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POLITIK IM INTERNET WIRD OFT VON DENEN

15. Dezember 2011
überschätzt, die sich selbst politisch engagieren. Sie vergessen meist, dass die meisten Menschen weit weniger politisch interessiert und involviert sind als sie selbst. Für die Schweizerische Vereinigung für Zukunftsforschung habe ich dazu den Artikel "Die Selbstüberschätzung politischer Internet-Utopien" geschrieben."
POLITIK IM INTERNET WIRD OFT VON DENEN

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

In meinem Blog können Sie hier über das Thema diskutieren

 aus: swissfuture - Magazin für Zukunftsmonitoring 3/2011 (hsrg. von der Schweizerischen Vereinigung für Zukunftsforschung) 

 

Stephan Eisel

Die Selbstüberschätzung politischer Internet-Utopien 

Zu den Mythen, die das Internet umgeben, gehört seit seinen Anfängen die Annahme, dass es dem neuen Medium gelingen würde, mehr Bürger für Politik zu interessieren und am politischen Prozess zu beteiligen. Aber meist diskutieren politisch Interessierte und Aktive über Politik im Netz. Sie neigen dazu, die Rolle von Politik im Internet zu überschätzen, weil sie oft vergessen, dass die meisten Menschen weit weniger politisch interessiert und involviert sind als sie selbst. 

Dennoch sind Utopien von einer grundlegenden Veränderung der Demokratie durch das Internet in der politischen Netz-Community sehr populär. Weil es örtliche und räumliche Grenzen aufhebe und so viele Menschen erreiche, biete das Netz den Einstieg in eine plebiszitär-basisdemokratische Gesellschaft und läute das Ende der repräsentativ-parlamentarischen Demokratie ein. In diesem Sinne wurde und wird das Internet immer wieder zum Demokratiemedium stilisiert. 

Dreifache digitale Spaltung

Dabei wird übersehen, dass das Internet als Kommunikationsraum im Alltag der Menschen noch lange nicht mit der Bedeutung von Radio und Fernsehen zu vergleichen ist. Als reine Konsummedien erreichen sie in den industrialisierten Ländern fast einhundert Prozent der Bevölkerung. Das Internet ist ein Aktivitätsmedium und kommt wohl auch deshalb trotz aller Wachstumsraten weder in Europa noch in den USA über eine Abdeckung von höchstens 70-80 Prozent der Bevölkerung hinaus. 

Selbst in einem reichen Industrieland wie Deutschland ist eine dreifache digitale Spaltung Gesellschaft zu beobachten:

Erstens ist ein Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung über vierzehn Jahre mangels Zugang generell vom Internet ausgeschlossen.

Zweitens nutzt ein Drittel derer, die einen Internetzugang haben, die bestehende Zugangsmöglichkeit nur selten. Insgesamt kann nur etwa die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung über vierzehn Jahre als regelmäßige Internetnutzer gelten.

Drittens beschränken sich zwei Drittel der regelmäßigen Nutzer auf wenige, vor allem passiv-konsumierende Nutzungsarten und nehmen die vielfältigen interaktiven Möglichkeiten des Mediums praktisch nicht in Anspruch.

Allenfalls ein Fünftel der in Deutschland lebenden deutschsprachigen Menschen über vierzehn Jahre ist also internetaffin in dem Sinne, dass sie das Internet nicht nur als Abrufmedium, sondern als Kommunikationsplattform nutzen. Es wäre ein großer Fehler davon auszugehen, dass nur existiert, was digital existiert. Demokratie würde sich selbst ad absurdum führen, wenn sie sich auf das Internet fokussiert und Netzbürgern mehr Bedeutung zumisst als denen, die das Medium nicht nutzen können oder wollen. 

Politik in der Nische

Das gilt umso mehr als der Cyberspace selbst für seine Bewohner viel mehr Markt- und Spielplatz als Politikforum ist. Der Anteil politischer Webseiten liegt im deutschsprachigen Netz unter einem Prozent und in den USA nur unwesentlich höher. Die Zugriffsraten auf das politische Angebot sind zudem deutlich unterdurchschnittlich. Das Internet ist nicht zu politischen Zwecken erfunden, erprobt und entwickelt worden und wird auch nur von einer kleinen Minderheit dazu genutzt.

Die freiheitliche Demokratie zählt zwar auf das Engagement der Bürger für ihre Gesellschaft, räumt ihnen aber ausdrücklich auch das Recht ein, unpolitisch zu sein. Dass die Menschen davon gerne Gebrauch machen, spiegelt sich auch im Internet: Bei YouTube haben allein siebzehn Comedians und 47 Musiker mehr Aufrufe als der amerikanische Präsident als weltweit mäctigster Politiker. Drei Einzelpersonen haben die Milliardengrenze bei der Abfrage ihrer Videos überwunden: Es sind die Popstars Lady Gaga, Justin Bieber und Shakira. Politiker sind Lichtjahre davon entfernt. 

