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50 JAHRE GEHÖRE ICH DER CDU

19. September 2022
September 2022 an. Beigetreten bin 1972 wegen des Anspruchs der CDU politisches Handeln aus christlicher Verantwortung zu begründen und als Gestaltungspartei das Leben der Menschen zu verbessern. Aber die Mitgliedschaft in einer demokratischen Partei bedeutet nicht, dass den eigenen Verstand an der Gaderobe abgibt.

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Stephan Eisel

Meine CDU – Warum ich 50 Jahre dabei bin

Im September 1972 bis ich als 17-jähriger Schüler der CDU beigetreten. Ich hatte mich schon zuvor als Schülersprecher (im Sprecher-Kollektiv mit zwei Jusos) engagiert, wuchs in einem politischen Elternhaus und einer politisch aufgeladenen Zeit auf: Späte APO-Ausläufer hatten meine Heimat im Pfälzerwald erreicht, die Debatte um die Ostpolitik polarisierte die Menschen und der Bundestagswahlkampf 1972 schlug hohe emotionale Wellen. Mein ursprüngliches Misstrauen gegenüber den damals sehr verkrusteten Parteien überwand ich, als ich mitten in diesem Wahlkampf auf einem VW-Bus las: „Jesus würde Willy wählen“. Mit einer derartigen Ideologisierung von Politik wollte ich mich nicht abfinden.

Durch mein Engagement an der Schule – z. B. mit einem Streik für eine Raucherecke, den ich als Nichtraucher organisierte, um dem Qualm zu entgehen – war mir früh klar geworden, dass man allein wenig erreichen kann, sondern Verbündete braucht. Dabei war und ist die Mitgliedschaft in einer Partei für mich kein Anlass, den eigenen Verstand auszuschalten. Eine völlige Übereinstimmung kann ich nach wie vor mit keiner der Parteien feststellen. In gewissem Sinn ging es um das geringste Übel: Über das, was mich an der CDU störte, konnte und kann ich 2 Stunden und 12 Minuten reden, aber der entsprechende Vortrag über SPD, FDP oder Grüne dauert eben 15- 25 Minuten länger.

Dabei hat mich bei der CDU das Bekenntnis zum „C“ am meisten überzeugt, der Anspruch Politik aus christlicher Verantwortung zu gestalten. Als überzeugter Christdemokrat lasse ich die Bezeichnung „Konservativer“ für mich nicht gelten. Die CDU hat als Volkspartei einen konservativen und einen liberalen Flügel, aber ihr Zentrum und Fundament bleibt die Christdemokratie. Das ist der Grund für meine Mitgliedschaft in der CDU.

Für mich war immer klar, dass andere demokratische Parteien keine Feinde, sondern Wettbewerber sind. Man kann und sollte in der Sache hart streiten können, ohne den persönlichen Respekt voreinander zu verlieren. Zugleich muss gegenüber Extremisten jeder Couleur eine klare Grenze gezogen werden. In dieser Abgrenzung einen Unterschied zwischen Links- und Rechtsextremisten zu machen, halte ich für scheinheilig und gefährlich.

Ich bin der CDU beigetreten, als sie Oppositionspartei war, und begann mich in ihr über die reine Mitgliedschaft hinaus zu engagieren, weil sie sich von der Honoratioren- zur Mitgliederpartei veränderte. Diesen Prozess begann Helmut Kohl, als er 1973 Parteivorsitzender wurde und Kurt Biedenkopf bzw. dann Heiner Geißler als Generalsekretär vorschlug. Mit einer Verdreifachung der Mitgliederzahlen wandelte sich die CDU zur Volkspartei. In der Breite der Unterstützung bei Wahlen war sie das schon immer gewesen, jetzt wurde sie das auch die die Breite der Mitgliedschaft.

Ich bin bewusst seit 50 Jahren Mitglied einer Volkspartei, und nicht einer Lobby- oder Ein-Themenpartei. Der Respekt vor unterschiedlichen Lebenserfahrungen und – situationen und der Ausgleich von Interessen durch Kompromisse sind elementar für die Lebensfähigkeit einer freiheitlichen Demokratie. Es ist gut, wenn das schon parteiintern praktiziert wird.

Fasziniert hat mich zu Beginn meiner CDU-Mitgliedschaft auch, dass Helmut Kohl die Diskussion über ein erstes CDU- Grundsatzprogramm angestoßen und unabhängig von Wahlterminen fünf Jahre lang vorangetrieben hat. Im politischen Alltag die Richtung nicht zu verlieren, Entscheidungen an den eigenen Grundsätzen zu prüfen und sich und anderen zu vermitteln, welchem Kompass man folgt, ist entscheidend. Auch weil es so ausführlich debattiert wurde, bleibt das Ludwigshafener Grundsatzprogramm von 1978 für mich das entscheidende programmatische Dokument in meiner 50-jährigen Parteimitgliedschaft.

