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KLARE WORTE FAND RHEIN-SIEG-LANDRAT

31. Juli 2011
Frithjof Kühn zu Versuchen den Sitz des Ver-teidigungsministeriums nach Berlin zu verlegen. Er lobte das eindeutige NEIN des NRW CDU-Landesvorsitzenden Norbert Röttgen zu einem solchen Bruch des Bonn-Berlin-Gesetzes und gab der Strategie des Verteidigungsministeriums, das Thema in Vier-Augen-Gesprächen abzuhandeln, eine klare Absage. Das war bitter nötig.
KLARE WORTE FAND RHEIN-SIEG-LANDRAT


Schon vor einige Tagen hatte ich darauf hingewiesen, dass es gefährlich ist, wenn sich die Vertreter der Region auf solche getrennten Gespräche einlassen. Meine Meinung zu dem Thema finden Sie hier.

Das vollständige Interview im General-Anzeiger finden Sie auch
hier.

Frithjof Kühn: "Alle Bundesländer müssten Partner sein" 

Am 30. Juli 2011 interviewte der General-Anzeiger den Landrat des Rhein-Sieg-Kreises. Mit frithjof Kühn sprachen Sylvia Binner und Ulrich Lüke.

Hier das Interview im Wortlaut:
 

General-Anzeiger: Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière arbeitet emsig daran, den Dienstsitz seines Ministeriums von der Hardthöhe nach Berlin zu verlegen. Was würde eine solche Entwicklung für die Region bedeuten?

Frithjof Kühn: Einen sehr gravierenden Präzedenzfall. Das wäre natürlich ein Vorbild für andere, von denen wir auch wissen, dass sie gerne den Dienstsitz ihres Ministeriums nach Berlin holen würden.

GA: Überall muss gespart werden. Ist das nicht auch für de Maizières Pläne ein gutes Argument?

Kühn: Das hat nichts mit Sparen zu tun. Wenn im Zuge der Bundeswehrreform Standorte verringert werden, dann müssten wir das tragen wie jede andere Region auch. Aber hier geht es um Gesetzestreue zum Bonn-Berlin-Gesetz. Und außerdem ist es ja so, dass die Verlagerung gar kein Geld spart. Die Kosten für einen Komplettumzug aller Ministerien werden mit drei bis fünf Milliarden Euro beziffert. Das macht, weil der Bund das aufnehmen muss, 250 Millionen Euro pro Jahr an Zins und Tilgung. Jetzt fallen dagegen neun Millionen Euro pro Jahr an Reisekosten an, mit sinkender Tendenz.

GA: De Maizière sagt, dass er mehr seiner Führungskräfte an der Spree braucht. Haben Sie dafür Verständnis?

Kühn: Dafür habe ich kein Verständnis. Auch ich muss innerhalb des Rhein-Sieg-Kreises unterwegs sein, wenn ich mein Amt als Landrat ausüben will. Da kann ich von einem Minister oder Staatssekretär auch erwarten, dass er zu seinem ersten Dienstsitz reist. Außerdem kann er sich seine Führungskräfte auch mal nach Berlin kommen lassen. Eine Reise von Bonn nach Berlin mit dem Flugzeug dauert kaum länger als eine Busfahrt durch Berlin.

GA: Wann ist für Sie der kritische Punkt erreicht?

Kühn: Der kritische Punkt ist erreicht, wenn die beabsichtigte Reduktion an ministeriellen Arbeitsplätzen ausschließlich zu Lasten Bonns geht. Zum Beispiel wenn 1 000 Stellen in Bonn abgebaut würden, aber kein Abbau in Berlin stattfände. Schon heute steht es bei den Arbeitsplätzen 8 000 zu 10 000 zugunsten von Berlin, obwohl das Gesetz sagt, die Mehrzahl soll in Bonn verbleiben. Wir wollen uns nicht als Erbsenzähler betätigen, aber irgendwann ist eine Grenze erreicht.

GA: Ist die Grenze erreicht?

Kühn: Ja, sie ist im Grunde schon erreicht.

GA: Zwischenzeitlich sah es so aus, als ob Sie einer der letzten seien, die den drohenden Rutschbahneffekt anmahnten. Anhand der Diskussion über die Hardthöhe haben sich die NRW-CDU unter Norbert Röttgen, aber auch die Fraktionen des Bonner Stadtrats und des Rhein-Sieg-Kreistags deutlich positioniert. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat an der Ahr versprochen, "am Ball zu bleiben". Sind die Reihen der Bonn-Befürworter geschlossen genug?

Kühn: Ich bin den Fraktionen im Bonner Rat und im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises dankbar für ihre Geschlossenheit in dieser Frage. Alle neun Fraktionen haben mitgemacht. Ich kann mich nicht erinnern, dass es so was schon mal gegeben hat. Und Ahrweiler ist nur deshalb nicht dabei, weil dort Ferien waren. Auch die eindeutige Unterstützung der NRW-CDU mit Norbert Röttgen an der Spitze begrüße ich. Röttgen hat Gewicht in der Bundespolitik, wie Frau Nahles in der SPD. Deshalb bin ich froh, wenn sie sich für die Region einsetzen. Aber ich erwarte auch, dass sich die Landesregierungen in Düsseldorf und Mainz genauso deutlich zugunsten der Region positionieren.

