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SEINEM FÜHRUNGSVERSPRECHEN

wird Ampel-Kanzler Scholz nicht gerecht. Nicht nur herrscht in seiner Koalition Dauerstreit, auch außenpolitisch wird der durch seine Führungslosigkeit verursachte Flurschaden immer größer. 
SEINEM FÜHRUNGSVERSPRECHEN

 

 

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Stephan Eisel
Kanzler Scholz ist seinem Amt nicht gewachsen

“Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch” hatte Olaf Scholz bereits im Februar 2011 im Interview mit dem Berliner Tagesspiegel versprochen. Zwei Jahre zuvor war er Hamburger SPD-Vorsitzender geworden und hatte zugleich durch den Koalitionswechsel der CDU zur FDP sein Amt als Arbeits- und Sozialminister im Bund verloren. Im Herbst 2010 war die schwarz-grüne Koalition in Hamburg zerbrochen und bei den vorgezogenen Neuwahlen gewann Scholz als Spitzenkandidat dort die absolute Mehrheit. Die CDU verlor 20 Prozent der Stimmen.

Seitdem wird Scholz von seinem Führungsversprechen verfolgt, löst es aber als Bundeskanzler konsequent nicht ein. In der Ampel-Koalition geht es drunter und drüber. Öffentlich ausgetragener Streit ist Koalitionsalltag, ohne dass Scholz etwas dagegen tun will oder kann. Dabei wird immer wieder angeführt, dass es angeblich noch nie eine politisch so diverse Koalition im Bund gegeben habe wie die Ampel. Wer sich daran erinnert, dass Helmut Kohl eine Regierung mit der Spannbreite von Franz-Josef Strauß bis Hans-Dietrich Genscher geführt hat und Angela Merkel mit Kabinettsmitgliedern wie Horst Seehofer oder Guido Westerwelle zu tun hatte, kann diese Einordnung nicht nachvollziehen. Auch damals gab es teilweise erheblichen Streit, aber noch nie hatte ein Kanzler so wenig Autorität wie Scholz.

Im Herbst 2022 musste Scholz seine Minister Lindner und Habeck schriftlich (!) anweisen, wie sie sich im Streit um die Laufzeit von Kernkraftwerken zu einigen hätten. Zu einem solchen Mittel hatte noch nie ein Kanzler gegriffen, denn die im Grundgesetz verankerte Richtlinienkompetenz des Kanzlers basiert nicht auf einem formalen Akt, sondern auf politischer Autorität, die es erst gar nicht zu solchem formalen Vorgehen kommen lässt. Wenn das Wort eines Kanzlers nicht mehr ausreicht und er gegenüber dem eigenen Kabinett zur Feder greifen muss, hat er schon verloren.

Beim Heizungsgesetz hat es Scholz zugelassen, dass die Regierung einen Gesetzentwurf verabschiedete, von dem sich schon bei der Beschlussfassung im Kabinett die Regierungsmitglieder der FDP distanzierten. Bei der Kürzung der Zuschüsse für die Landwirtschaft hat Scholz den eigenen Landwirtschaftsminister Özdemir so desavouiert, dass dieser eigentlich hätte zurücktreten müssen. Die Liste solchen Führungsversagens in der eigenen Regierung ließe sich mit vielen Beispielen fortsetzen.

Dazu kommt das Versagen von Scholz, der Bevölkerung Orientierung zu geben. Statt mit Argumenten zu überzeugen, verweist er auf Meinungsumfragen. Scholz hat nicht verstanden, dass ein großer Unterschied besteht zwischen der Notwendigkeit “Dem Volk aufs Maul zu schauen” und der Verantwortung, den “Leuten nicht nach dem Mund zu reden”. Verantwortliche Politik kennt die Stimmung der Menschen und versucht sie von dem zu überzeugen, was man für richtig hält. Darin liegt der Kern politischer Führung und damit verändert man Umfragen, statt vor ihnen zu kapitulieren. Genau an diesem Punkt fehlt Scholz die Kanzlerreife.