Das gilt auch für institutionelle Angebote: Einsamer Spitzenreiter bei YouTube-Nutzung ist der Bildungskanal „Expertvillage“, dessen Videos seit der Gründung des Kanal 2006 bis Ende März 2011 über 1,8 Milliarden mal angesehen wurden. Die meisten Abonnenten, nämlich über 850.000, hat der Kanal „Household Hacker“ mit Tipps rund um den Haushalt. Das Weiße Haus kommt nur auf 133.000 Abonnenten. 

Die Nutzerzahlen für verschiedene Webseiten bestätigen die Politikferne des Internets. Selbst bei den Internet-Blogs, wo man ehesten eine politische Oase im Cyberspace vermuten würde, findet sich Politik nur als exotische Nischenexistenz. Ein Verzeichnis von über 11.000 deutschsprachigen Blogs listet insgesamt 1369 Blogs zu Internetthemen, 1343 Privat-Blogs, 1129 Computerblogs und nur 369 Politikblogs gegenüber 539 Reiseblogs auf. Am meisten besucht werden ein Schnäppchen-, ein Spiele und ein Hobby-Blog. Erst auf Rang 20 folgt der populärste Politik-Blog. 

Geschwindigkeitsrausch, digitale Vereinfachung und Hysteriefalle

Als Markt- und Spielplatz orientiert sich das Internet zwar nicht am politisch Sinnvollen, aber die typischen Charakteristika der Netzkultur setzten Politik unter neuen Druck. 

So ist Schnelligkeit im Cyberspace das höchste Gut. Baut sich eine Seite zu langsam auf, klicken wir weiter. Gibt eine Suchmaschine die Antwort auf unsere Fragen zu langsam, wechseln wir den Anbieter. Im Internet ist der schnelle Klick die gültige Währung, Politik erscheint demgegenüber träge und langsam. Schnelligkeit ist aber kein Ausweis von Demokratiesteigerung, ihr wohnt die große Gefahr der Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit inne. Im Gegenteil dazu zeichnen sich stabile Demokratien dadurch aus, dass sie Entscheidungen ihre Reifezeit geben. 

Den Geschwindigkeitsdruck im Internet begünstig auch eine Atmosphäre sich schnell wandelnder Stimmungen und Emotionen. Noch gibt es im Internet auch reflektierende Kommunikationsformen. So hat die ursprüngliche Textorientierung des Internets eine durchaus heilsam rationalisierende Wirkung Zugleich hebt der Trend von der textgebundenen zur bildorientierten Nachricht diese Rationalitätsebene der Netzwelt zunehmend auf. 

Die Verstärkung des emotionalen Spontaneindrucks durch die Bildorientierung des Internets steht nicht nur im Widerspruch zum Rationalitätsanspruch von Politik in der freiheitlichen Demokratie. Diese Entwicklung ist in gewisser Weise auch komplementär zur Tendenz zur Vereinfachung, die dem Internet schon durch die digitale Struktur innewohnt und einen weiteren Gegensatz zwischen der virtuellen Netzwelt und der demokratischen Politikwelt konstituiert: Digitales Denken privilegiert die einfache Wahl zwischen A und B. Politisches Denken dagegen ist komplex. 

Insgesamt ist das Internet auch ein nervöses Skandalisierungsmedium. Nirgends entstehen so viele Gerüchte und nirgends werden sie so schnell verbreitet wie im Internet. Dies ist auch einem oberflächlichen Spieltrieb geschuldet, der in der Weitergabe einer im Netz gefundenen Nachricht einen von deren Inhalt oder Seriosität unabhängigen Selbstzweck sieht. Wer zur Verbreitung beiträgt, sieht sich im Internet selten verantwortlich für den Inhalt des Weitergegebenen. Was aber viele verbreiten, wird schnell von allen geglaubt.

Die „Weisheit der Massen“ und Politisierung als Gruppenzwang

Diejenigen, die im Internet den neuen Ort demokratischer Willensbildung sehen, sind nicht nur von der Schnelligkeit des Netzes fasziniert, die die schnelle Meinungsverdichtung zu einem Meinungsbild ermögliche. Sie führen auch ins Feld, dass im Internet wegen seiner großen Reichweite viele Menschen einbezogen werden könnten und die Klugheit einer Entscheidung mit der Zahl der an ihr Beteiligten steige. 

Während der Fokus der freiheitlichen Demokratie auf dem Einzelnen, seinen Rechten, Pflichten und Beteiligungschancen ruht, ist im Internet ganz in der Tradition des „volonté générale“ von Jean-Jacques Rousseau die große Zahl entscheidender Bezugspunkt. Dort ist von der „Wisdom of Crowds“ die Rede, die James Surowiecki 2004 in seinem gleichnamigen Buch mit dem Untertitel erläuterte: „Why the Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies and Nations“. Dieses Konzept proklamiert die in der Netzcommunity sehr populäre Theorie, dass auch einer zufällig zusammengekommenen Gruppe von Menschen hohe Entscheidungsbefugnis für alle zukommt. 

