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EINE DREIFACHE DIGITALE SPALTUNG

13. Oktober 2016
beschränkt den Zugang zum Internet. Dies belegt die Auswertung der neue ARD/ZDF-OnLine-Studie. Die darin beschriebenen Grenzen des Internets zeigen, dass eine Ausschließlichkeit der digitalen Welt mit der Demokratie nicht vereinbar ist.
EINE DREIFACHE DIGITALE SPALTUNG

 

 

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Zur ARD/ZDF-Onlinestudie geht es hier.

 

Stephan Eisel

Die dreifache digitale Spaltung

ARD/ZDF-Online-Studie 2016 zeigt Grenzen des Internets 

Das Internet hat ohne Zweifel sowohl der Meinungs- als auch der Informationsfreiheit zuvor nicht gekannte Möglichkeiten eröffnet. Damit verbunden sind auch neue Dimensionen der politischen Kommunikation. Um diese sinnvoll zu nutzen, gilt es neben den Chancen des Cyberspace freilich auch seine Grenzen zu kennen.

Bei aller offenkundigen Bedeutung  des Internets spielt es nämlich für ein Drittel der deutsch­sprachigen Bevölke­rung über 14 Jahre immer noch keine wichtige Rolle: Fast 17 Prozent sind gar nicht online, weitere 18 Prozent sind nur gelegentlich im Netz. Das ist das Ergebnis der ARD/ZDF-Online-Studie 2016. Danach gehören knapp zwei Drittel der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahre zu den täglichen Internetnutzern.   

Gegenüber dem Vorjahr haben sich diese Zahlen kaum verändert. Es gab lediglich eine Verschiebung in der Art des Internetzugangs: Signifikant zugenommen hat die Nutzung des Smartphones (66 Prozent) gegenüber dem Laptop (57 Prozent), dem stationärem PC (44 Prozent) und dem Tablet-PC  (38 Prozent), wobei die Ausstattung mit mehreren Geräten bei Internetnutzern inzwischen der Regelfall ist. 

Die ARD/ZDF-Online-Studie 2016 belegt einmal mehr, dass wir es in Deutschland grundsätzlich mit einer dreifachen digitalen Spaltung zu tun haben: 

1. Digitaler Alltag vs. Netz-Distanz

Mehr als 11 Millionen Menschen der deutschsprachigen Bevölkerung über 14 Jahre haben keinen Netzzugang – sei es weil die technischen Voraussetzung fehlen, die entsprechenden Geräte nicht gekauft werden oder aus eigenem Antrieb auf die Nutzung verzichtet wird.  Bei den über 60-jährigen gehören zu dieser Gruppe über 40 Prozent. Weitere 13 Millionen Menschen nutzen ihren Internetzugang nicht häufig, sondern sind nur wöchentlich, monatlich oder noch seltener im Netz. Dazu gehören fast zwei Drittel der über 60-jährigen Onliner.
Für fast 25 Millionen Menschen in Deutschland gehört die Nutzung des Internets also nicht zum Alltag, sondern spielt eine Nebenrolle. Sie werden durch digitale Kommunikation praktisch nicht erreicht. 

2. Beruflich im Netz vs. internetferner Lebensalltag

Die ARD/ZDF-Online-Studie differenziert nicht zwischen beruflicher und privater Nutzung des Internets und verdeckt damit, dass die Art der beruflichen Tätigkeit erhebliche Auswirkungen auf die Internetaffinität hat. Dort, wo ein Internetzugang zum Arbeitsplatz gehört, ist die tägliche Internetnutzung praktisch vorgegeben. Berufsgruppen, die vom Altenpfleger über die Verkäuferin oder den Bauarbeiter bis zum Busfahrer an ihrem Arbeitsplatz keine ständige Zugangsmöglichkeit haben, sehen sich bei der Nutzung des Internets auf  das begrenzte Zeitbudget ihrer Freizeit beschränkt. Immerhin fast 2 Millionen von 40 Millionen Erwerbstätigen haben in Deutschland weder beruflich noch privat einen Internetzugang. 9 Millionen Berufstätige nutzen das Netz nur selten. Eine digitale Spaltung zwischen Bürotätigkeiten und anderen Berufsgruppen liegt auf der Hand. 
Zugleich zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen Berufstätigen und Nicht-Berufstätigen. Von den etwa 25 Millionen deutschsprachigen Einwohnern über 14 Jahre, die in Deutschland weder erwerbstätig noch in Ausbildung sind, nutzen nur 9 Millionen das Netz täglich. Ebenso viele haben keinen Netzzugang.

3. Digital souveräner Globalnutzer vs. selektiv aktiver Randnutzer

Die meisten Internetnutzer, die das Netz mindestens einmal wöchentlich nutzen,  beschränken ihre Onlinetätigkeit auf wenige Felder, insbesondere auf das Senden und Empfangen von E-mails (81 Prozent)  und die Nutzung von Suchmaschinen (83 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen die Nutzung von Instant-Messaging-Diensten wie Whats-App (68), das Betrachten von Videos (67 Prozent) und das Lesen von Artikeln (62 Prozent) im Netz. Nur knapp die Hälfte der Onliner (48 Prozent) verfolgt im Netz aktuelle Nachrichten oder nutzt Online-Nachschlagewerke wie Wikipedia (42 Prozent).
Die ganzen Bandbreite der Möglichkeiten im Internet bleibt dem Nutzungsverhalten einer Minderheit vorbehalten: Dazu gehören Chatten (38 Prozent), Online-Banking (34 Prozent), digitale Landkarten/Stadtpläne (26 Prozent), Ortungsdienste (21 Prozent), Online-Spiele (12 Prozent), Online-Shopping (12 Prozent) und die Teilnahme  an Internet-Foren teilnehmen (9 Prozent). 

Man darf beim Internet nicht übersehen, dass es  im Unterschied zum Konsummedium Fernsehen ein Aktivitätsmedium ist, dem deswegen na­türliche Grenzen in der Erreichbarkeit aller Bürger und der Nutzung durch alle Bürger gesetzt sind. Im Netz gilt: Wenn man nichts tut, dann tut sich nichts. 

Bemerkenswert ist im Übrigen, dass selbst Facebook nur etwa 40 Prozent der Onliner erreicht, die mindestens einmal wöchentlich das Internet nutzen. Andere Angebote wie Instagram (11 Prozent), Twitter ( 5 Prozent), Xing (3 Prozent) oder Linkedin (1 Prozent) erreichen nur verschwindend kleine Minderheiten. 

Angesichts dieses Befundes darf demokratisches politisches und staatliches Handeln für sich keine Dominanz oder gar Ausschließlichkeit der digitalen Welt zulassen. Freiheitliche Demo­kratie muss allen Bürgern den allgemeinen, unmittelbaren und gleichen Zugang zur politi­schen Arena garantieren: Es wäre fatal, wenn „demokratiefähig“ nur ist, wer im Internet surfen kann und will. 

Die nüchterne Analyse der Verankerung der digitalen Welt im Leben­salltag der Bürger bleibt ein zwingendes Grunderfordernis unseres demokratischen Alltages, das nicht unre­flektiertem Wunschdenken von Netzenthusiasten zum Opfer fallen darf. Zur Technikfaszination muss zwingend die Demokratiekompetenz kommen.

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