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Stephan Eisel
Die US-Präsidentschaftswahlen 2016
Am 8. November 2016 wird der nächste amerikanische Präsident gewählt. Dabei geht es nicht nur um eine spannende Wahl, sondern für die Weltpolitik weitreichende Entscheidung.
Deutsche Betrachter sollten nicht vergessen, dass im amerikanischen politischen Spektrum die ideologische Linke praktisch keine Rolle spielt. Die Bandbreite in den USA reicht im Vergleich zu Deutschland von gemäßigten Sozialdemokraten bis zu Rechtskonservativen jenseits der Union. Alle gewählten amerikanischen Präsidenten hätten in Deutschland ihren Platz zwischen der Helmut Schmidt und Helmut Kohl gefunden.
Nirgendwo müssen sich Kandidaten einem härteren Auswahlverfahren stellen als bei der amerikanischen Präsidentenwahl. Da mögen die Beraterstäbe noch so professionell sein und die Wahlkampfkassen noch so gut gefüllt: Es gibt bei den zahllosen Wahlkampfauftritten und Fernsehdebatten zu viele Gelegenheiten, bei denen sich Kandidaten selbst ein Bein stellen können. So haben sich auch schon aussichtsreiche Bewerber selbst aus dem Rennen geworfen. Außerdem sind die Wahlergebnisse oft viel knapper als dies bei uns wahrgenommen wird.
Im ersten Halbjahr ermitteln Demokraten und Republikaner bei Vorwahlen in allen 50 Bundesstaaten ihren Kandidaten. In der Regel sind dabei die stimmberechtigt, die sich als Sympathisanten einer Partei registrieren ließen, manchmal aber auch alle Wahlberechtigten. Im Unterschied zu Deutschland müssen sich Amerikaner selbst in die Wahlregister eintragen, da es kein zentrales Melderegister gibt. Dabei können sie ihre Parteipräferenz angeben. Vorwahlen bieten den Parteien ein wichtiges Mobilisierungsinstrument für die Registrierung möglichst vieler Anhänger. Dennoch schreiben sich ca. 20 Prozent der dazu Berechtigten nicht Wahlregister ein und können deshalb im November an der Wahl nicht teilnehmen. Übersehen werden darf auch nicht, dass gleichzeitig mit der Präsidentenwahl das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats gewählt werden.
Zu Beginn des Wahljahres 2016 geben beide großen amerikanischen Parteien Anlass zur Sorge:
Die Demokraten: Die Ambivalenz der Dominanz von Hillary Clinton
Bei den Demokraten scheint die Nominierung der ehem. New Yorker Senatorin, Außenministerin und First Lady Hillary Clinton zwar eine reine Formsache, aber die Partei wird nicht dadurch gestärkt, dass es keine ernst zu nehmende Konkurrenz gibt. Die daraus resultierende Frustration konnte Bernie Sanders, mit den Demokraten assoziierter parteiloser Senator aus Vermont, bündeln. Der 74-jährige bezeichnet sich etwas provokativ als „Sozialist“ und wäre im deutschen Spektrum am ehesten mit dem polarisierenden SPD-Vize Ralf Stegner zu vergleichen. Während Hillary Clinton in Umfragen unter Demokraten stabil über 50 Prozent liegt, kommt Bernie Sanders immerhin auf ca. 30 Prozent und hat eine beachtliche Basisbewegung mobilisiert. Mit etwa 5 Prozent ist der dritte Bewerber Martin O’Malley (ehem. Gouverneur von Maryland und Bürgermeister von Baltimore) völlig abgeschlagen.
Die Demokraten sehen sich vor allem mit drei Problem konfrontiert:
Wie können die Demokraten ohne spannende Vorwahlen wie etwa zwischen Obama und Clinton 2008 ihre Anhängerschaft erreichen? Selbst auf der Woge seiner damaligen Popularität erreichte Obama gegen den Republikaner McCain nur knapp 53 Prozent der Stimmen. Ohne den Mobilisierungsschub der Vorwahlen hätte er das nicht erreicht. Als Amtsinhaber kam er bei seiner Wiederwahl 2012 noch auf 51,1 Prozent.
