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ABSTIMMUNGSTRICKSEREIEN

02. Februar 2011
in Potsdam, Gütersloh undf Bonn zeigen, wie beim internet-basierten Bürgerhaushalt kräftigt mit Mehrfachabstimmungen manipuliert wird. Vor allem werden auch Internetnutzer, die garnicht in der jeweiligen Kommune wohnen, animiert mitabzustimmen.
ABSTIMMUNGSTRICKSEREIEN

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ABSTIMMUNGSTRICKSEREI BEIM „BÜRGERHAUSHALT"

BEISPIELE AUS POTSDAM, GÜTERSLOH UND BONN

Drei konkrete Beispiele zeigen, wie beim internet-basierten Bürgerhaushalt manipuliert wird - sei es durch Mehrfachabstimmungen oder die Mobilisierung von Internutzern, die garnicht in der jeweiligen Stadt leben.

BEISPIEL 1: POTSDAM

Märkische Allgemeine 20. Oktober 2010
Abstimmung wurde doch manipuliert
Bürgermeister Exner räumt Sicherheitslücken im Bürgerhaushalt ein

Nachdem Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) noch am Montag bestritten hatte, dass die Internet-Abstimmung der Vorschläge zum Bürgerhaushalt 2011 in größerem Umfang manipuliert wurde, musste er gestern zurückrudern. Zuvor hatte das „Team Potsdam" nachgelegt: Die Aktivisten verrieten, am Sonntag zwischen 15 und 17.30 Uhr mit den Daten von 200 Potsdamern mehrere hundert Punkte für das Vorhaben „Erhalt der Sportanlagen an der Heinrich-Mann-Allee" vergeben zu haben. Damit schnellte der Vorschlag, der bis dahin 123 Stimmen hatte, in zweieinhalb Stunden auf immerhin Platz 7 von 37 nach oben. Sie hätten damit „einen öffentlichen Aufschrei forcieren" und eine „Änderung des Systems Bürgerhaushalt" erzwingen wollen, sagten die anonymen Aktivisten. Die Daten - zur Onlineabstimmung genügt es, Namen, Adresse und Geburtsdatum eines Potsdamers zu kennen -, hätten sie aus Unterschriftenlisten, aus dem Internet und aus Befragungen auf offener Straße zusammengetragen. Zudem belege die Manipulation die Unsicherheit des Verfahrens: Da alle Eingaben von ein und dem selben Computer gemacht wurden, hätte das System zumindest eine Warnung ob der immer gleichen Internetadresse des Rechners abgeben können. Auch einen ungewöhnlich starken Anstieg der Wertungen für nur einen Vorschlag könnte moderne Software zum Anlass für eine Warnung an die Betreiber nehmen.

Ob nun von allein oder durch die MAZ-Nachfrage - irgend etwas scheint auch den Zuständigen im Rathaus fragwürdig vorgekommen zu sein, denn gestern wurde die Zahl der Stimmen für den manipulierten Vorschlag um 26 Punkte gesenkt. Exner will die detaillierteren Vorwürfe noch einmal prüfen lassen, stellte aber die Dimension der Manipulation offen in Frage. Er räumte ein, dass die Internetabstimmung manipulierbar sei, betonte aber, bislang habe es genügt, an die Seriosität der Bürger zu appellieren. Auch auf den Veranstaltungen zum Bürgerhaushalt prüfe man vor der Abstimmung nicht die Personalausweise. Das Verfahren werde zudem Jahr für Jahr weiterentwickelt, im Zuge dessen könne man es künftig auch sicherer machen, so Exner. Wenn es allerdings zu kompliziert werde, würde auch die Beteiligung der Bürger sinken. Ob wegen der Manipulation einer erneute Abstimmung fällig wird, konnte Exner gestern noch nicht sagen. (Von Jan Bosschaart)

BEISPIEL 2: GÜTERSLOH

NEUE WESTFÄLISCHE 1. Februar 2011
Bei der Abstimmung getrickst
Bielefelder sollten Pläne für Gütersloher Berufsfeuerwehr unterstützen