Kleine Zufallsgruppen sind sogar charakteristisches Merkmal der Entscheidungsbildung im Internet. Dies gilt umso mehr, als das Internet als Aktivitätsmedium nicht nur die Menschen ohne Netzzugang oder Netzzugangswillen komplett ausblendet, sondern auch unter der Minderheit der politisch Interessierten noch die Kleingruppe der politischen Aktivisten privilegiert. Die Herrschaft der  Stärkeren und Lautesten dominiert als digitales Faustrecht die ungeregelten digitalen Netzwelten. 

Dem plebiszitäre Reiz des Internets, möglichst häufig möglichst viele möglichst schnell entscheiden zu lassen, liegt auch die Fehlannahme vom politisierten Bürger als Regelfall zu Grunde. Aber das Grundverständnis einer freiheitlichen Gesellschaft ist nicht vereinbar mit einem indirekten Zwang zum politischen Aktivismus. Es schützt damit auch die Schwächeren: weniger politisch Interessierte, weniger Lautstarke und weniger gut Organisierte. Vertreter zu wählen, die sich in eine Materie einarbeiten und dadurch besser als anderer Bescheid wissen, ist das gute Recht jedes Bürgers, ebenso wie er das Recht hat, durch eigenes Engagement die Entscheidungsfindung unmittelbar zu beeinflussen. 

Minderheiten-Spielplatz im Cyberspace

Wer das Recht auf Repräsentation durch Fokussierung auf die plebiszitären Versuchungen des Internets leugnet, lässt eine neue weitere doppelte digitale Spaltung zu: Er schließt aus dem Entscheidungsprozess nicht nur die aus, die gar nicht im Netz sind, sondern diskriminiert zugleich jene, die dort ihr Recht auf Freiheit von Politik in Anspruch nehmen. Die oft propagierte plebiszitäre Cyberdemokratie nimmt ihnen die Chance der Delegation. 

Interessanterweise hat im Juni 2011 eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung bestätigt, dass 94 Prozent (!) der Bundesbürger in Wahlen die beste Form der politischen Beteiligung sehen. 39 Prozent der Bundesbürger gaben sogar ausdrücklich an, sie wollten sich über Wahlen hinaus nicht am politischen Prozess beteiligen zu wollen. 

Abstimmungen im Internet wurden von 54 Prozent der Befragten ausdrücklich abgelehnt. Während 64 Prozent schon einmal an einer Bürgerversammlung teilgenommen haben oder sich das vorstellen können und immerhin 54 Prozent auch Leserbriefe für sich für möglich halten, stehen nur 39 Prozent elektronischen Petitionen und nur 32 Prozent Internet-Blogs prinzipiell positiv gegenüber. Die Bertelsmann-Stiftung fast zutreffend zusammen: „Möglicherweise in der öffentlichen Diskussion bislang überschätzt werden dagegen die neuen Formen der Meinungsbildung und Bürgerbeteiligung über das Internet. Offensichtlich sind diese Formen der Beteiligungsmöglichkeit nur für eine qualifizierte Minderheit begehrt." 

Dennoch werden im Internet inzwischen von einer Vielzahl von Anbietern Fragen zu allen möglichen Themen zur Abstimmung gestellt. Nicht selten wird explizit oder implizit der Anspruch verbunden, aus den Ergebnissen könne man die Meinung des Volkes ablesen oder zumindest seine Stimmungen erkennen. Wiewohl in keiner Weise repräsentativ und höchst manipulationsanfällig, wirkt diese Suggestion – besonders in der Verstärkung durch konventionelle Medien – durch die Magie der Zahl. 

Abstimmungsresistente Internet-Community

Schon in der Netzcommunity selbst sind bisherige Versuche von Internetabstimmungen aber kläglich gescheitert. Prominentestes Beispiel dafür ist wohl die Abstimmung, zu der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg alle Facebook-Mitglieder vom 16.–23. April 2009 aufgerufen hatte. Es ging um die Neufassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zuvor im Internet heftige Debatten ausgelöst und zu massiver Kritik vieler Nutzer an Zuckerberg geführt hatte. Als Reaktion darauf bot Zuckerberg die Abstimmung an und erklärte, dass bei einer Beteiligung von dreißig Prozent der „aktiven registrierten Facebook-Mitglieder“ die Ergebnisse bindend sein sollten. 

Aber die Bilanz dieses ersten Nutzervotums fiel äußerst ernüchternd aus. Trotz erheblicher Werbemaßnahmen hatten nur 0,3 Prozent (665.654 von damals 200 Millionen) der Facebook-Mitglieder teilgenommen. Es hatte sich gezeigt, dass die engagierte Internetdebatte einer kleinen Nutzergruppe keineswegs eine nennenswerte Breitenresonanz auslösen konnte. 

