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DIE NIEDERLAGE DER CDU IN NRW

31. Mai 2012
hat tiefgreifende Folgen. Es wäre zu kurz gegriffen, einfach nur Norbert Röttgen zum Sündenbock zu machen. Herausgefordert ist die CDU als Volkspartei - nicht nur im bevölkerungsreichsten Bundesland.
DIE NIEDERLAGE DER CDU IN NRW

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Meinen Artkel "zur Politikfähigkeit des C" finden Sie hier.

 

Fünf Fragen nach der NRW-Wahl

Das Ergebnis der nordrhein-westfälischen Landtagswahl ist für die CDU mit einem Stimmenverlust von 8,2 Prozent im bevölkerungsreichsten Bundesland ein Alarmzeichen. Besonders beunruhigend ist, dass es sich bei diesem Stimmeneinbruch nicht um ein singuläres Phänomen handelt. Noch hö­here Verluste gab es zuletzt in Hamburg (2011: - 21,3 %), Nordrhein-Westfalen (2010: -10,2 Pro­zent), Schleswig-Holstein (2009: - 8,7 Prozent), Thüringen (2009: - 11,8 Prozent), Bayern (2008: - 17,3 Prozent), Sachsen (2004: - 15,8 Prozent), dem Saarland 2004 (-13,6 Prozent) und Hessen (2003: -10,3 Prozent). Die Union stellt heute nur noch rund ein Drittel aller Landtagsabgeordneten in Deutschland. So wenige waren es noch nie. 

Diese grossen Wählerwanderungen belegen, wie stark der Anteil sog. "Stammwähler" gesunken ist, die "ihrer" Partei unter allen Umständen die Stange halten. Dabei wechseln viele frühere Stamm­wähler der Union nicht zu anderen Parteien, sondern haben sich in die innere Emigration der Wahl­enthaltung geflüchtet. Auch bei den letzten drei Bundestagswahlen ist der Stimmanteil der Union konti­nuierlich um insgesamt fünf Prozent abgeschmolzen. 

Weil die Wähler viel mobiler geworden sind, können Wahlverlierer von gestern allerdings auch schneller Wahlgewinner von morgen sein. Eine Voraussetzung dafür ist die ehrliche Analyse der Ursachen eigener Wahlniederlagen. Nur wer aus Niederlagen lernt, legt den Grundstein für künftige Erfolge. Solche Wahlanalysen waren in den letzten Jahren weder Stärke noch Priorität der Union: Es ist aber gefährlich, einfach zur Tagesordnung überzugehen, wenn die Wähler die gelbe Karte gezeigt haben. Deshalb ist eine offene Debatte über die Ursachen der Niederlage in Nordrhein -Westfalen ein Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der CDU.

Für mich stehen dabei fünf Fragen im Vor­dergrund: 

1) Ist Norbert Röttgen alleiniger Sündenbock oder warum wir alle zur Wahl standen

Noch am Wahlabend übernahm Norbert Röttgen die volle Verantwortung für die Wahlniederlage und trat als Landesvorsitzender der NRW-CDU zurück. Das ist zwar nach Wahlniederlagen keines­wegs üblich, war aber konsequent: Größte Belastung des Wahlkampfes der CDU war die Unklar­heit, die Norbert Röttgen darüber entstehen liess, ob er seinen Platz nach den Wahlen in Düsseldorf oder Berlin sah. Er hat die Bedeutung dieser Frage unterschätzt. Sie beherrschte den Wahlkampf und überlagerte die inhaltliche Auseinandersetzung. 

Aber dieser Fehler erklärt noch nicht, warum die CDU in Nordrhein-Westfalen in acht Jahren fast zwan­zig Prozent an Stimmen verlor. Dass Röttgen als Spitzenkandidat die Schuld für das Wahlergebnis nicht bei anderen suchte, enthebt die CDU nicht der Notwendigkeit einer ehrlichen Wahlanalyse. Wer nur einen Sünden­bock sucht, springt zu kurz. 

Für die Wähler ging es bei dieser Landtagswahl wie bei allen anderen Wahlen nicht nur um die Ent­scheidung über eine Person oder eine regionale Parteigliederung, sondern zur Wahl stand auch die CDU insgesamt. Dazu zählen die örtlichen Kandidaten ebenso wie Bundespolitiker in Berlin und dazu ge­hört die Kanzlerin auf den Marktplätzen ebenso wie die Kommunalpolitiker an den Info­ständen. Die Bürger nehmen eine Partei als Einheit wahr und interessieren sich nicht für interne Zu­ständigkeiten. Deshalb ist die Aussage, dass man gemeinsam gewinnt und verliert, nicht einfach eine Plattidüde. Sie entspricht der Wahrnahme der Bürger. Wer das nicht ernst nimmt, macht schon am Abend der Niederlage den ersten schweren Fehler. 