Hillary Clinton ist eine polarisierende Kandidatin, die selbst gegen ausgesprochen konservative Kandidaten der Republikaner in Umfragen nur knapp führt, gegen gemäßigte Republikaner im direkten Vergleich sogar im Nachteil ist. Ist Hillary Clinton für die Demokraten die richtige Kandidatin gegen eine allgemeine Wechselstimmung ?
Die Demokraten wählen ihren Kandidaten auf einem Parteitag vom 25.-28. Juli in Philadelphia.
Die Republikaner: Rechtsruck und Zersplitterung
Angesichts dieser Ausgangslage bei den Demokraten ist die Entwicklung der republikanischen Partei besonders besorgniserregend. Sie wird zunehmend von radikalen Gruppen beeinflusst („Tea Party“), die in Deutschland am ehesten mit der AfD vergleichbar sind. Zwar stellen die Republikaner seit 2014 die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat, werden aber immer wieder durch parteiinterne Querelen lahmgelegt. Blockaden gehen meist von der „Tea Party“ (die u. a. den Klimawandel bestreitet, eine radikale Finanzpolitik vertritt und fremdenfeindliche Züge trägt) aus, der jeweils etwa 20 Prozent der 244 republikanischen Kongressabgeordneten (Demokraten: 186) und 54 republikanischen Senatoren (Demokraten 46) angehören.
Diese Radikalisierung der Partei zeigt sich auch im tersplitterten Kandidatenfeld der Republikaner für die Präsidentschaftswahlen. Obwohl bereits fünf Bewerber aufgegeben haben, sind bei den Republikanern noch zwölf Kandidaten im Rennen. Dominiert wird das Kandidatenfeld von politischen Außenseitern. Man kann es nach den Umfrageergebnissen in drei Gruppen unterteilen:
Die Frontrunner:
Donald Trump, Unternehmer und „Immobilienmogul“, führt das Feld seit Monaten mit ca. 30 Prozent an, liegt aber im ersten Vorwahlstaat Iowa z. Zt. knapp auf dem zweiten Platz.
Ted Cruz, Senator aus Texas, führt knapp im ersten Vorwahlstaat Iowa und kommt mit ca. 18 Prozent in nationalen Umfragen unter Republikanern auf Platz 2.
Marco Rubio, Senator aus Florida, liegt auf Platz 3 mit ca. 11 Prozent
Die Verfolger:
Ben Carson, Neurochirug und bisher ohne politische Ämter, liegt z. Zt. bei ca. 9 Prozent allerdings mit deutlich fallender Tendenz.
Chris Christie, Gouverneur von New Jersey, kommt mit leicht steigender Tendenz auf ca. 4 Prozent und liegt im wichtigen frühen Vorwahlstaat New Hamsphire auf Platz 3
Jeb Bush, ehemaliger Gouverneur von Florida, erreicht als ursprünglicher Favorit zur Zeit nur ebenfalls nur etwa 4 Prozent.
Weniger als 3 Prozent erreichen in Umfragen seit längerem in dieser Rangfolge Rand Paul (Senator aus Kentucky), Carly Fiorina (ehem. Vorstandsvorsitzende von Hewlett-Packard), John Kasich (Gouverneur von Ohio), Mike Huckabee (ehem. Gouverneur von Arkansas), Jim Gilmore, (ehem. Gouverneur von Virginia) und Rick Santorum (ehem. Senator und Kongressabgeordneter aus Pennsylvania).
Von den zwölf republikanischen Bewerbern können fünf der Tea Party Bewegung und ihrem ideologischen Umfeld zugeordnet werden (Cruz, Rubio, Paul, Santorum, Hackabee). Dazu kommen mit Trump und Carson zwei radikale rechtskonservative Populisten. Lediglich Chris Christie, Jeb Bush und John Kasich sind gemäßigte Republikaner in der Tradition Ronald Reagans, die die Mitte der Gesellschaft erreichen könnten.