Konrad Adenauer hat mehrfach Wahlen gewonnen, obwohl (besser: weil!) er sich populistischen Tagesstim­mungen nicht beugte. Soziale Marktwirtschaft oder Wiederbewaffnung und NATO-Mitgliedschaft waren höchst umstritten und stießen nach Meinungsumfragen auf klare Ablehnung. Legendär ist Adenauers Antwort an seinen Regierungssprecher Felix von Eckhardt, als dieser ihn mit Hinweis auf große Widerstände in der Bevölkerung vom Vorhaben der Wiederbewaffnung abbringen wollte, und „der Alte“ nur lapidar entgegnete: „Wir bleiben dabei, aber Sie haben jetzt mehr Arbeit.“ Ade­nauer brachte damit sein Politikverständnis auf den Punkt: Um Mehrheiten für die eigene Überzeu­gung zu werben und nicht die eigene Überzeugung nach tagesaktuellen Mehrheiten zu richten.

Auch Helmut Kohl stand nicht im Verdacht, der „Mode des Zeitgeistes“ – wie er es nannte – nach­zugeben. Natürlich interessierte er sich immer für die neuesten Umfrageergebnisse, aber sie waren für ihn eben nicht die Richtschnur seines Handelns. Kohl sagte dazu oft: „Ich gehöre nicht zu denen, die morgens den Finger nass machen, um zu sehen, woher der Wind weht und sich dann möglichst windschnittig aufzustellen.“ In Meinungsumfragen erschienen weder der NATO-Doppelbeschluss noch die Einführung des Euro mehrheitsfähig. Kohl hat sie trotzdem durchgesetzt und die Menschen mit seiner Konsequenz überzeugt.

Konrad Adenauer und Helmut Kohl hatten ein großes Kapital an Verlässlichkeit aufgebaut. Bei ih­nen wusste man, woran man war und wofür sie standen. Da mochte es noch so viel Kritik in Einzelfragen geben, für die meisten Menschen war aber beruhigend, dass – wie es ein Kohl-Kritiker einmal formulierte –, das “rote Telefon” bei ihnen auf dem Nachttisch stand. Im Blick auf Scholz löst diese Vorstellung bei vielen Menschen Beunruhigung aus, weil man bei ihm nicht weiß, woran man ist.

Das richtet insbesondere in der Außenpolitik erheblichen Schaden an, weil der unklare Kurs von Scholz bei unseren Freunden das Vertrauen in die Verlässlichkeit Deutschlands untergräbt. So ist das deutsch-französische Verhältnis inzwischen auf einem Tiefpunkt angelangt. Keiner der Vorgänger von Scholz hätte das zugelassen. Gerade angesichts des brutalen Angriffskriegs Putins gegen die Ukraine hoffen die Europäer auf klare Signale aus Deutschland.

Abgesehen von einer eindrucksvollen “Zeitenwenden-Rede”, der aber kaum Taten folgen, kommen aus dem Kanzleramt meist nur Nebelkerzen. So versteckt man sich hinter der irreführenden Behauptung, nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine zu sein. Das stimmt gleich in zweifacher Hinsicht nicht: Gemessen an der eigenen Wirtschaftskraft liegt Deutschland nämlich im unteren europäischen Mittelfeld. Es ist doch albern, die Hilfen einer der größten Volkswirtschaften der Welt mit absoluten Zahlen im Vergleich zu Lettland, Belgien oder Dänemark als überlegen darzustellen. Entscheidend ist die tatsächliche Wirtschaftskraft.

