Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.
aus: Bürger für Beethoven, Jahrbuch 2015, Bonn 2016
Stephan Eisel
„Wo waren die Hirnbesitzer“
Zum unrühmlichen Ende des Beethoven-Festspielhauses
Beim Rückblick auf das Beethovenjahr 2015 in Bonn denkt man unweigerlich an die Replik Ludwig van Beethovens, als ihm sein Bruder stolz eine Visitenkarte mit der Aufschrift „ Johann van Beethoven, Gutsbesitzer“ übersandte. Ludwig schrieb zurück und unterzeichnete den Brief mit „Ludwig van Beethoven, Hirnbesitzer“.
Einen solchen sarkastischen Brief hätte Beethoven 2015 wohl auch an manchen kommunalpolitischen „Gutsbesitzer“ in seiner Geburtsstadt geschickt, denn dort wurde ohne Grund das Zukunftsprojekt Beethoven-Festspielhaus beerdigt. Dem erheblichen finanziellen Engagement der Deutschen Post DHL, der Deutschen Telekom, der Sparkasse KölnBonn und den Rhein-Sieg-Kreises wurde die kalte Schulter gezeigt: Die Privatinitiativen „5000x5000“ und Beethoventaler-Genossenschaft wurden mit ihren eindrucksvollen Spendensammlun- gen vor den Kopf gestoßen. Spätestens seit sich die alte Beethovenhalle zum Millionengrab für den städtischen Haushalt entwickelt, beklagen selbst frühere Skeptiker, welche Chance für Bonn als Beethovenstadt mit dem Festspielhaus verpasst wurde.
Bürgerengagement gegen fehlenden kommunalpolitischen Schulterschluss
Am 16. Juni 2015 teilte die Deutsche Post DHL mit, dass sie trotz eines erfolgreichen Archi- tektenwettbewerbs die Planungen für die Errichtung eines Festspielhauses nicht weiter verfolgen werde. Der Vorstandsvorsitzender Deutsche Post DHL Group Frank Appel sagte dazu: „Die Langfristigkeit des Projekts Beethoven Festspielhaus verlangt eine deutliche Willensbekundung – heute und für die kommenden Jahrzehnte. Wenn aber schon zum Start kein eindeutiger Schulterschluss innerhalb der Stadt zu erkennen ist, dann hat das Projekt keine Zukunft und ist auch für Sponsoren nicht hinreichend attraktiv.“
Gerade weil die Deutsche Post DHL das Projekt Beethoven-Festspielhaus mit großem Nach- druck, viel Geduld und auch erheblichen finanziellen Mitteln vorangetrieben hatte, war der Ausstieg mit dem ausdrücklichen Hinweis auf einen fehlenden Schulterschluss in der Stadt eine Riesen-Blamage für den damaligen Bonner Oberbürgermeister, seinen Kulturdezer- nenten und die Kommunalpolitik insgesamt. Schon mit seinem einsamen Beschluss, das Pro- jekt 2010 für fünf Jahre auf Eis zu legen, hat der damalige Oberbürgermeister Nimptsch kurz nach seiner Wahl fast das Ende des Beethoven-Festspielhauses eingeläutet. Nur der massive Einsatz vieler Bürger hatte dann die Wiederaufnahme des Projektes erzwungen.
Innerhalb weniger Wochen wurden damals über 7.000 Bürgerunterschriften gegen die Blockade des OB gesammelt, es gründete sich mit großem Zuspruch die Bürgerinitiative
„Fest.Spiel.Haus.Freunde“ mit Monika Wulf-Mathies an der Spitze sowie einige Zeit später die Spendeninitiative „5000x5000“ von IHK-Präsident Wolfgang Grießl. Im Sommer 2013 kam auf Initiative des Bonner Hotel- und Gaststättengewerbes die „Beethoventaler-Genos- senschaft“ mit Fritz Dreesen und Wolfgang Clement an der Spitze dazu. Noch nie zuvor hatten sich so viele Bonner in ihrer Freizeit und mit eigenem Geld für ein Projekt eingesetzt. Die Bürger für Beethoven waren dabei von Anfang an die treibende Kraft.
Das Festspielhaus war durchgeplant und durchgerechnet
Obwohl die Stadt mit ständig neuen Standortvorschlägen Verwirrung stiftete, erklärte sich die Deutsche Post DHL Anfang 2014 bereit, einen erneuten Architektenwettbewerb – diesmal für ein Gelände neben der Beethovenhalle – zu finanzieren und durchzuführen.
