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DIE ZUKUNFTSSTRATEGIE DER BONNER CDU

muss nach der Wahlniederlage bei der Kommunalwahl die inhaltliche Profilierung in den Mittelpunkt stellen. Es geht darum mit kämpferischer Gestaltungsfreude die Gemächlichkeit der abzustreifen.
DIE ZUKUNFTSSTRATEGIE DER BONNER CDU

 

 

 

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Stephan Eisel

Bürgernähe, Zukunftsmut und Gestaltungsfreude

Anregungen zur Zukunftsstrategie der Bonner CDU

Das Desaster der Bonner CDU bei den Kommunalwahlen im September 2020 war nicht durch Fehler in der Wahlkampfführung verursacht. Entscheidend für die Niederlage waren nicht eine unzureichende Plakatierungsstrategie, die mangelnde Vorbereitung der Stichwahl, Abstimmungsprobleme zwischen Kreispartei und Ratsfraktion oder fehlende Aktivitäten in den sozialen Medien. So ärgerlich diese Defizite auch waren, die Probleme liegen im inhaltlichen Bereich. Die Bonner CDU hat kein erkennbares kommunalpolitisches Profil. Vor der Vermittlung von Politik kommt aber die Frage, wofür man steht.

In der Ratskoalition mit den GRÜNEN war die CDU in den letzten zehn Jahren meist nur stiller und reaktiver Teilhaber. Während die GRÜNEN mit immer neuen Initiativen den Ton angaben, hechelte die CDU oft hinterher. Immer wieder war aus der CDU-Ratsfraktion zu hören: „Wir haben doch das Schlimmste verhindert“. Der bisherigen Fraktionsführung war die Stabilität der Zusammenarbeit mit den GRÜNEN oft wichtiger als der Einsatz für eigene politische Ziele. So stimmte die CDU den grünen Initiativen zum Ende des Festspielhauses, der Luxussanierung der Beethovenhalle oder der Kappung des Cityrings zu. Für diese Koalitionstreue ließen man gerne auch den eigenen Oberbürgermeister im Regen stehen.

Entgegen der Realität einer inhaltlichen Dominanz der GRÜNEN hielt sich der Eindruck, die CDU sei die bestimmende kommunalpolitische Kraft. Die GRÜNEN duckten sich weg, wenn von ihnen initiierte Entscheidungen von der Bevölkerung kritisch beurteilt wurden (siehe Beethovenhalle): Dann war die CDU schuld. Eigentlich richtete sich der GRÜNEN-Slogan „Bonn braucht den Wechsel“ gegen sie selbst. Das wurde von den Wählern aber nicht so wahrgenommen, weil die CDU mit eigenen Zielen nicht erkennbar war.

Dies muss sich ändern, wenn die Bonner CDU wieder eine Mehrheitschance haben will. Gefragt sind Mut zum inhaltlichen Profil und zur Kontroverse. Dabei sollten folgende Leitlinien gelten: 

1)     Die CDU muss ihre Kraft aus der Mitte der Stadtgesellschaft schöpfen.
Kommunalpolitische Arbeit darf sich nicht in endlosen Gremiensitzungen verlieren. Wichtig ist der direkte Kontakt zur Bürgerschaft. Dabei war bisher eine Stärke der CDU, dass sie viele Wahlkreise direkt gewonnen hat. Jetzt sind weniger als die Hälfte der Wahlkreise durch einen CDU-Vertreter im Rat vertreten. Vermutlich wird die CDU auch keinen Bezirksbürgermeister stellen. Dieses Defizit der örtlichen Repräsentanz auszugleichen, bedarf besonderer Anstrengungen und einer Stärkung der Ortsverbände. Die Arbeit wird künftig weniger mandatsorientiert sein. Das ist auch eine Chance.
Aber auch stadtweit muss die CDU die Verbindung zur Stadtgesellschaft intensivieren. Sie ist im vorpolitischen Raum viel zu wenig präsent. Wenn man CDU-Vertreter nur dann zu Gesicht bekommt, wenn es Ehrenkarten gibt, ist eine Verankerung in der Stadtgesellschaft nicht zu erreichen. Diese Verknüpfung sollte auch dadurch gefördert werden, dass die CDU als sachkundige Bürger in die Ratsausschüsse weniger verdiente Mandatsträger und mehr Vertreter von Vereinen und Initiativen aus dem vorpolitischen Raum beruft. Außerdem sollte die CDU mit den anderen Fraktionen einen Konsens anstreben, generell keine Tischvorlagen der Verwaltung mehr zu akzeptieren. Solche erst in den Sitzungen vorgelegten, oft vielseitigen Vorlagen verhindern, dass Mandatsträger die Bürger in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. Wenn der Verwaltung etwas wichtig ist, soll sie es rechtzeitig vorlegen und den Rat - und damit die Bürgerschaft - nicht mit Papierbergen überrumpeln. 

2)     Die CDU muss Anwalt der Bürger gegenüber der Verwaltung sein.