Richtig war es auch, dass die CDU die Oppositionszeit nutzte, um Konzepte für die erstrebte Regierungszeit zu erarbeiten: Macht nicht um ihrer selbst willen, sondern um zu gestalten sollte Kern von Politik sein.

Die CDU hat wie keine andere Partei die Bundesrepublik Deutschland mit Reformen immer wieder zukunftsfest gemacht. Zur Bilanz CDU-geführter Bundesregierungen gehören u. a. die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft und der DM (1948/49), das Lastenausgleichsgesetz (1952), das Betriebsverfassungsgesetz sowie Mitbestimmung  (1952), das Kindergeld (1955), Dynamische Rente (1957) und Kurzarbeitergeld (1957), die Kartellgesetzgebung (1958), die Einführung von bleifreiem Benzin und des Katalystors (1984), die Zulassung von Privatfernsehen (1984), die Gründung des Bundesumweltministerium (1986), Erziehungsgeld und -urlaub sowie Kindererziehungszeiten im Rentenrecht (1986), der linear-progressive Steuertarif (1990) das Verbot von FCKW/Treibhausgasen (1991), die Privatisierung von Post und Telekom (1994), die Einführung der Pflegeversicherung (1995), die Einführung des CO2-Emmisionshandels (2005), der Rechtsanspruch auf Kindergartenplatz (2009), die Schuldenbremse (2009), die Mütterrente (2014), der Mindestlohn (2014) und der Kohleausstieg (2020).

Motiv für diese Reformen war nicht die Erfüllung ideologischer Ziele, sondern die Verbesserung des Lebens der Menschen. Das war auch für mich persönlich der entscheidende Grund für mein politisches Engagement. Gäbe es nichts zu ändern, würde ich den ganz Tag Klavier spielen. Deshalb fühlte ich mich in meiner Partei immer dann unwohl, wenn sie mehr Verwaltungs- als Gestaltungspartei war oder wenn wichtige Entscheidungen wie die Aussetzung der Wehrpflicht und der Ausstieg aus der Kernenergie ohne ausreichende Zeit für das Abwägen von Für und Wider getroffen wurden. Auch manche Personen in führenden Funktionen haben mich als Parteimitglied auf eine harte Probe gestellt: Ich denke in den letzten Jahrzehnten an Hans Filbinger oder Franz-Josef Strauß und aktuell an Michael Kretschmer und Markus Söder.

Als ich 1972 beitrat, konnte ich mir nicht vorstellen, wie viele Mandate ich einmal in der CDU übernehmen würde: Vom Bundesvorsitz des Rings christlich-demokratischer Studenten (RCDS) und kooptiertes Mitglied des CDU-Bundesvorstandes über den Kreisvorsitz der Bonner CDU mit damals mehr als 8.000 Mitgliedern und viele Jahre als Bundes- und Landesparteitagsdelegierter bis hin zu drei Kandidaturen für den Deutschen Bundestag, dem ich schließlich als Nachrücker auf der CDU-Landesliste angehören durfte. Das war nur möglich, weil ich bei so vielen Wahlen von so vielen Parteimitgliedern unterstützt wurde. Dieses Vertrauen und die Bereitschaft, für die gemeinsamen Ziele im ehrenamtlichen Einsatz so viel Zeit und Engagement einzubringen, haben mich immer sehr beeindruckt. Es stimmt: ich habe auch Partei“freunde“ erlebt, an denen man verzweifeln konnte, aber viel größer war die Zahl derer, die mich mit ihrem Einsatz und ihrer Haltung faszinierten.

Auch deshalb war und bin gerne dabei, aber vor allem, weil es politisch noch so viel zu tun gibt. Den sozialverträglichen  Wandel Deutschlands zum klimaneutralen Industrieland, mehr Generationsgerechtigkeit im Sozialsystem, neuer Mut zur Innovation durch Entbürokratisierung, Modernisierung des Staates zu mehr Bürgernähe, endlich ein menschengerechteres Ausländerrecht und neue Dynamik in der europäischen Einigung. Christdemokraten stehen für Gestaltungsfreude gegen die verbiesterten Populisten und Extremisten, die so vieles attackieren, was unsere Demokratie als Gesellschaft mit menschlichem Gesicht lebenswert macht.

Ich bin der CDU auch beigetreten, weil sie eine Gründung aus dem Widerstand gegen die NS-Diktatur war. Als ich Mitglied wurde, war die Partei wenig mehr als 25 Jahre alt, und ich durfte noch viele aus der Gründergeneration kennenlernen. Dennoch lag für mich 1972 die Gründung der CDU weit zurück, heute habe ich zwei Drittel der 75-jährigen Parteigeschichte als Mitglied erlebt: Und ich würde wieder beitreten, denn das programmatische Fundament und die Haltung der meisten Repräsentanten überzeugen mich immer noch.

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