Die drei Siegerentwürfe von David Chipperfield, Hermann& Valentiny und kaddawittfeld-architektur faszinierten im Hebst 2014 viele Bonner, tausende besuchten die Ausstellung im Posttower. Nicht nur Planungen für den vollständig privat finanzierten Bau des Konzert- saales wurden im Verbund mit Architekten und Generalunternehmern immer konkreter. Als Bauherrn standen die Deutsche Post DHL, der Förderverein „5000x5000“ und die Beet- hoventaler-Genossenschaft bereit, die vollständig private Baufinanzierung (inklusive aller Risiken von Baukostensteigerungen) zu übernehmen.
Im Frühjahr 2015 wurde auch ein vollständig durchgerechneter Businessplan der Betriebs- stiftung veröffentlicht, den auch die zuständige Stiftungsaufsicht bereits genehmigt hatte. Dafür standen vom Bund 39 Mio. Euro, der Sparkasse KölnBonn 5 Mio. Euro und dem Rhein- Sieg-Kreis 3 Mio. Euro zur Verfügung, ferner von der Deutschen Telekom jährlich 1,5 Mio. Euro für zunächst fünf Jahre. Alle Beteiligten hatten die entsprechenden Beschlüsse bereits gefasst.
Die Stadt Bonn sollte zur Betriebsstiftung des Festspielhauses einmalig 10 Mio. Euro bei- steuern – über 20 Jahre getreckt (also gerade einmal 500.000 Euro pro Jahr) –, sah sich jedoch bis zu zuletzt nicht in der Lage, darüber einen verbindlichen Beschluss zu fassen. Stattdessen gab man schnell einmal freihändig 50.000 Euro für die Überprüfung des von der Stiftungsaufsicht bereits genehmigten Businessplans aus, den alle anderen Beteiligten bereits als Grundlage ihrer Millioneninvestitionen überprüft hatten.
Zauderer in der Verwaltung und Blockierer im Rat
Leider war aber immer wieder zu spüren, dass Rat und Verwaltung – das Planungsdezernat ausgenommen – die Chance nicht zupackend ergriffen haben, sondern eher zum Jagen getragen werden mussten. Im Rat gaben die Grünen als Festspielhaus-Gegner den Kurs der Zusammenarbeit mit der CDU und FDP vor. Sie waren – gemeinsam mit Linker, AfD und Piraten – so in ihrer Fundamentalopposition erstarrt, dass sie das Gespräch mit den Bürgerinitiativen für das Festspielhaus verweigerten und selbst die Einladung zur Präsentation der Ergebnisse des Architektenwettbewerbs ausschlugen.
Wieder und wieder wurden trotz des erfolgreich abgeschlossenen und privat finanzierten Architektenwettbewerbs notwendige Ratsentscheidungen zum Festspielhaus vertagt, während die Stadtverordneten im Gegensatz dazu eilfertig und ohne abgeschlossene Planungen Millionenbeträge für die alte Beethovenhalle bewilligten. Das fand seinen Höhe- punkt, als der Stadtrat im Mai 2015 auf Vorschlag der Verwaltung Planungsmittel in Höhe von 3 Mio. für die Beethovenhalle bewilligte, obwohl völlig unklar war, ob die damit beabsichtigte 70 Millionen-Euro-Sanierung der alten Mehrzweckhalle überhaupt sinnvoll sein würde.
Die als Voraussetzung für einen Bauantrag zum Festspielhaus erforderliche Ratsentscheidung zum Beitritt in die Betriebsstiftung wurde zugleich zum x-ten Mal vertagt. Wer das alles aus der Nähe miterlebt hat, versteht leider, dass der Investor Deutsche Post DHL mit Verweis auf den mangelnden Schulterschluss in Rat und Verwaltung die Reißleine zog.
Trotz erheblichen bürgerschaftlichen Engagements ist es nicht gelungen, diesen kommunal- politischen Eindruck der Unentschlossenheit zu korrigieren.
Bonn bis auf die Knochen blamiert
Mit dem Ende des Projektes Beethoven-Festspielhaus gingen Bonn nicht nur private Mittel von über 100 Mio. Euro verloren, sondern auch 39 Mio. Euro, die der Deutsche Bundestag dafür seit 2007 bereithielt. Zurück bleibt ein Scherbenhaufen, den die Bonner Kommunal- politik verursacht hat und der die Beethovenstadt Bonn erheblich geschädigt hat. Als das Kind dann in den Brunnen gefallen war, dämmerte auch manchem Festspielhaus-Gegner, welche Zukunftschance als Beethovenstadt vertan worden war und wie sehr sich die Ver- antwortlichen weit über die Stadtgrenzen hinaus bis auf die Knochen blamiert haben.