GA: Gilt die Geschlossenheit auch mit Blick auf den Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der im Juni gesagt hat: "Wir werden uns sicher nicht für alle Zeiten in allen Details auf das Bonn/Berlin-Gesetz berufen können. Entscheidend ist aber, dass für wegziehende Arbeitsplätze Ausgleich geschaffen wird."

Kühn: Das gilt ausdrücklich auch für den Bonner Oberbürgermeister. Es mag sein, dass er missverstanden worden ist oder sich zu konziliant ausgedrückt hat. Aber wir sind in der Sache vollkommen einig und stimmen uns eng ab.

GA: Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat vertraulich mit Bonns OB Nimptsch gesprochen, sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans unter vier Augen mit Ihnen. Welche Taktik verbirgt sich hinter diesem Vorgehen?

Kühn: Ich gehe davon aus, dass es das letzte Mal war, dass der Verteidigungsminister mit uns getrennte Gespräche geführt hat. Oberbürgermeister Nimptsch hat darauf gedrungen, dass ich bei dem Gespräch dabei bin, aber das Ministerbüro wollte es nicht. Nur aus Gründen der Höflichkeit habe ich das Gesprächsangebot mit Staatssekretär Beemelmans angenommen.

GA: Das lassen Sie sich nicht mehr bieten?

Kühn: Das lassen wir uns nicht noch einmal bieten. Wir werden uns nicht auseinanderdividieren lassen. Vielleicht herrschte im Ministerium die irrige Ansicht, die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis hätten verschiedene Interessenlagen in dieser Frage. Das ist nicht so, wir sind da einig.

GA: Glauben Sie, dass es auf Dauer gelingen wir, den Rutschbahneffekt zu verhindern?

Kühn: Ich vertraue darauf, dass die Bundesregierung und der Bundestag sich an das Bonn-Berlin-Gesetz halten. Man muss als Kommune wie als Bürger auf Recht und Gesetz vertrauen können.

GA: Ist es nicht unausweichlich, dass immer weniger Bundestagsabgeordnete sich an das Bonn-Berlin-Gesetz gebunden fühlen, weil immer mehr von ihnen die Bonner Republik nicht selbst miterlebt haben?

Kühn: Das ist so. Aber wenn jeder, der nicht genug Befürworter im Parlament hat, seine Rechte einbüßt, wären wir ein armes Land.

GA: Gibt es einen Plan B für den Fall, dass de Maizière sich durchsetzt?

Kühn: Wir stützen unsere Zukunftsperspektiven nicht nur auf das Bonn-Berlin-Gesetz, wir arbeiten auch an dem Bestand, den wir haben, und bauen auf unsere eigenen Kräfte. Anderes bleibt uns auch im Falle B nicht übrig. Die Tatkraft und der Fleiß der Menschen hier in der Region war nach der Bonn-Berlin-Entscheidung vorbildlich. Man muss bedenken: Was hier passiert ist, ist ein historisch einmaliger Fall. Aber ich würde es auch den Menschen in anderen Regionen zutrauen, einen solchen Strukturwandel zu bewältigen.

GA: In Berlin laufen bereits Vorbereitungen für die Unterbringung von Mitarbeitern der Hardthöhe, es gibt einen neuen Beauftragten für die Unterbringung.

Kühn: Ich kann ihm nicht viel Glück wünschen.

GA: Wer hat das letzte Wort in der Auseinandersetzung um die Hardthöhe?

Kühn: In der reinen Sitzentscheidung: die Kanzlerin.

GA: Haben Sie Kontakt?

Kühn: Nicht unmittelbar. Ich kann nur darauf vertrauen, dass sie sich an das Gesetz hält und das gegebene Wort gilt.

GA: Ist die so genannte Bundesamtslösung für Sie ein gangbares Modell?

Kühn: Ich kann so einer Überlegung folgen, wie sie schon Anfang der 90er Jahre diskutiert worden ist, aber Gott sei Dank nicht umgesetzt worden ist. Aber ein "Oberbehördenmodell" von Bundesbehörden ersetzt nicht die Politikbereiche. Dabei hängen an den in Bonn befindlichen Ministerien weitere Arbeitsplätze, zum Beispiel von ca. 600 Verbänden, die von den Politikbereichen Entwicklung, Umwelt, Gesundheit, Wissenschaft und Forschung abhängen. Im Zweifel sogar die UN. Das ist existenziell. Und damit sage ich deutlich: Die Qualität der Arbeitsplätze ist entscheidend. Das gilt auch für die Verteidiger.

GA: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie viel Bund gibt es 2020 in Bonn?

Kühn: Vielleicht etwas weniger als heute. Dafür mehr Substanz in anderen Gebieten. Meine Hoffnung ist aber, dass auch politisch erkannt wird, dass das Regieren an zwei Standorten nicht nur eine Belastung ist, sondern auch eine Chance. Auch große Unternehmen wählen ihre Standorte dort, wo die qualifizierten Arbeitskräfte sind. Und die gibt es in unserer Region! Stattdessen fallen wir in eine zentralistische Denkweise zurück, die nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden zu sein schien. Eigentlich müssten von daher alle Bundesländer unsere natürlichen Partner sein.

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