2) War der Wahlkampfschwerpunkt richtig gewählt oder warum wollen wir regieren

Inhaltlich stand das Thema “Staatsverschuldung” im Mittelpunkt des Landtagswahlkampfes: Mit der Ausrede einer angeblich “vorsorgenden Finanzpolitik” rechtfertigt die rotgrüne Landesregie­rung immer neue Schulden, die CDU setzte das Konzept solider öffentlicher Finanzen dagegen. In­haltlich bleibt das richtig, aber offenkundig war das Thema den Menschen nicht wichtig genug. 

Für viele Bürger fällt das Thema “Staatsverschuldung” in die Abteilung “Krisenmanagement”. Kri­sen in Wirtschaft und Staat zu bewältigen, war schon immer eine Stärke der CDU. Die Bürger ver­trauen viel eher der CDU als der SPD , wenn es darum geht Schlimmeres zu verhindern. Aber Kri­senmamangement ist per se reaktiv und wird als defensiv empfunden. Von der Bankenkrise über die Euro-Rettung bis zur Reaktion auf Fukushima – Politik scheint den Ereignissen immer atemlo­ser hinterher zu laufen. Der Einsatz, den Angela Merkel hier zeigt, und die Solidität ihres Handelns in schwieriger Zeit findet weit über die Parteigrenzen hinweg breite Anerkennung. 

Aber hier liegt auch eine Gefahr: Gerade für Wähler, die sich von Wahl zu Wahl neu ent­scheiden, zählen Gestaltungsvorschläge für die Zukunft mehr als Verdienste der Vergangenheit. Sie wollen wissen, wie es weitergeht, und interessieren sich weniger dafür, warum es so gekommen ist und was an Schlimmerem verhindert wurde. Deshalb muss zum soliden Krisenmanagement ein attraktives politisches Zu­kunftskonzept kommen. 

Die CDU sollte ihren politischen Gestaltungswillen wieder stärker in den Vorder­grund stellen und so die Frage beantworten, warum sie regieren will. Dazu gehört es auch, die Freu­de am Gestalten nicht zu verbergen. Die ob der Schwierigkeit der Weltläufte sorgenzerfurchte Stirn hat nur eine vor­übergehende Anziehungskraft. 

Es reicht auf Dauer nicht aus, gebraucht zu werden, weil die Lage schwierig ist. Man muss auch ge­wollt werden, wenn sich die Lage verbessert. In der Zeit bis zur Bundestagswahl muss die Union deshalb am dringendsten die Frage beantworten, welche Zukunfts­vorstellung sie hat. Die „Energie­wende” zum zentralen Politikprojekt zu stilisieren, reicht dafür nicht aus - denn auch dabei geht es vor allem um Abteilung “Krisenbewältigung”. 

3) Wie erklärt die CDU ihre Politik oder warum handeln wir wie

Fundament von politischem Vertrauen ist Glaubwürdigkeit: Sie wächst, wo nicht die Wendungen des Zeitgeistes, sondern die Nachhaltigkeit der eigenen Werteorientierung das politi­sche Handeln bestimmen. Für die CDU reicht es nicht aus, für jedes Problem eine handwerklich so­lide und technisch plausible Lösung vorzuschlagen. Die Menschen wollen gerade von einer “C”-Partei wissen, warum welches Werteverständnis ihr politisches Handeln trägt. 

Wer dabei dem Zeitgeist hinterherläuft und ihn nicht zu formen sucht, geht in den Tsunamis einer sich ständig beschleunigenden und oft irrational dramatisierenden Mediengesselschaft unter. Dem Volk aus Maul schauen heisst eben nicht, ihm nach dem Munde zu reden. Zuhören ist die Voraus­setzung und nicht der Ersatz für politische Führung. Beharrlichkeit ist in der Politik mindestens ebenso wichtig wie Anpassungsfähigkeit. 

Dabei m muss die CDU mehr Energie darauf verwenden, zu erklären, warum sie sich nicht nur in den Ergebnissen ihrer Politik, sondern auch in deren Herleitung von ihren Konkurrenten unterschei­det. Der Pragmatismus des Tages gibt für sich genommen zu wenig Auskunft über den Kompass des Handelns. Die Menschen fragen auch in der Politik nach dem WARUM mindestens ebenso viel wie nach dem WIE. 

4) Für welchen Politikstil steht die CDU oder wie wir miteinander umgehen

Das Bild der CDU als „politischen Familie“ also als einer Gemeinschaft in guten und in schlechten Ta­gen mag manchem veraltet erscheinen, beschreibt aber die Erwartungshaltung der Bürger gerade an eine „C“-Partei. Deshalb ist der Umgang miteinander ebenso wichtig wie die politische Agenda. Die Menschen ziehen vom einen Rückschlüsse auf das andere. 

