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DIE BILANZ VON OB NIMPTSCH VERBINDEN

17. Oktober 2015
viele Bonner Bürger mit dem Stichwort "Stillstand". Fast trotzig stellt er dagegen seine Selbstbeschreibung unter die Überschrift "Veränderungen". Aber die 96-seitige "Zusammenstellung" offenbart in Umfang und Inhalt noch einmal, wie sehr seine Amtszeit durch Reaktion und wie wenig durch Gestaltungswillen geprägt war.
DIE BILANZ VON OB NIMPTSCH  VERBINDEN

Die vollständige Selbstdarstellung "Veränderungen" des ausscheidenden Oberbürgermeisters Nimptsch finden Sie hier (96 Seiten).

 

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Stephan Eisel

Die Nimptsch-Bilanz

Am 21. Oktober 2015 ist es (endlich) soweit: Mit Ashok Sridharan (CDU) bekommt Bonn einen neu­en Ober­bürgermeister. Dass viele Bonner dies herbeigesehnt haben, zeigt die überraschen­de absolute Mehr­heit für Sridharan schon im ersten Wahlgang. Das Wahlergebnis war auch eine (virtuelle) Ab­wahl seines Amtsvorgängers Jürgen Nimptsch (SPD). Dieser hat zwar auf eine erneute Kandidatur verzichtet, aber während seiner Amtszeit hatte sich eine zunehmende Wech­selstimmung aufgebaut.

Natürlich hat sich auch Jürgen Nimptsch mit ganzer Kraft und viel Herzblut für Bonn eingesetzt. Das gilt es anzuerkennen, auch wenn die Bilanz seiner Amtszeit viele Bürger nicht über­zeugt hat. Man könnte es bei dieser Bemerkung belassen, aber das hat Herr Nimptsch selbst verhindert: Weni­ge Tage vor seinem Aus­scheiden veröffentlichte er als 96-seitige städtische Broschüre seine eigene „Zusam­menstellung“ zu den „sechs Jahren Stadtgeschichte“, an denen er beteiligt war. Es sei „ist weniger ein Bericht über meine Arbeit“, sondern „mir liegt daran deutlich zu machen, ….dass keine Rede davon sein kann, wie gelegent­lich behauptet wird, es sei eine Art Stillstand eingetreten.“ Dagegen setzt Nimptsch für die eigene Bilanz fast trotzig die Überschrift „Veränderungen“.

Die „Zusammenstellung“ der eigenen Sicht auf die OB-Tätigkeit offenbart in Umfang und Inhalt noch einmal das Problem der Amtszeit von Jürgen Nimptsch: Es waren sechs Jahre, die überwiegend durch Re­aktion und kaum durch Gestalt­ungswillen geprägt waren.

Das mag mit der Ausgangslage zu tun haben: 2009 traten bei CDU wie SPD zur OB-Wahl die jeweili­gen „Wunschkandidaten“ nicht an. Nominiert wurden (ohne parteiinterne Alternativen) die bei­den Über­raschungs- (Verlegen­heits-?) kandida­ten Christian Dürig (CDU) und Jürgen Nimptsch (SPD). Man kann aufgrund der da­maligen Umfragen im Vorfeld der Bundestagswahlen getrost da­von ausge­hen, dass Nimptsch zunächst nicht mit einem Wahl­sieg gerechnet hat. Die CDU ebnete den Weg durch eigene Feh­ler, die FDP war zum Nachteil der CDU mit einem eigenen Kandidaten angetreten. Dennoch fiel das Er­gebnis kapp aus: Am 30. Au­gust 2009 wurde dann Nimptsch mit nur 40,9 Prozent der Stimmen vor Dü­rig (35,4 Pro­zent) zum Oberbürgermeister ge­wählt.

Man hatte oft den Eindruck, dass Jürgen Nimptsch nicht wirklich wusste, was er mit dem neuen Amt an­fangen sollte. Die von ihm sogleich plakativ verkündete „Bürgerbeteiligung“ wirkte deshalb allzu oft wie Entscheidungsflucht und verhedderte sich zudem in ebenso teuren wie manipulativen Internet­verfahren („Bonn packt´s an“), die die Bürgerschaft fast geschlossen ablehnte.

Zugleich stellte Nimptsch sich – entgegen der Kommunalverfassung – demonstrativ über den Stadtrat und sah sich selbst in edler Überparteilichkeit, die Stadtverordneten aber in den Niederun­gen der Parteipol­itik. In seiner Halbzeitbilanz 2012 brachte er dies sogar zu Papier: „Ich bin als Oberbürger­meister für alle Bonnerinnen und Bonner ohne Parteilogo angetreten und bin allen Bürgerin­nen und Bür­gern ver­pflichtet, während die Stadtratsmit­glieder alle für eine Partei kandidiert haben und sich auch dieser ver­pflichtet fühlen.“ Es ist kein Wunder, dass diese andere herabsetzende Selbstverklärung sein Ver­hältnis zu den Stadtverordneten immer wieder belastete.

Als er im Rat wegen seiner Alleingänge durch Beschluss gerügt wurde, verglich sich Nimptsch ohne Zö­gern mit dem Bundespräsidenten, denn er müsse eben „dem Stadtrat gelegent­lich empfehlen­de Hinweise geben … wie ein Bundespräsident, der gelegentlich mah­nende Worte für das Par­lament oder korrigie­rende Worte für die Kanzlerin fin­det.“ Dieses Selbstcharakterisierung spricht eben­so Bände wie die Ein­gangsbemerkung der Abschlussbilanz, mit der er Bundespräsident Gauck zum eigenen „besonders ge­schätzten Ratgeber„ ernennt. So überrascht auch nicht, dass Nimptsch der Be­wertung der eigenen Amtszeit sicher­heitshalber zwei eigene Zitate voranstellt, und die Bewertung nicht anderen überlässt.

