Warum ich mich der Spendenaktion für die Beethovenhalle nicht anschließe, können Sie hier lesen.
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Stephan Eisel
Beethovenhalle: Millionengrab mit ständiger Kostenexplosion
Rechnungsprüfungsamt überprüft Zahlenwerk erst nach Ratsbeschluss
Die aufwendige Luxussanierung der Beethovenhalle ist nicht nur überflüssig, sondern entwickelt sich schon vor Baubeginn zur Rutschbahn in ein Millionengrab: Bevor überhaupt ein Handschlag getan ist, haben sich die Kostenschätzungen der Verwaltung innerhalb von nur drei Jahren verdoppelt und seit Jahresanfang sogar monatlich um eine Million Euro erhöht. Insgesamt sollen mindestens 75 Millionen ausgegeben werden – und zwar ohne jede Verbesserung der Akustik im alten Mehrzwecksaal. Dazu kommt für den Betrieb ein jährlicher Zuschuss von mindestens 2 Mio Euro aus der Stadtkasse. Das sind schon jetzt fünfmal mehr als der städtische Beitrag zu Bau und Betrieb des Beethoven-Festspielhauses gewesen wäre.
Die bisher gefassten Ratsbeschlüsse sind schon deshalb unseriös, weil regelmäßig die notwendigen Entscheidungsgrundlagen fehlen. Im Dezember 2015 wurden - wie es im Beschlusstext wörtlich heisst - „vor Abschluss der Entwurfsplanung und Prüfung der Kostenberechnung“ hohe zweistellige Millionenbeträge verabschiedet. Weil das nicht alle CDU-Stadträte mitgemacht haben, kam die Mehrheit nur mit den Stimmen von Linkspartei und Piraten zustande. Auf den noch im Mai 2015 eingeforderten Businessplan und ein Hallenkonzept, das zunächst überhaupt den Bedarf für die Mehrzweckhalle feststellt, hat der Rat längst verzichtet.
Am 7. April 2016 hat der Rat eine Beschlussvorlage der Verwaltung verabschiedet, deren gesamte Kostenberechnung auf Angaben eines „externen Projektsteuerers“ beruht. Erst nach (!) dem Ratsbeschluss soll zur „internen Absicherung … eine Plausibilisierung der vorgelegten Zahlenwerke durch das städtische Rechnungsprüfungsamt vorgenommen werden“ - und selbst das nur „auf einer kursorischen Ebene“. Stadtdirektor Fuchs wird mit Hinweis zitiert: „Was die Sanierung am Ende genau kosten werde, wisse man allerdings erst, wenn voraussichtlich nach der Sommerpause die Angebote für die einzelnen Gewerke vorliegen.“ (GA 15.3.16)
In meiner jahrzehntelangen Arbeit in Gremien des Stadtrats bis hin zum Bundestag, habe ich selten ein so unseriöses Verfahren erlebt wie bei der Sanierung der Beethovenhalle. Teilweise werden die Gremien sogar ohne schriftliche Unterlagen einberufen, regelmäßig werden sie mit komplexen Tischvorlagen oder nachgereichten Unterlagen konfrontiert. In keinem Fall (!) hat der Rat Beschlussvorlagen zur Sanierung der Beethovenhalle fristgerecht mit dem Versand der Sitzungseinladung erhalten. Wer als Mandatsträger Wert auf einen verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern legt, darf auf dieser Grundlage keine Entscheidungen treffen.