Das Projekt Beethoven-Festspielhaus war entstanden, weil Bonn über keinen seiner Bedeutung und Verpflichtung als Beethovenstadt angemessenen Konzertsaal verfügt.
Die 1959 gebaute Beethovenhalle ist nicht nur als Bauwerk in die Jahre gekommen, sondern genügt auch als Mehrzweckhalle heutigen Konzertansprüchen in keiner Weise. In idealer Weise trafen sich dann bürgerschaftliche Bonner Initiativen für einen Konzertsaal – unvergessen ist hier Karin Hempel-Soos – mit der Einsicht des Bundes, den 250. Geburtstag Beet- hovens 2020 als Kulturnation zu nutzen.
So beschloss der Deutsche Bundestag 2007, aus dem Bundeshaushalt 39 Mio. Euro für eine nationale „Stiftung Festspielhaus Beethoven“ zur Verfügung zu stellen. Dies war an die Voraussetzung einer „angemessenen Mitfinanzierung“ durch das Land, die betroffenen Kommunen oder Private geknüpft. Zu dieser „Public-Private-Partnership“ gehörte es, dass der Bau des Festspielhauses vollständig privat finanziert werden musste.
Die globale Bedeutung Beethovens hat den Weltkonzern Deutsche Post DHL mit seinem Unternehmenssitz in Bonn dazu bewogen, den Hauptteil dieser Baufinanzierung eines Beethoven-Festspielhauses mit 30 Millionen Euro zuzusagen. Die Deutsche Telekom unter- stützte als weiteres in Bonn ansässiges globales Unternehmen das Vorhaben ebenfalls und hat zugesagt, sich wesentlich an den Betriebskosten des Beethoven-Festspielhauses zu beteiligen. Die Stadt Bonn, die ein geeignetes Grundstück baureif zur Verfügung stellen sollte, hatte bis zur Kommunalwahl 2009 vorgesehen, die Beethovenhalle abzureißen und dieses Gelände für das neue Festspielhaus zur Verfügung zu stellen. Darauf basierte auch der erste Architektenwettbewerb mit den eindrucksvollen auch von den Vertretern des Rates und der Verwaltung begrüßten Siegerentwürfen von Zaha Hadid („Diamant“) und Valentiny („Welle“). Leider hat es die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann versäumt, vor der Kommunalwahl 2009 diesen politischen Konsens in einen Ratsbeschluss zu gießen.
Konzertsaal bleibt auf der Tagesordnung
So bleibt die Beethovenstadt ohne Konzertsaal und auch im Jubiläumsjahr 2020 wird es für sinfonische Konzerte mit einer Mehrzweckhalle und einem Konferenzzentrum nur Provisorien geben, mit denen Bonn nicht konkurrenzfähig ist. Die gleiche Verwaltung und der gleiche Rat, die sich beim Festspielhaus städtische Entscheidungen immer wieder verschoben und verwässerten, beschlossen mir nichts dir nichts im Dezember 2015 – wie es im Beschluss wörtlich heißt – „schon vor Abschluss der Entwurfsplanung und Prüfung der Kostenberech- nung“ und ohne Businessplan eine schon jetzt fast 70 Mio. teure „denkmalgerechte“ Beet- hovenhallen-Sanierung, ohne dass für den Mehrzwecksaal eine akustische Verbesserung vorgesehen wäre.
Aber das Thema Konzertsaal steht deshalb für Bonn auch künftig auf der Tagesordnung, sonst bleibt der Anspruch „Beethovenstadt“ ein Torso. Die meisten Bonner wissen, dass ein Abriss der Beethovenhalle nach wie vor die sinnvollste Lösung wäre, und schauen auch mit Sorge auf den Sanierungsbedarf bei der Oper in einer hohen zweitstelligen Millionen- größe. Vielleicht findet sich in Rat und Verwaltung doch noch die Kraft für den Zukunfts- wurf eines integrierten Konzert- und Opernhauses nach dem Vorbild Baden-Baden oder Bregenz. Die Erfahrung zeigt freilich, dass nur die nachhaltige Kraft bürgerschaftlichen Engagements dafür sorgen kann.