Der derzeitige Favorit Donald Trump präsentiert ständig abwegige, aber medienträchtige Vorschläge (eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, Einreiseverbot für alle Muslime, Tötung auch der Verwandten von Terroristen) und setzt auf die gezielte Beleidigungen seiner Mitbewerber und ganzer Bevölkerungsgruppen. Mit ständigen Provokationen dominiert er professionell geschickt die Medien. Im deutschen Spektrum ist er am ehesten mit den Pegida-Aktivisten vergleichbar. Ted Cruz verdeckt ähnliche Ansichten hinter einer bewußt bürgerlichen Fassade und könnte mit der AfD-Vorsitzenden Petry oder ihrem Stellvertreter Gauland verglichen werden. Am ehesten ist unter den favorisierten rechtskonservativen Kandidaten noch beim jungen Senator Rubio (45) eine Bewegung zur gesellschaftlichen Mitte erkennbar.
Die Republikaner werden ihren Kandidaten bei ihrem Parteitag vom 18.-21. Juli in Cleveland (Ohio) aufstellen. Dort treffen sich 2.470 Delegierte, 1236 Stimmen sind zur Nominierung erforderlich. Die Vorwahlen ziehen sich vom 1. Februar bis zum 7. Juni hin. Die meisten Delegierten werden dabei in Kalifornien (172), Texas (155), Florida (99) und New York (95) vergeben.
Dennoch kommt besonders den kleineren Staaten eine besondere Bedeutung zu, in denen die ersten Vorwahlen stattfinden. Danach geben aussichtslose Kandidaten meist auf und das Kandidatenfeld lichtet sich. 2012 blieben schon Ende Januar nur noch auf vier Bewerber übrig. Das ist in diesem Jahr nicht erwarten.
Ein besonderes Augenmerk sollte dem „Super-Tuesday“ am 1. März gelten, denn an diesem Tag werden quer durch die USA alleine werden 589 Delegierte gewählt. Auch am 15. März geht es mit 367 Delegierten um eine hohe Stimmenzahl. Es deutet allerdings viel darauf hin, dass eine Entscheidung erst mit 303 Delegierten fällt, die am 7. Juni gewählt werden.
Der Vorwahlkalender der Republikaner
February 1, 2016 |
Iowa (30) |
February 9, 2016 |
New Hampshire (23) |
February 20, 2016 |
South Carolina (50) |
February 23, 2016 |
Nevada (30) |
March 1, 2016 |
Alabama (50), Alaska (28), Arkansas (40), |
March 5, 2016 |
Kansas (40), Kentucky (46), Lousiana (46), Maine (23) |
March 6, 2016 |
Puerto Rico (23) |
March 8, 2016 |
Hawaii (19), Idaho (32), Michigan (59), Mississippi (40) |
March15, 2016 |
Washington DC (19) |
March 15, 2016 |
Florida (99), Illinois (69), Missouri (52), North Carolina (72) |
March 19, 2016 |
US Virgin Islands (9) |
March 22, 2016 |
Ariziona (58), Utah (40) |
April 5, 2016 |
Wisconsin (42) |
April 19, 2016 |
New York (95) |
April 26, 2016 |
Conneticut (28), Delaware (16), Maryland (38), |
May 3, 2016 |
Indiana (57) |
May 10, 2016 |
Nebraska (36), West Virginia (34) |
May 17, 2016 |
Oregon (28) |
May 24, 2016 |
Washington (44) |
June 7, 2016 |
California (172), Montana (27), |
Es ist durchaus möglich, dass es zu einer „brokered convention“ kommt, bei der keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der Delegierten erreicht. In diesem Fall sind die Delegierten im zweiten Wahlgang unabhängig von den Vorwahlergebnissen in ihrem Staat in der Abstimmung frei. Dabei wäre auch die Aufstellung eines Kandidaten möglich, der sich nicht den Vorwahlen gestellt hat. Eine solche „brokered convention“ hat es bei den Demokraten zuletzt 1952 und bei den Republikanern zuletzt 1948 gegeben.