Auch in der als Internetpartei gegründeten Piratenpartei führen Online-Abstimmungen nicht zu einer Mobilisierung. An der Abstimmungsplattform „Liquid Feedback“ beteiligt sich nur harter Kern von ca. fünf Prozent der Parteimitglieder. Das von den Piraten propagierte Konzept einer „flüssigen Demokratie“ („Liquid Democracy“) als tägliches politischen Plebiszit privilegiert nicht nur politische Aktvisten, sondern auch darunter diejenigen, die in ihrem beruflichen und privaten Leben dafür die notwendige Zeit aufbringen können. Im Internet geben diese „Zeitreichen“ den Ton an. Sie sind aber zugleich nur eine verschwindend kleine Gruppe.

Angesichts dieser ernüchternden Erfahrungen selbst internetaffiner Gruppierungen mit der sehr geringen Beteiligung an Internet-Abstimmungsplattformen ist der Enthusiasmus mancher staatlicher Stellen umso verwunderlicher. Insbesondere auf kommunaler Ebene sind solche Verfahren seit einiger Zeit weitgehend unhinterfragte Mode. So haben bisher etwa einhundert deutschen Städte und Gemeinden das Verfahren des internetbasierten ‚Bürgerhaushaltes‘ durchgeführt. 

Manipulationsanfälliger Online-Bügerhaushalt

Dabei werden den Bürgern von der Verwaltung bzw. dem Rat ausgesuchte und von ihnen selbst eingebrachte Kürzungsvorschläge für den städtischen Haushalt zur Bewertung und Abstimmung vorgelegt. Auch die Teilnahme an solchen Verfahren ist vernichtend gering. Extremstes Beispiel ist wohl Hamburg, wo sich 2009 nur 552 Bürger als Teilnehmer registriert haben. Das ist ein gar nicht mehr zu messender verschwindender Anteil der über 1,2 Millionen Hamburger Wahlberechtigten Aber auch in kleineren Städten ergibt sich kein grundsätzlich anderes Bild. 

Nur wenige Menschen beteiligen sich an solchen Online-Haushalten, obwohl zur Registrierung eine E-Mail-Adresse genügt. Weder wird überprüft, ob es sich dabei um einen Bürger der betroffenen Kommune handelt, noch wird sichergestellt, dass sich nicht die gleiche Person mit mehreren verschiedenen E-Mail-Adressen beteiligt. Über neunzig Prozent der Teilnehmer benutzen bei diesen Verfahren nämlich nicht ihre tatsächlichen Namen, sondern nehmen mit Pseudonymen teil. Aus den bisherigen Erfahrungen kann man schließen, dass bis zu einem Drittel der eingetragenen Registrierungen aus Mehrfachabstimmungen bzw. von Ortsfremden kommen. 

Aber selbst wenn man dieses Problem ignoriert und hinter jeder registrierten e-mail-Adresse einen ortansasässigen Bürger vermutet  liegt die Beteiligung bei höchstens drei Prozent der Wahlberechtigten ( 2009 in Köln 1,2 Prozent , 2010 in Solingen 2,8 Prozent, in Essen l 0,8 Prozent, in Gütersloh 2,1 Prozent und 2011 in Bonn ca. drei Prozent) Berücksichtigt man, dass das Internet-Abstimmungsverfahren vier Wochen lang rund um die Uhr, ortsunabhängig und ohne Alterskontrolle angeboten wurde, während die Stimmabgabe bei einer Wahl wesentlich stärkeren örtlichen und zeitlichen Einschränkungen unterliegt, fällt der deutliche Beteiligungsunterschied noch dramatischer aus. 

Als Internetverfahren blieben ‚Bürgerhaushalte‘ in allen Kommunen Foren für eine kleine hochaktive Minderheit, die sowohl über einen Internetzugang verfügte als auch über die Zeit, sich mehrere Stunden durch die außerordentlich komplexen Internet-Plattformen zu kämpfen. 

Überschätzte Wahlbeteilungspotentiale

Von auf Einzelfragen bezogenen plebiszitär motivierten Internet-Abstimmungen zu unterscheiden ist die Idee der Durchführung von Wahlen im Internet. Dieser Vorstellung liegt in der Regel nicht die Absicht zugrunde, die repräsentative Demokratie durch eine plebiszitäre zu ersetzen. Es geht vielmehr darum, mit dem Internet mehr Bürger zur Teilnahme an Wahlen anzusprechen, als dies auf klassischem Weg möglich ist, oder zumindest die Teilnahme an Wahlen zu erleichtern. In diesem Sinn ist das Thema Internetwahlen seit langem ein Dauerthema in der Debatte. 