Außerdem rechnet Scholz die Unterstützung ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland einfach mit ein. Was auf diesem Gebiet geschieht, ist sicherlich eindrucksvoll, aber bei den Waffenlieferungen ist Deutschland auffallend zurückhaltend. Von den immer wieder angeführten 22 Mrd € für die Unterstützung der Ukraine sind nach Angaben der Bundesregierung bisher nur 7 Mrd. € für militärische Unterstützung ausgegeben worden. Dazu rechnet die Bundesregierung aber nicht nur Waffen, sondern auch Schneeketten und Nachtsichtbrillen. Man muss auch bei Waffenlieferungen nämlich ausleuchten, was mit den Milliarden eigentlich bezahlt wird. Dabei sind Waffensysteme aus Großbritannien, Frankreich und den USA für die Ukraine effizienter einzusetzen als viele aus Deutschland, wo dies im Kern nur für die Luftabwehr gilt. So sind bisher gerade einmal 18 Kampfpanzer Leopard 2 aus Deutschland in der Ukraine angekommen.

Jeder erinnert sich daran, dass die Scholz-Regierung bei fast jedem Waffensystem eine Lieferung zunächst ausgeschlossen und dann nur zögerlich geliefert hat. Teilweise ist das Versprochene immer noch nicht angekommen. Nicht nur angesichts der immer brutaleren russischen Angriffe drängt sich dabei fast der Eindruck unterlassener Hilfeleistung auf. Dafür liegt die unmittelbare Verantwortung im Kanzleramt, denn die zuständigen Fachminister drängen immer wieder auf mehr Schnelligkeit und größeren Umfang bei den Waffenlieferungen.

Scholz benennt dabei die Gründe für seine Zögerlichkeiten nicht offen und ehrlich, sondern verstrickt sich in immer mehr in Widersprüche. Exemplarisch wird das zur Zeit beim Thema “Taurus-Marschflugkörper” deutlich. Am 22. Februar 2024 beschlossen die Angeordneten der Koalitionsfraktionen im Bundestag die Lieferung “weit reichender Waffensysteme” in die Ukraine – viele in der Annahme, dies schließe den Taurus ein. Im Bundestag schwieg der Kanzler, um drei Tage danach vor Journalisten mitzuteilen, dass für ihn eine Taurus-Lieferung nicht in Frage komme.

Abgesehen von dieser bewußten Missachtung des Parlaments behauptete Scholz trotz gegenteiliger Aussagen aller Fachleute, man müsse zur Bedienung des Taurus deutsche Soldaten in die Ukraine entsenden. Scholz ignorierte dabei auch die Tatsache, dass an Südkorea 2016/17 fast 300 Taurus-Marschflugkörper geliefert wurden – natürlich, ohne dass deutsche Soldaten als Bedienungshelfer mitkamen.

Als die erste Begründung Nachfragen nicht standhielt, schob Scholz am 4. März als Begründung nach, man brauche deutsche Soldaten, um die Ukraine zu kontrollieren, damit diese Waffen nicht zu einem Angriff auf Russland eingesetzt werden. Dieses offene Mißtrauen gegenüber dem angegriffenen Land, das bei allen Waffenlieferungen die damit verbundenen vertraglichen Bedingungen penibelst eingehalten hat, löst nicht nur in EU und NATO allgemeines Kopfschütteln aus.

Schleunigst hieß es daraufhin, der Kanzler vollziehe mit seinem Nein zur Taurus-Lieferung nur, was die Deutschen in Meinungsumfragen kundtäten. Damit verweigert er erneut jene Führung, die Meinungsumfragen beeinflusst und unterwirft sich stattdessen volatilen Stimmungen. Dabei schürt Scholz z. B. mit Äußerungen über einen Atomkrieg immer wieder jene “german angst”, die in Meinungsumfragen ihren Ausdruck findet. Es wäre besser, wenn er sich an der Einsicht orientieren würde, die der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt 1933 in seiner ersten Antrittsrede formulierte: “The only thing we have to fear is fear itself.” Olaf Scholz ist seinem Amt als Bundeskanzler nicht gewachsen.

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