VON LUDGER OSTERKAMP
Gütersloh. Die Berufsfeuerwehr war top: Knapp 500 Stimmen gingen beim Bürgerhaushalt zu diesem Thema ein, so viele wie zu keinem anderen. Nun zeigt sich: Ein Teil der Stimmen ist offenbar getrickst.
Ein Gütersloher Feuerwehrmann, angestellt in der Hauptamtlichen Wache, hat versucht, seine Bielefelder Kollegen zu mobilisieren. Per Facebook schrieb er einen Oberbrandmeister der Berufsfeuerwehr Bielefeld an und bat ihn, im Internet für die Einrichtung einer Berufsfeuerwehr in Gütersloh zu stimmen. Dabei blieb es nicht: Der Bielefelder leitete die Bitte auch noch an seine Kollegen weiter.
"Eine blöde und unschöne Aktion", kommentierte Dezernentin Christine Lang den Vorgang. "Der Feuerwehrmann hat eindeutig gegen die Spielregeln des Bürgerhaushaltes verstoßen." Für den Bürgerhaushalt sollten nur Gütersloher Bürger abstimmen, nicht Bielefelder oder andere. Es sei ärgerlich, dass ein solcher Vorgang nun ein schlechtes Licht auf das Abstimungsverhalten im allgemeinen werfe.
Der Gütersloher Stadtbrandmeister Hans-Joachim Koch, Befürworter einer Berufsfeuerwehr, sagte gestern, er habe von der Aktion seines Mitarbeiters nichts gewusst. "Das war ein rein privater Vorstoß und keine Sache, die von der Feuerwehr gutgeheißen wird." Koch wies den Verdacht zurück, dass das Abstimmungsverhalten im Bürgerhaushalt - 375 Stimmen pro Berufsfeuerwehr, 71 contra, 31 neutral - getürkt sei. "Es mag sein, dass der ein oder andere Klick nicht im Sinne des Erfinders war, aber generell gibt das Ergebnis das Meinungsbild schon korrekt wider." Schließlich hätten nicht nur die Befürworter einer Berufswehr die Abstimmung manipulieren können, sondern auch die Gegner.
Wie viele Bielefelder Feuerwehrleute dem Wunsch ihres Gütersloher Kollegen nachgekommen sind, ist unbekannt. "Das lässt sich nicht klären", sagte Lang. Das Abstimmungsverhalten zum Thema Berufsfeuerwehr sei laut Fraunhofer-Institut unauffällig gewesen. Das Institut war von der Stadt mit der Durchführung des Bürgerhaushaltes beauftragt worden.
Die Einrichtung einer Berufsfeuerwehr in Gütersloh ist umstritten. Hans-Jürgen Laue vom Löschzug Spexard sieht die Gegner anders als Koch in der Mehrheit. "Wenn es bei der Freiwilligen Feuerwehr eine Abstimmung gäbe, würde eine solche Einrichtung deutlich abgelehnt." Laue sagte, Stadt und die Hauptamtliche Wache um Stadtbrandmeister Koch operierten bewusst mit falschen Zahlen.
Auch in der Politik sind die Meinungen geteilt. Während sich die SPD vergangene Woche eindeutig für eine Berufsfeuerwehr aussprach, ist die CDU weiterhin dagegen. "Angesichts der empfindlichen Störungen zwischen Hautpamtlichen und Ehrenamtlichen halten wir es für ratsam, das Thema in dieser Ratsperiode nicht weiter zu verfolgen", sagte CDU-Fraktionschef Heiner Kollmeyer. Die möglichen Einsparungen - die Stadtverwaltung spricht von 28.000 Euro im Jahr - stünden in keinem Verhältnis zu der Gefahr, dass viele Ehrenamtliche aus Verärgerung ihr Engagement quittierten.

BEISPIEL 3: Bonn

Bei www.bonner-presseblog finden sich folgende Einträge von Internetnutzern:

Carlos" 19. Januar 2011:
„ich habe mich einmal von zuhause aus angemeldet und einmal vom büro, mit unterschiedlichen mailadressen, klar. aber wenn hier jeder mehrfach einstellen und bewerten kann, dann kommt es am ende darauf an welche partei an meisten claqueure aktiviert mit technischem verständnis. und das hier bis jetzt kaum der ottonormalbürger unterwegs ist sieht man schon an den vorschlägen, alles sehr parteipolitisch gefärbt mit tiefen kenntnissen aus rat und verwaltung! technisch unausgereift, inhaltlich eine katastrophe. sieht aus wie bürbermanipulation, absolut undemokratische maßnahme! auch ich würde dazu raten die plattform boykottieren, aber nicht durch nichtteilnahme sondern durch mehrfachabgabe und anmeldung. am besten einfach 10-20 freemailadressen anlegen und dann ab dafür!!!"

walle" 20. Januar 2011:
„Ich finde die Aktion voll spaßig. Habe mich innerhalb der letzten Tage bereits mit 3 unterschiedlichen Mailadressen angemeldet und kann jeden Tag neu bewerten. Hat das sonst auch schon mal einer ausprobiert?"

Knuti am 20. Januar 2011
„Jou, ich bin 3 mal vom Homeoffice (habe da wechselnde IP-Adressen über meinen Netcologne) Zugang und 3 mal vom Büro aus angemeldet. Kann jetzt täglich mindestens 2 mal bewerten. Die Klickerei macht echt Spaß, habe auch meine Kumpels in Kölle und Siegburg zur Teilnahme aktiviert. Wäre doch gelacht wenn wir hier nicht richtig viele Klicks drauf kriegen:-))"

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