Die Bonner Kommunalverwaltung leistet in vielen Bereichen gute Arbeit, aber es gibt auch Fehlentscheidungen. Diese haben nicht die Mitarbeiter zu verantworten, sondern die Führungskräfte. Wo in der Verwaltung Mist gebaut wird, muss die CDU dies auch klar benennen und die dafür Verantwortlichen ohne Rücksicht auf deren Parteibuch zur Rechenschaft ziehen. Beispiele für falsche Führungsentscheidungen sind das Desaster bei der Beethovenhalle, die unsinnige Zentralisierung der Bürgerdienste und zuletzt die gravierenden Versäumnisse bei der Versendung der Briefwahlunterlagen zur OB-Stichwahl. Wenn die CDU diese Mängel nicht klar benennt, wird sie als Verwaltungspartei wahrgenommen, wo sie doch Bürgerpartei sein sollte.

3)     Zukunftsmut, Diskussionsbereitschaft und Gestaltungsfreude

Die Bonner CDU muss sich insgesamt wieder als politische Kraft mit kämpferischer Gestaltungsfreude darstellen und den gemächlichen Eindruck der letzten Jahre abstreifen. Die Voraussetzungen für einen Neuanfang sind gut, denn es gibt einen Generationswechsel. Die neuen Stadtverordnete müssen jetzt Verantwortung als Sprecher für die verschiedenen Sachgebiete übernehmen. Dabei dürfen sie sich nicht in internen Gremien verkämpfen. Wirtschaftssprecher gehören in die Betriebe, Sozialsprecher zu den Benachteiligten, Kultursprecher muss man bei Kulturveranstaltungen treffen und Sportsprecher in Hallen und Stadien.

Schließlich muss in der CDU wieder eine offenere Diskussionskultur gepflegt und gefördert werden. Die bisherige Fraktionsspitze legte darauf keinen besonderen Wert und die Fraktion hat sie auch selten eingefordert. Vor (!) Entscheidungen muss in Partei und Fraktion das Für und Wider ausgetauscht werden, damit jeder weiß, welche Gegenargumente es gegen sein eigenes Votum gibt. Dabei muss den Mitgliedern z. B. bei Kreisparteitagen ein stärkeres Gewicht zukommen. Wichtige Grundentscheidungen müssen dort fallen. Die Bonner CDU mehr als 2.300 Mitglieder: Nur wer deren Engagement mobilisiert, kann Zukunftsperspektiven für die CDU eröffnen. 

An wichtigsten ist die inhaltliche Profilierung. Hier gibt es in allen Themenfeldern Nachholbedarf. Beispielhaft seien genannt:

  • Kultur für alle

Der kulturelle Bereich spielt in Bonn eine besondere Rolle. Gerade hier hat die CDU erhebliche Defizite. Nachdem die Bonner Kommunalpolitik fahrlässig die Chance des Beethoven-Festspielhauses in den Wind geschlagen und stattdessen die Sanierung der maroden Beethovenhalle als Millionen-grab zu verantworten hat, steht Bonn jetzt vor einer weiteren Zukunftsentscheidung: Soll das alte Opernhaus – mit ähnlichen Risiken wie bei der Beethovenhalle – saniert oder der Zukunftswurf eines Neubaus gewagt werden. Diese Entscheidung bietet die Chance eines neuen Bürgerzentrums für Kultur mit Oper und Konzertsaal für Schauspiel und Jazz sowie als Forum für viele weitere kulturelle Angebote insbesondere auch für junge Leute. Ein solches Bürgerzentrum für Kultur könnte auch ein gravierendes Problem beheben, das sich heute an einem zentralen Platz der Stadt zum Rhein hin stellt: Das Bonner Opernhaus ist nur geöffnet, wenn es Vorstellungen gibt. Die meiste Zeit wirkt es mit seiner Umgebung wie ein verlassener Ort – auch wenn im Innern (aber für die Menschen eben nicht sichtbar) ein lebendiger Probenbetrieb läuft. Diese räumliche Isolation der Oper ist fast symbolisch. Es geht darum, Kultur den Menschen immer wieder näher zu bringen. Dazu gehört auch ein klares Bekenntnis zur freien Szene und gefährdeten Institutionen wie dem Stadtmuseum, das eben mehr sein muss als ein „Bürgerlabor“ mit einem „Museumsleitungskollektiv“.

  • Verkehrspartnerschaft

Die GRÜNEN sind auf eine Anti-Auto-Ideologie fixiert. Sie setzen völlig einseitig auf das Fahrrad und diskriminieren diejenigen, für die Fahrradfahren z. B. aus Alters- und Gesundheitsgründen oder wegen beruflicher Notwendigkeiten keine Option ist und der ÖPNV z. B. wegen ländlicher Strukturen keine akzeptablen Angebote machen kann. Die CDU setzt auf Verkehrspartnerschaft und will die Infrastruktur für Fußgänger, Fahrradfahrer, den ÖPNV ausbauen. Zugleich bleibt der motorisierte Fahrzeugverkehr für sie ein wichtiger Verkehrsträger. Gerade in der Verkehrspolitik biete sich viele Chancen, klare Alternativen aufzuzeigen – z. B. zum Versuch der GRÜNEN den Ausbau des Tausendfüsslers zu verhindern und damit Durchgangsverkehr in die Stadt zu zwingen. 

Wahlniederlagen sind schmerzlich, aber man sollte sie als Chance begreifen, besser zu werden:
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