Wer Jürgen Nimptsch gerecht werden will, sollte seinen Rückblick auf die eigene Amtszeit ernst neh­men: Einen viel zu oft selbstmitleidig-beleidigten Ton des mißverstandenen und ungerecht behandel­ten Amtsinhabers kombiniert er mit harschen persönlichen Angriffen auf seine Kritiker, die vielfach jede Souveränität vermissen lassen. Dass Nimptsch z. B. seinem Ärger über den General-An­zeiger in länge­ren Passagen Luft macht, mag man als persönliche Empfindlichkeit abtun: Wenn er des­sen Chefredak­teur aber mit dem der BILD-Zeitung während der Wulff-Affäre vergleicht („Unser Diekmann hieß Ty­rock und unser Wulff hieß Dieckmann.“)verliert er jedes Maß.

Eine Grenze überschreitet Nimptsch auch, wenn er im Kapitel „Bonner Bäder“ schreibt: „Drei Kinder … ertranken fast in einem unserer Bäder und konnten nur gerettet und reanimiert wer­den, weil zwei (!) Fachkräfte anwesend gewesen waren. Der Leiter des Bäderbetriebes und ich sind bis heute der Auffas­sung, dass die Haltung, zwei Fachkräfte einzusetzen, richtig ist. Mein Nachfolger, der nicht wie ich selbst 30 Jahre als Lehrer am Beckenrand gestanden hat und der persönlich nicht über diese spe­ziellen Erfahrungen verfügt, mag dies anders sehen. Er wird es dann aber auch verant­worten müs­sen.

Abgesehen vom Stil, ist auch aufschlussreich wie Nimptsch die letzten Jahre inhalt­lich darstellt. Einen großen Raum nimmt dabei naturgemäß das von ihm nicht verur­sachten WCCB-Desaster ein. Dass er praktisch durch Ratsbeschluss über den „Heimfall“ zur Fertig­stellung ge­zwungen werden musste, ver­gisst er ebenso zu erwähnen wie die mit teuren Gutachten gar­nierten Jahre der Entscheidungslosigkeit. Auch ansonsten dominiert selektives Erinnern. So schreibt er – um nur fünf Bespiele zu nennen – über

  • seine Initiative für eine „Neubewertung“ des Bonn-Berlin-Gesetzes ohne zu erwähnen, dass die­ser Alleingang von einer breiten Ratsmehrheit (mit den Stimmen der SPD !) gerügt wurde.

  • die „Legende von den Lärm-Motzki, denen sich die Stadt fortwährend beugen würde“ und ver­schweigt, dass auf seine Veranlassung vorbeugende Lärmmessungen alltäglich wurden.

  • die Sanierung der Beethovenhalle, dass „derzeit nur Geld für unab­weisbare notwendige Maß­nahmen vorhanden“ sei und verschweigt, dass mehrere Verwal­tungsvorlagen für eine aufwendi­ge Sanierung seine Unterschrift tragen.

  • seine ständig wiederholte Idee der Zusammenlegung der Opern von Köln und Bonn, ohne zu erwähnen, dass die Kölner das ablehnten und der Bonner Rat bereits am 28. Juni 2012 einstim­mig beschlos­sen hatte: „Der Rat der Stadt Bonn kritisiert in Form und Inhalt den erneu­ten Vor­stoß des Oberbürgerm­eisters Nimptsch zu einer KölnBon­ner Opernfusion und distan­ziert sich aus­drücklich von der Hal­tung des Bonner Oberbürger­meisters.

  • das „kulturelle Flagschiff Beethoven Orchester Bonn“ ohne zu erwäh­nen, dass in seinem Auf­trag dessen Eigenständigkeit durch Integration ins das Bonner Theater zur Disposition ge­stellt wird, er dem erfolgreichen GMD Blunier die Weiterarbeit in Bonn ver­weigerte und die Suche nach einem Nachfolger unter seiner Ägide ins Desaster führte.

Weil seine Amtszeit untrennbar mit dem blamablen Ende des Beethoven-Festspielhauses verbunden blei­ben wird, kommt Nimptsch in seiner Abschlussbilanz immer wieder darauf zurück. Schuld am Scheitern waren auch hier aber nur andere: „Beim Projekt „Festspielhaus“ hätte ich mir von allen Be­teiligten einen längeren Atem gewünscht. Von der Idee bis zur Realisierung hat das Festspielhaus in Salzburg 30 Jahre gebraucht und bei der Oper in Sydney dauerte es sogar noch länger.„ In seiner Er­innerung blendet Nimptsch u.a. aus, dass ihm massiver Protest der Bürgerschaft entgegenschlug als er 2010 das Projekt einseitig aus Eis legte, er als Verwaltungschef für viele zu spät vorgelegte und irre­führende Verwaltungs­vorlagen zum Festspielhaus verantwortlich war und trotz vielfacher Aufforde­rung die Bür­gerschaft nicht ausreichend über die Grundlagen des Projektes informier­te.

Es passt ins Bild, dass die 39 Mio Euro des Bundes fürs Fest­spielhaus auf 96 Seiten überhaupt nicht er­wähnt werden. Kein Wort findet sich auch darüber, dass die Deut­sche Post DHL ihr Engagement ein­stellte, weil „schon zum Start kein eindeutiger Schulterschluss inner­halb der Stadt zu erkennen ist“. Auch wenn er dies verschweigt, ändert das nichts daran, dass Herr Nimptsch als Oberbürger­meister an entscheidender Stelle mitverantwortlich war. Es spricht man­ches da­für, dass aus seiner Amtszeit vor al­lem die Festspielhaus-Blamage dauerhaft in Erinne­rung bleiben wird...

 

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