Die Kostensteigerung für die Hallensanierung ist schon in der Planungsphase atemberaubend:
Verwaltungsvorlage |
Veranschlagte |
ausdrücklich benanntes |
Zusätzlicher Hinweis |
17.09.2012 „Kostenermittlung“ Drs. 1212095ST7 |
29, 8 Mio Euro |
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15.04.2015 „Kostenschätzung“ Drs. 1511323 |
56,3 Mio Euro |
+ 30 Prozent |
„mit teilweiser Ertüchtigung der Akustik“ |
24.11.2015 „Schätzkosten“ Drs. 1513665 (dazu Ratsbeschluss am 10.12.2015) |
59,8 Mio Euro |
+ 25 Prozent |
„Projektgrenzen: Keine raumakustische Verbesserung des großes Saales für Musik“ |
01.04.2016 „Kostenberechnung“ Drs. 1611089 (dazu Ratsbeschluss am 7.04.2016) |
62,7 Mio Euro |
+ 20 Prozent |
„Raumakustik kein Bestandteil“
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Die jetzt incl. des schon jetzt benannten Kostensteigerungsrisikos benannte städtische Ausgabe von ca. 75 Mio Euro1 muss ausschließlich durch eine weitere Verschuldung der Stadt finanziert werden. Das sind selbst in der jetzigen Niedrigzinsphase bis zu 1 Mio Euro weiterer jährlicher Ausgaben, über die niemand spricht. Die zusätzliche Verschuldung der Stadt wegen der Beethovenhalle wird zu Lasten anderer Aufgaben der Stadt gehen. Oberbürgermeister Sridharan hatte dem General-Anzeiger in einem Interview am 28. Dezember 2015 noch einmal ausdrücklich gesagt, „dass wir uns die beschlossene Variante nicht leisten können.“ Der Rat hat ihn unter Führung der Grünen überstimmt.
Diese Lage haben Rat und Verwaltung selbst verschuldet. Wegen der enormen Sanierungskosten und der hohen Betriebskosten war bis Ende 2009 klar, dass die Beethovenhalle zugunsten eines neuen Beethoven-Festspielhauses abgerissen werden sollte. Darauf basiert die erste Architektenwettbewerb der Deutschen Post DHL. So findet es sich auch in den Programmen von CDU, SPD und FDP zur Kommunalwahl 2009. Doch dann legte der neue Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) das Projekt Festspielhaus im April 2010 im Alleingang aus Eis. Zugleich machten machten die Grünen den Erhalt der Beethovenhalle zur Bedingung für die neue schwarz-grüne Ratskoalition. In der Folge beschloss der Rat 2011 den Erhalt der Beethovenhalle ohne jegliche Information über die finanziellen Folgen. Das war unverantwortlich und fahrlässig.
Auf dieser Grundlage wurde 2014 ein von der Deutschen Post DHL finanzierter zweiter Architektenwettbewerb für das Festspielhaus neben der Beethovenhalle durchgeführt. Die Stadt sollte lediglich ein baureifes Grundstück zur Verfügung stellen (4,4 Mio Euro) und über (20 Jahre gestreckt) einmalig 10 Mio zur Betriebsstiftung Festspielhaus beitragen. Alle anderen Kosten waren durch die privaten Baufinanziers sowie im Betrieb vor allem durch den Bund (39 Mio), die Deutsche Telekom, die Sparkasse Köln-Bonn und den Rhein-Sieg-Kreis abgedeckt. Das Projekt war durchfinanziert, die Satzung der Betriebsstiftung von der Stiftungsaufsicht genehmigt und zwei durchgeplante Architektenentwürfe lagen realisierungsfähig vor. Alle Beteiligten hatten bis Ostern 2015 die notwendigen Beschlüsse gefasst – nur die Stadt Bonn vertagte sich immer wieder.
Als die Stadtverwaltung im April 2015 zugeben musste, dass die Sanierungskosten der Mehrzweckhalle doppelt so hoch ausfallen würden wie ursprünglich angenommen, ließ sich die von den Grünen dominierte Ratsmehrheit davon nicht abschrecken, sondern beschloss am 7. Mai mit Planungsausgaben in Höhe von zwei Mio Euro die Realisierung. Zugleich verschob der Rat erneut die notwendigen Beschlüsse zum Beethoven-Festspielhaus. Am 16. Juni 2015 teilte die Deutsche Post DHL Group mit, dass sie die Errichtung eines Festspielhauses nicht weiter verfolgen werde, „weil schon zum Start kein eindeutiger Schulterschluss innerhalb der Stadt zu erkennen ist.“ Damit waren auch die 39 Mio Euro des Bundes verloren.