An dieser Stelle soll nicht auf die Frage eingegangen werden, ob es möglich ist – ähnlich wie beim Online-Banking – die notwendigen technischen Anforderungen zur Gewährleistung von allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen im Internet zu schaffen und die Gefahr Wahlmanipulation auszuschließen. Selbst bei der Lösung dieses Problems bleibt die Frage, ob sich hier die Möglichkeit zur Erhöhung der Wahlbeteiligung eröffnet.

Dabei wird übrigens fälschlicherweise unterstellt, es gebe einen anhaltenden Trend zurückgehender Wahlbeteiligungen. Tatsächlich sind aber Schwankungen in der Wahlbeteiligung zu beobachten. Das zeigen beispielsweise die deutschen Landtagswahlen seit der Bundestagswahl 2009: Zuwächsen der Wahlbeteiligung in Baden-Württemberg (+12,8), Sachsen-Anhalt (+6,8), Rheinland-Pfalz (+3,6) und Berlin (+2,2) stehen Rückgänge in Bremen (-3), Hamburg (-5,2) und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern (-7,4) gegenüber. 

Auf ein gewisses Potential für Internetwahlen deutet aber der gleichzeitige Anstieg der Zahl von Briefwählern hin. In Deutschland hat sich der Anteil der Briefwahl an Bundestagswahlen seit ihrer Einführung 1957 von 4,9 Prozent auf 21,4 Prozent 2009 erhöht. Der Deutsche Bundestag dieser Entwicklung Rechnung 2008 getragen und die bis dahin zumindest formal notwendige Begründung der Inanspruchnahme der Briefwahl im Bundeswahlgesetz abgeschafft. Dadurch wurde der mit den Schwierigkeiten bei der Überwachung des Wahlgeheimnisses begründete Ausnahmecharakter der Briefwahl weiter relativiert. 

Dabei ist die Bezeichnung „Briefwähler“ inzwischen irreführend, die Hälfte dieser Wähler nutzt die Möglichkeit der vorgezogenen Urnenwahl, d. h. der persönlichen Stimmabgabe nach Versendung der Wahlbenachrichtigung in die jeweiligen Rathäusern. Tatsächlich geht also die Beteiligung an der ortsgebundenen Urnenwahl vor allem zurück, weil die zeitliche Fixierung auf einen bestimmten Wahltag durch eine vorgezogene Urnenwahl aufgehoben wird. Auf die damit verbundenen Probleme der Folgen unterschiedlicher Zeitpunkte der Stimmabgabe in einer schnelllebigen Medienwelt soll hier nicht eingegangen werden. 

Ernüchternde Feldversuche

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Instrument von Online-Wahlen zeigen eine sehr ernüchternde Bilanz im Blick auf das Potential zur Erhöhung von Wahlbeteiligungen. 

Zu einem großen Feldversuch kam es im Oktober 2000 bei den weltweiten Internetwahlen für Leitungsfunktionen bei der „Internet Corperation for Asseigned Namens and Numbers“ (ICANN), die u. a. über die Struktur des Internets und Regeln für die Domainvergabe entscheidet. Wahlberechtigt waren alle Internetnutzer über 16 Jahre mit einer eigenen E-Mail-Adresse und Postanschrift, die sich vom 25. Februar bis 31. Juli 2000 zur Wahl registrieren ließen. Zur Ausübung des Wahlrechts wurde ihnen eine Personal Identification Number (PIN) zugesandt.

Erschwert durch die völlige Überlastung des Systems gingen weltweit lediglich 153.593 Registrierungsanträge ein, von denen dann aber nur 34.035 Wahlberechtigte ihre Stimme abgaben. Wegen vieler technischer Probleme und der geringen Beteiligung wurde dieses Wahlexperiment nicht wiederholt. Das ausgerechnet die Internetexperten der Netzcommunity Online-Wahlen bei der Selbstverwaltung des Internets bis heute nicht gelten lassen wollen, ist ein deutlicher Hinweis auf die überwiegenden Schwächen dieser Wahlform. 

Aber auch in anderen Bereichen wurde mit Internet-Wahlen experimentiert. Als erste weltweit bindende Online-Wahl gilt die Wahl des Studentenparlaments in Osnabrück am 2./3. Februar 2000. Die Stimmabgabe im Netz war der Stimmabgabe an der Urne und per Briefwahl gleichgestellt. Von den ca. 10.000 wahlberechtigten Studenten registrierten sich 409 für die Möglichkeit der Stimmabgabe über das Internet, 313 nahm das Wahlrecht über dieses Medium dann auch wahr. Das waren ca. zehn Prozent der Wähler. Allerdings sagten nur vierzehn Prozent dieser Internetwähler, sie hätten an der Wahl nur wegen der Möglichkeit zur Internetwahl teilgenommen. 

