Volltextsuche:

NUR HALB SO HOCH WIE

22. Januar 2015
von der Stadtverwaltung behauptet, lag die tatsächliche Beteiligung der Bonner an der Online-Plattform "Bonn packt´s an". Der jetzt vorgelegte statistische Auswertungsbericht offenbart eine kaum zu glaubende Irreführung der Öffentlichkeit.
NUR HALB SO HOCH WIE

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken

 

Stephan Eisel

Beteiligung bei „Bonn packt´s an“ nur halb so hoch wie bisher behauptet

„Statistischer Auswertungsbericht“ offenbart Irreführung der Öffentlichkeit

Im November/ Dezember 2014 führte die Stadt Bonn zum dritten Mal einen Online-„Bürgerhaushalt“ „Bonn packt´s an“ mit Abstimmungen über Sparvorschläge zum städtischen Haushalt durch­. Mit der Umsetzung wurde  – wie bei den beiden vorherigen Verfahren - die Firma Zebralog beauftragt. Da die Beteiligung der Bürger an diesem Angebot 2011 und 2013 sehr gering war, wurde der Öffentlichkeit seitens der Stadt  2014 während des Verfahrens eine erheblich höhere Beteiligung vorgegaukelt als sie den Tatsachen entsprach. Die Fassade dieses potemkinschen Dorfers ist jetzt zusammengebrochen:

Der im Januar 2015 offiziell von der Stadtverwaltung  dem Stadtrat vorgelegte Auswertungsbericht zum Online-Bürgerhaushalt „Bonn packt´s an“ zeigt, dass die Öffentlichkeit während der Online-Aktion in erheblichem Umfang falsch über die angeblichen Teilnehmerzahlen informiert wurde und die Verwaltung auch in ihrer abschließenden Presseerklärung irreführende Zahlen verbreitet hatte.

Während die offiziellen Mitteilungen der Stadt bisher „rund 4.400 registrierten Nutzerinnen und Nutzer“ nannte (u.a. Pressemitteilung vom 12.12.2014), offenbarte der am 8. 1. 2015 vorgelegte "Statistische Auswertungsbericht (Bürgerdialog zum Haushalt 2015/2016 der Stadt Bonn – Beteiligung 2014)“ der durchführenden Firma Zebralog, dass lediglich sich lediglich 3.692 Nutzer tatsächlich auf der Plattform eingeloggt haben. Davon haben sich lediglich 2.354 als Bonner Bürger identifiziert. Keine Aussagen macht der Bericht dazu, viele Teilnehmer sich mit unterschiedlichen e-mail-Adressen mehrfach registriert haben. Frühere Auswertungen legen nahe, dass wegen derartigen Missbrauchs mindestens zehn Prozent der Nutzer abgezogen werden müssen.

Tatsächlich war also die Beteiligung an der Online-Plattform um mehr als die Hälfte geringer als von der Stadt bisher angegeben. Dafür gibt es drei Gründe:

  1. Fast 800 angebliche      Nutzer waren nie auf der Plattform eingeloggt.      Der jetzt vorgelegte Auswertungsbericht stellt dazu fest: „Die recht hohe      Zahl von nie-eingeloggten Registrierten ist damit zu begründen, dass ein      Spambot versucht hat sich auf der Seite zu registrieren.“ Bei solchen „Spambots“  handelt es sich um automatisierte Computerprogramme. Betreibern von Internetplattformen      sind derartige Manipulationsversuche vertraut. Es ist sehr befremdlich,      dass die Stadt Bonn Zahlen veröffentlichte, die derartige Spams einschlossen.      Allein dadurch wurde die Zahl angeblicher Teilnehmer um fast  20 Prozent nach oben manipuliert.
  2. Über 1.300      Teilnehmer kamen nicht aus Bonn.
    Wer sich mit      einer e-mail-Adresse registrierte, wurde auf freiwilliger und anonymisierter      Basis auch nach seinem Wohnort gefragt. Nur 2.354 der 3.692 Eingeloggten      gab dabei an, in Bonn zu wohnen. Fast 40 Prozent der Nutzer waren also      Ortsfremde.
  3. Mehr als 200 Nutzer      dürften mehrfach Registrierte gewesen sein.    
    Manipulationen durch Mehrfachregistrierungen waren bei Online-Plattform „Bonn      packt´s an“ sehr leicht möglich, weil die Angabe einer e-mail-Adresse genügte,      um sich als Teilnehmer einzuloggen. Wer sich also mehr mehreren verschiedenen      e-mails (und Passwörtern) registrierte wurde jeweils als eigener      Teilnehmer gezählt. In ihrem Auswertungsberichten zur ersten Aktion „Bonn packt´s      an“ musste die Firma Zebralog 2011 mehr als 300 solcher Mehrfachregistrierungen      einräumen. Dabei wurden außerordentlich großzügige Maßstäbe angelegt:  Wer sich mit weniger als fünf unterschiedlichen      Mail-Adressen unter der gleichen IP-Adresse beteiligte oder für verschiedene      mail-Adressen unter­schiedliche Passwörter benutzte, wurde als Mehrfachteilnehmer    garnicht erfasst.  Man kann vorsichtig      geschätzt unter den 2.354 aus Bonn registrierten Teilnehmern mindestens      zehn Prozent mehrfach Registrierte vermuten.

Tatsächlich lag also die Beteiligung von Bonner Bürgern an der Online-Plattform „Bonn packt´s an“ bei weniger als einem Prozent der Wahlberechtigten. Noch deutlicher wird die fehlende Legitimation solcher Online-Verfahren, wenn man die Stimmenzahl betrachtet, die auf einzelne Sparvorschläge entfallen. Nicht jeder registrierte Teilnehmer votiert enämlich zu jedem Sparvorschlag. In Bonn wurde höchste Zustimmung für einen Sparvorschlag mit 715 Stimmen angeben. Bisher wurde diese Zahl nicht um die Teilnahme von Ortsfremden und Mehrfachregistrierten korrigiert. Sie dürfte tatsächlich bei weniger als 400 Teilnehmern aus Bonn gelegen haben. Unter den am häufigsten bewerteten 25 Sparvorschlägen lag die geringste Zustimmung – bei Abzug von Ortsfremden – bei deutlich weniger als hundert Stimmen. Dass die Stadtverwaltung 25 solcher Voten von  kleinsten Minderheiten als „Bestenliste“ bezeichnet und mit diesem Etikett den städtischen Gremien zuleitet, zeigt die Absurdität des Verfahrens. Selbst die Zahl gewählter ehrenamtlicher Mandatsträger liegt in Bonn deutlich  höher als solche Stimmenzahlen.

Übrigens haben seit der Einführung solcher Online-Bürgerhaushalte in Deutschland weniger als 100 der über 14.000 Städte und Gemeinden ein solches Experiment gewagt. Die meisten davon haben das Experiment wege der geringen Beteiligung nicht wiederholt.  Im Jahr 2014 wurden nur noch zehn kommunale Online-Bürgerhaushalte durchgeführt. Nur in einem Fall, nämlich in Bonn, kam es in einer größeren Kommune bisher zu drei Online-„Bürgerhaus­halten“ – obwohl schon 2013 die Beteiligung bei nur 0,5 Prozent der wahlberechtigten gelegen hatte.  Die Kosten für die Durch­führung ihres Internet-„Bürgerhaushaltes“ hat die Bonner Stadtverwaltung übrigens im Juni 2011 mit 300.000 Euro für ein Verfahren angegeben (Drucksache  1111087NV2). .

RSS