Es bleibt den Bürgern nicht verborgen, wenn sich CDU-Repräsentanten vor Ort bis zum Wahltag auf ge­meinsamen Fotos mit dem Spitzenkandidaten drängen und am Tag nach einer Niederlage nichts mehr voneinander wissen wollen. Wer sich nach einer Wahlniederlage so verhält, schadet nicht nur der eigenen Glaubwürdigkeit. Das sollte auch an der Basis der NRW-CDU niemand vergessen. 

An die Parteispitze richten viele Mitglieder und Bürger die Frage, warum ein Minis­ter entlassen wird, der wenige Tage zuvor noch als Stütze der Regierung galt. Diese Debatten sollte niemand unterschätzen. Re­gierungsumbildungen sind das Vorrecht jedes Regierungschefs, aber er­klärungsbedürftig bleiben sie deshalb doch. 

Im übrigen hat die Union im Bund nicht das Problem eines Überangebots an Führungskräften. Schon deshalb gilt auch für Norbert Röttgen: Jeder hat eine zweite Chance verdient. Selbst Bayern München hat sich nicht von Arjen Robben getrennt, weil dieser zwei entscheidende Elfmeter ver­schossen hat. 

5) Das Beispiel Bonn oder was wir alle besser machen können

Das Wahlergebnis in Bonn unterscheidet sich im Grundsatz nicht vom Landestrend, weißt aber doch einige Spezifika auf. So hat die Piraten im Unterschied zu anderen Universitätsstäd­ten in Bonn nur knapp die 5-Prozent-Marke überschritten und liegt weit unter dem Landesdurch­schnitt. Zugleich hat die FDP in Bonn überdurchschnittlich dazu gewonnen. 

Die CDU hat in Bonn erneut bei den Zweistimmen überdurchschnittlich verloren, d.h. ca. 1,5 Pro­zent mehr als im Landesdurchschnitt. Interessanterweise fielen dabei die Zweistimmenverluste im Wahlkreis Bonn I (Röttgen) um 1,5 Prozent geringer aus als im Wahlkreis Bonn II (Hauser). Die Erstimmenverluste waren praktisch identisch und entsprachen dem Landes­durchschnitt. Es gab also keinen besonderen Malus für Norbert Röttgen als Wahlkreiskandidat. 

Das Wahlergebnis zeigt auch, dass es der CDU noch nicht gelungen ist, aus der in der Bürgerschaft längst allgemein so gesehenen Schwäche des SPD-Oberbürgermeisters politi­sches Kapital zu schla­gen. Die SPD hat darunter ihrerseits nicht gelitten. Die schwarzgrüne Zusam­menarbeit im Bonner Rat ist zwar wesentlich stabiler als die Koalition mit der SPD bis 2009. Man darf aber fragen, warum sie der CDU bisher nicht wahrnehmbar genutzt hat. 

Die CDU hat in Bonn nicht nur fast zehn Prozent der Stimmen gegenüber Kommunal- und Bundestagswahl 2009 verloren, sondern musste in allen Stadtbezirken die Mehrheit an Rotgrün abgeben. Nach dem Verlust der OB-Wahl, des Bundestagsmandats sowie beider Landtagsmandate hat die Bonner CDU jetzt mit dem Europaabgeordneten nur noch einen hauptamtlichen Politiker in ihren Reihen. Dem stehen vier erfahrene Berufspolitiker der SPD (OB, MdB, zwei MdL) gegenüber. 

Die Bonner CDU kann und muss diesen Wettbewerbsnachteil durch ihre Stärke der Verankerung vor Ort auffangen. Wir sind im Unterschied zu den anderen Parteien fast überall mit kommunalen Mandats­trägern vertreten, die für die Bürgernähe der Bonner CDU stehen. 

Allerdings steht dieser lokalen Verankerung auch eine zunehmende Schwäche im vorpolitischen Raum gegenüber. Diese Schwäche macht sich beson­ders bei den Bürgern bemerkbar, die weniger an ihrem Wohnort, sondern mehr im Bereich ihres berufli­chen Umfelds oder ihres per­sönlichen Interesses verwurzelt sind. 

Besondere Defizite hat die CDU dabei in der Bonner Wirtschaft, bei Handwerk und Mittelstand so­wie bei den in Bonn besonders vielen Menschen, die sich für Kultur stark machen. Gerade in diesen Bevölkerungsgruppen wird immer ungeduldiger gefragt, wofür die Bonner CDU neben und nach der WCCB-Krisenbewältigung und der Haushaltskonsolidierung steht. Es ist kein Zufall, dass dort die meisten Anhänger für das Beethoven-Festspielhaus zu finden sind und viele Bürger sich dafür ehrenamtlich und finanziell engagieren. Weil dieses Projekt auch immer mehr zum Symbol für die Überwindung des Stillstandes wird, der die Stadt auch durch die Handlungsarmut des Oberbürgermeis­ters seit Jahren lähmt, bietet sich der CDU hier eine besondere Chance für Zukunftskraft und Handlungsmut.

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