Studentenparlamentswahlen waren in der Folge häufiger ein Experimentierfeld für Internetwahlen, weil dort ein besonders internetaffines Klientel vermutet wird. Allerdings sind auch hier die Erfahrungen der Beteiligung ernüchternd. So brachte auch die Online-Abstimmung bei der Studentenparlamentswahl an der schwedischen Universität Umea 2002 keine höhere Wahlbeteiligung. Nur zwei Prozent der Wähler machten von dieser Möglichkeit der Stimmabgabe im Internet überhaupt Gebrauch.

Bei den Wahlen zur „Österreichischen Hochschülerschaft“ nahmen 2009 bei einer Gesamtbeteiligung von nur 25,8 Prozent nur 261 Studenten (ein Prozent aller Wahlberechtigten) die Möglichkeit des E-Voting ohne persönliche Anwesenheit am Studienort wahr. 

Wahlzurückhaltung intenet-affiner Gruppen

In anderen gesellschaftlichen Bereichen hatten Experimente mit Internetwahlen ähnliche Ergebnisse: Als größerer Versuch zur Durchführung von Internetwahlen kann die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Jahr 2007 gelten, bei immerhin rund 100.000 Wahlberechtigten die Wahl der Fachkollegien ausschließlich (!) im Internet vorzunehmen. Es wurden 36.313 Stimmen abgegeben, d. h. selbst unter den besonders internetaffinen Wissenschaftlern haben sich nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten bei dieser Internetwahl beteiligt. Dies war eine geringfügig niedrigere Beteiligung als bei der vorhergehenden letzten konventionellen Wahl im Jahr 2003, bei der etwa 39.000 Stimmen abgegeben worden waren. Die Umstellung auf eine Internetwahl hatte also nicht zu einer Erhöhung der Beteiligung geführt. Ende 2011 ist der nächste Internet-Wahlgang bei der DFG vorgesehen.

Ganz ähnlich fallen die Erfahrungen der Gesellschaft für Informatik e. V. aus, die ihren ca. 24.000 Mitgliedern seit 2004 Vorstands- und Präsidiumswahlen per Internet oder per Briefwahl anbietet. Zwar sind inzwischen fast alle Briefwähler auf das Online-Verfahren umgestiegen, aber

eine spürbare und nachhaltige Erhöhung der Wahlbeteiligung konnte auch bei dieser besonders internetaffinen Gruppe nicht erreicht werden. Sie lag bei der Wahl 2010 mit 17,5 Prozent nur unwesentlich über der Beteiligung bei den letzten konventionellen Briefwahlen 2002 (16,9 Prozent). Lediglich im Jahr der Einführung der Internetwahl 2004 gab es mit 24,1 Prozent einen nennenswerten, aber nur einmaligen Ausschlag bei der Wahlbeteiligung. 

Bei staatlichen Wahlen liegen Erfahrungen mit dem Internet in Deutschland nicht vor. Das gilt auch für die meisten anderen demokratischen Länder. So wurden zwar in Großbritannien nach der historisch niedrigsten Wahlbeteiligung bei der Unterhauswahl 2001 ca. 26 Mio. Euro in ein E-Voting-Programm investiert. Der erste Einsatz in dreißig Städten (darunter Liverpool und Sheffield) bei den Kommunalwahlen 2002 war freilich ernüchternd, denn nur in drei Gemeinden stieg die Wahlbeteiligung leicht an. 

Schweizer Erfahrungen

Umfangreichere Erfahrungen mit dem hier als „Vote électronique“ bezeichneten E-Voting liegen aus der Schweiz vor. Darunter wird bei den Eidgenossen die Stimmabgabe über das Internet, SMS und weitere elektronische Datenkommunikationswege verstanden.

Auch in der Schweiz fand der erste Test unter Studenten statt, und zwar bei den Studierendenratswahlen 2004 – und seitdem jährlich - an der Universität Zürich: Von den 24.000 wahlberechtigten Studenten beteiligten sich lediglich 2188 Personen (9,1 Prozent)  an den Wahlen. Die Wahlbeteiligung lag auf diesem niedrigen Niveau aber immerhin doppelt so hoch als bei früheren Studierendenratswahlen, bei denen noch keine elektronische Wahl möglich gewesen war. 1610 Personen (73,6 Prozent) benutzten das Internet als Wahlmedium 429 Personen (19,6 Prozent) der Wählenden entschieden sich für die Wahl mit SMS und nur  149 Wähler (6,8 Prozent) gaben ihre Voten an der Urne ab. Bei der folgenden Schweizer Studierendenratswahl im Dezember 2005 sank die Wahlbeteiligung allerdings auf wieder 7,7 Prozent und blieb bei den jährlichen Wahlen bisher auf diesem Niveau. 

