistellige Sa­nierungskosten anstehen, sollte man die Beethovenhalle jetzt für die nächsten Jahre nur einen betriebssicheren Zustand bringen. Experten schätzen, dass dies für 10 Mio Euro möglich wäre. Statt dann über 150 Mio Euro in die Sanierung zwei alter Gebäude zu stecken, könnte we­nigstens nach 2020 – wie z. B. in Baden-Baden oder Bregenz – ein integrierten Opern- und Konzerthausbau neu zu er­richtet werden. Das nordrhein-westfälische Denkmal­schutzgesetz lässt dies übrigens ausdrücklich zu: Nach Ar­tikel 9 muss die Erlaubnis zum der Abriss eines denk­malgeschützten Gebäudes erteilt werden, wenn „ein über­wiegendes öffentliches Interesse die Maß­nahme ver­langt“. Dies festzustellen wäre Aufgabe des Rates. 

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die unkalkulier­bare finanzielle Doppellast der Sanierung von Beethovenhal­le und Oper wäre vermieden. Eine moderne in­tegrierte Lösung würde die Betriebskosten re­duzieren (ein Ge­bäude statt zwei), die Vermarktung des Opern­grundstücks würde Geld in die Stadtkasse bringen, die Zukunft von Oper und Schauspiel wäre gesichert und die Beethovenstadt käme endlich zu einem angemessenen Kon­zertsaal. Leider ist die Bonner Kommunalpolitik zu einer solchen Zukunftsentschei­dung noch nicht fähig. Viel­leicht lässt die absehbare weitere Kostenexplosion nach dem Baubeginn der Hallensanierung die Einsicht wachsen, führt im Verfahrensverlauf noch zum Abspecken dieser unverantwortlichen Luxussa­nierung im Altbestand und öffnet den Blick für eine attraktive Zukunftsgestaltung.

1Zur Finanzierung tragen die Sparkasse KölnBonn mit 5 Mio Euro sowie der Stiftung Denkmalschutz mit 100.000 Euro bei. Maßnahmen für ca zwei Mio Euro (z. B. Bestuhlung) sollen nur reali­siert werden, wenn entsprechende Spenden eingehen. Obwohl der Rat dazu bereits im Dezember 2015 aufge­rufen hat, haben sich bisher lediglich 133 Spender gemeldet. Über die Höhe der Spenden wird keine Angabe gemacht, ebenso wenig über die Zusatz­kosten der Stadt für die Bewerbung der Spendenaktion. Zugleich wird der städtischen Haushalt zusätzlich belastet durch „eine Vernichtung von Rest­buchwerten … in Höhe von derzeit geschätzten ca. 2,5 – 3,0 Mio Euro“ („durch den Abbau von bestehenden technischen und baulichen Anlagen“). 

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