So muss die Beethovenstadt Bonn das Beethoven-Jubiläum 2020 ohne angemessenen Konzertsaal begehen. Von akustische Verbesserungen ist im Rahmen der aufwendigen Sanierung der Beethovenhalle nämlich längst keine Rede mehr. Die hohen zweistelligen Millionenbeträge verschlingt der Denkmalschutz. Für Sinfoniekonzerte wird es in der Geburtsstadt des Komponisten nur Provisorien geben: eine Mehrzweckhalle und einen Tagungsraum (WCCB). Niemand wird wegen der Konzerte in solchen Provisorien auch nur aus Köln nach Bonn kommen. Deshalb sind alle Beteiligten gut beraten, das Beethovenjubiläum 2020 nicht an der Beethovenhalle festzumachen. Viel wichtiger ist es, in das zu investieren, was Bonn zu Beethoven unverwechselbar macht – vor allem die authentischen Orten und nachhaltige Strukturen für die Profilierung als Beethovenstadt.
Würden Rat und Verwaltung über den Tellerrand blicken, läge aus kommunalpolitischer Verantwortung eine zukunftsweisende Lösung auf der Hand: Da auch bei der Oper hohe zweistellige Sanierungskosten anstehen, sollte man die Beethovenhalle jetzt für die nächsten Jahre nur einen betriebssicheren Zustand bringen. Experten schätzen, dass dies für 10 Mio Euro möglich wäre. Statt dann über 150 Mio Euro in die Sanierung zwei alter Gebäude zu stecken, könnte wenigstens nach 2020 – wie z. B. in Baden-Baden oder Bregenz – ein integrierten Opern- und Konzerthausbau neu zu errichtet werden. Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz lässt dies übrigens ausdrücklich zu: Nach Artikel 9 muss die Erlaubnis zum der Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes erteilt werden, wenn „ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt“. Dies festzustellen wäre Aufgabe des Rates.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die unkalkulierbare finanzielle Doppellast der Sanierung von Beethovenhalle und Oper wäre vermieden. Eine moderne integrierte Lösung würde die Betriebskosten reduzieren (ein Gebäude statt zwei), die Vermarktung des Operngrundstücks würde Geld in die Stadtkasse bringen, die Zukunft von Oper und Schauspiel wäre gesichert und die Beethovenstadt käme endlich zu einem angemessenen Konzertsaal. Leider ist die Bonner Kommunalpolitik zu einer solchen Zukunftsentscheidung noch nicht fähig. Vielleicht lässt die absehbare weitere Kostenexplosion nach dem Baubeginn der Hallensanierung die Einsicht wachsen, führt im Verfahrensverlauf noch zum Abspecken dieser unverantwortlichen Luxussanierung im Altbestand und öffnet den Blick für eine attraktive Zukunftsgestaltung.
1Zur Finanzierung tragen die Sparkasse KölnBonn mit 5 Mio Euro sowie der Stiftung Denkmalschutz mit 100.000 Euro bei. Maßnahmen für ca zwei Mio Euro (z. B. Bestuhlung) sollen nur realisiert werden, wenn entsprechende Spenden eingehen. Obwohl der Rat dazu bereits im Dezember 2015 aufgerufen hat, haben sich bisher lediglich 133 Spender gemeldet. Über die Höhe der Spenden wird keine Angabe gemacht, ebenso wenig über die Zusatzkosten der Stadt für die Bewerbung der Spendenaktion. Zugleich wird der städtischen Haushalt zusätzlich belastet durch „eine Vernichtung von Restbuchwerten … in Höhe von derzeit geschätzten ca. 2,5 – 3,0 Mio Euro“ („durch den Abbau von bestehenden technischen und baulichen Anlagen“).