Insgesamt ist in der Schweiz die „elektronische Stimmabgabe“ bei allgemeinen Wahlen und Abstimmungen seit 2003 im „Bundesgesetz über die Politischen Rechte“ verankert. Am 19. Januar 2003 erfolgte der erste Probelauf in der Genfer Gemeinde Anières: von den 1161 Stimmberechtigten mit elektronischer Abstimmungsmöglichkeit nutzten 323 die Möglichkeit der Stimmabgabe. Bis zum Juni 2007 fanden dann insgesamt 48 Abstimmungen mit der Möglichkeit elektronischer Stimmabgabe insbesondere für Auslandsschweizer statt. Dabei nutzten nur zwölf Prozent der dazu Berechtigten – das ist weniger als ein Prozent der Wahlberechtigten diese Möglichkeit der Stimmabgabe per Internet. Dies blieb deutlich hinter der allgemeinen Wahlbeteiligung bei den diesen Abstimmungen, die bei ca. dreißig Prozent lag, zurück. 

Auch der Bericht des Bundesrates über die Pilotprojekte zum „Vote électronique“ vom 21. Mai 2006 kam im Blick auf die Möglichkeiten zur Erhöhung der Wahlbeteiligung durch das Angebot von Internetwahlen zu einem skeptischen Urteil: „Die Frage nach einer allfälligen Erhöhung der Stimmbeteiligung lässt sich indes auch nach der wissenschaftlichen Begleitung zahlreicher Pilotversuche unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht schlüssig beurteilen.“ 

Schweizer Perspektiven

Da aber bei keiner Abstimmung Pannen oder Probleme auftraten, beschloss das Schweizer Parlament zum 1. Januar 2008 weitere Gesetzes- und Verordnungsänderungen für die elektronische Abstimmung. Im„Bundesgesetz über die Politischen Rechte“ heisst es jetzt: „ Der Bundesrat kann im Einvernehmen mit interessierten Kantonen und Gemeinden örtlich, zeitlich und sachlich begrenzte Versuche zur elektronischen Stimmabgabe zulassen. Er kann Kantone, die Versuche zur elektronischen Stimmabgabe über längere Zeit erfolgreich und pannenfrei durchgeführt haben, auf Gesuch hin ermächtigen, diese Versuche für eine von ihm festgelegte Dauer weiterzuführen. Er kann die Ermächtigung mit Auflagen oder Bedingungen versehen oder die elektronische Stimmabgabe in Abwägung der gesamten Umstände jederzeit örtlich, sachlich oder zeitlich ausschließen. Die Kontrolle der Stimmberechtigung, das Stimmgeheimnis und die Erfassung aller Stimmen müssen gewährleistet und Missbräuche ausgeschlossen bleiben.“

Im Einzelnen wurde für die „erweiterte Versuchsphase“ festgelegt, die Versuche für elektronische Stimmabgabe auszuweiten, vor allem um Auslandsschweizer einzubeziehen. Dabei dürfen 2007 bis 2011 maximal zehn Prozent der Abstimmenden elektronisch abstimmen, wobei die Harmonisierung der Stimmregister in den Kantonen eingefordert wird. Die Schweizer Bundeskanzlei begründet diese bisher nirgends auch nur annährend erreichte Grenze damit, dass dann im Fall einer Panne beim E-Voting der Urnengang nicht wiederholt werden müsse.

Bei den kantonalen Wahlen am 28. November 2010 hatten in zwölf Kantonen 28.900 Wähler ihre Stimme auf elektronischem Weg abgegeben, etwa ein halbes Prozent der Wahlberechtigten. Jüngst hat der Schweizer Bundesrat als ersten Versuch für Wahlen auf Bundesebene die Gesuche der Kantone Basel-Stadt, St. Gallen, Graubünden und Aargau  zur Durchführung eines Vote électronique-Versuchs bei den Nationalratswahlen vom 23. Oktober 2011 bewilligt. Dies erlaubt es den rund 22 000 Auslandschweizer Stimmberechtigten der vier Kantone, ihre Stimme im Herbst elektronisch abzugeben.

Andererseits hat sich der Kanton Zürich – seit 2004 ein E-Voting-Testgebiet der ersten Stunde –entscheiden, das Verfahren bis 2015 auszusetzen. Die Neue Zuricher Zeitung berichtete am 5. Dezember 2010, der Chef des kantonalen statistischen Amtes des Kantons Zürich habe als Wahlleiter erklärt: „E-Voting hat die Erwartungen nicht erfüllt.“ Weder sei die Wahlbeteiligung insgesamt gestiegen, noch hätten mehr junge Wähler an den Abstimmungen teilgenommen. Außerdem lägen die Kosten mit 50 Franken für eine im Inland abgegebene elektronische Stimme und 150 Franken für die das E-Voting eines Auslandsschweizers unverhältnismäßig hoch. Es sei eine Überprüfungspause notwendig.

Ernüchterung in Estland und Skepsis in den USA

Besonders häufig wird in der Debatte um Internetwahlen auf Estland verwiesen. Dort wurde die elektronische Abstimmung am 16. Oktober 2005 bei den Kommunalwahlen zugelassen und von 0,9 Prozent der Wahlberechtigten genutzt. Seitdem wurde das sogenannte E-Voting in Estland bei den Parlamentswahlen im März 2007 von 3,4 Prozent der Wahlberechtigten und den Europawahlen im Juni 2009 von 6,5 Prozent der Wahlberechtigten genutzt. Zuletzt gaben bei den Kommunalwahlen im Oktober 2009 über 100.000 Wähler und damit 9,5 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme per Internet ab, und zwar interessanterweise über alle Altersgruppen hinweg. Eine Erhöhung der Wahlbeteiligung konnte dadurch freilich nicht erreicht werden, vielmehr ersetzte die Internet-Stimmabgabe häufig nur die bisherige Briefwahl. 

Im Mutterland des Internets, den USA, unterscheiden sich die Erfahrungen bei Internetwahlen davon nicht wesentlich: Dort wurde das Internet 1999 erstmals eingesetzt, als Florida und das US-amerikanische Verteidigungsministerium elektronische Wahlen durchführten, bei denen Angehörige der Streitkräfte über verschlüsselte Verbindungen mit Hilfe digitaler Signaturen ihre Stimmzettel abgeben konnten. Später wurde bei Präsidentschaftswahlen Übersee-Amerikanern und Angehörigen der Streitkräfte mit ihren Familien die Abstimmung über das Internet ermöglicht. Dieses Projekt wurde allerdings wegen Sicherheitsbedenken wieder eingestellt.

Auf der politischen Ebene ließen die Demokraten in Arizona bei den Vorwahlen zu den amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 11. März 2000 die Möglichkeit der Internetwahl zu. Zwar sank die Wahlbeteiligung insgesamt, weil zu diesem Zeitpunkt das Kandidatenrennen

schon für Al Gore gelaufen war. Von den 821.000 registrierten Wählern der demokratischen Partei nahmen nur 86.907 an diesen Vorwahlen teil, davon 39.942 über das Internet. Der Anteil der Stimmabgaben per Internet (41 Prozent)  lag damit vor der Briefwahl (38 Prozent), der persönlichen Wahl per Papierwahlschein (16 Prozent) und der persönlichen Wahl per Wahlautomat (fünf Prozent). Möglich war die Abstimmung mit einer PIN (Personal Identification Number) auf einer Wahl-Webseite. 

Ansonsten hat es in den USA keine nennenswerten weiteren Versuche mit Internetwahlen gegeben. Allerdings lassen inzwischen alle fünfzig US-Bundesstaaten die Wählerregistrierung im Internet zu. Diese Erleichterung des Erlangens der Wahlberechtigung führt nach neuen empirischen Studien zu einer um etwa zehn Prozent erhöhten Wahlregistrierung, allerdings ohne sichtbare Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung. 

Verstärkung statt Mobilisierung

Alle Erfahrungen zeigen also, dass Internet-Wahlen nicht zu höheren Wahlbeteiligungen führen: Es gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass Wähler, die ansonsten den Gang ins Wahllokal scheuen damit mobilisiert werden könnten. Insgesamt basiert die Hoffnung auf eine stärkere Mobilisierung durch Internetwahlen auf einer Fehleinschätzung der Motiven von Nichtwählern. Diese reichen vom politischen Desinteresse bis zur bewussten Protesthaltung und liegen alle außerhalb des Internets. 

Im März 2011 kam auch ein Workshop beim Europäischen Parlament zu einem ähnlichen Ergebnis: „Although there seems to be a necessity to offer more possibilities to Europeans to exchange their views and participate in political processes via the Internet, e-voting as such will most probably not result in an increase of voter participation. In fact, the reasons for voting abstinence are manifold and there seems to be no technological quick-fix to the problem.“ 

Die sogenannte „Mobilisierungsthese“, nach der es durch das Internet in nennenswertem Umfang gelingen könnte, bisher uninteressierte Menschen für Politik zu interessieren, ist inzwischen vielfach widerlegt. Politisches Interesse lässt sich auch im Cyberspace nicht einfacher generieren als in der Offline-Welt. Aber das Netz bietet – entsprechend der sogenannten „Verstärkungsthese“ – den politisch Interessierten und Aktiven ein zusätzliches Forum. Sie nutzen die Vorteile des Internets zur Informationsbeschaffung und Interaktion untereinander. 

Das Internet ist also keine neue „Politikwelt“ für bisher Uninteressierte, sondern vielmehr eine zusätzliche Bühne für die Akteure in der vorhandenen politische Offline-Arena. Es wäre für die freiheitliche Demokratie gefährlich mit dem Internet als politischem Minderheiten-Spielplatz Heilserwartungen zu verbinden, wie dies wie die Piratenpartei in Deutschland tut, wenn sie fordert: „Im Netz entscheiden sich die Geschicke der materiellen Welt.“

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