Volltextsuche:

HEINRICH CARL BREIDENSTEIN WAR

Beethovens Herold am Rhein. Der Hesse wurde 1823 erster Musikdirektor an der neu gegründeten Bonner Universität und dort 1826 wurde er zum ersten Professor der Musikwissenschaft im deutschsprachigen Raum ernannt. Beethovens Musik war bis dahin in Bonn weitgehend ignoriert worden, obwohl sie bereits die Konzertsäle in Europa erorberte.
Heinrich Karl Breidenstein (1796 - 1876) gemalt von Carl Wilhelm Tischbein (Beethoven-Haus Bonn)
Heinrich Karl Breidenstein (1796 - 1876) gemalt von Carl Wilhelm Tischbein (Beethoven-Haus Bonn)

 

 

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

 

 

 

Dieser Beitrag erschien am 8. Juli 2023 im General-Anzeiger Bonn.

 

 

 

Stephan Eisel
Beethovens Herold am Rhein

Vor 200 Jahren kam Heinrich Carl Breidenstein nach Bonn

In seiner Heimatstadt war Ludwig van Beethoven nach der Abreise 1792 weitgehend vergessen. Das änderte sich erst, als vor 200 Jahren Hein­rich Carl Brei­den­stein nach Bonn kam. Er war am 28. Februar 1796 im hessischen Stein­au in eine Musikerfamilie geboren und studierte Jura in Berlin und Philosophie in Heidelberg. Immer mehr wandte er sich dabei der Musik zu.

An der neuen Bonner Universität suchte man damals einen „akademischen Musiklehrer“. Breidenstein bewarb sich 1821 und trat die Stelle am 2. Juni 1823 an. 1826 wurde er zum ersten Professor der Musikwissenschaft im deutschsprachigen Raum ernannt.

Schon am 21. März 1824 führte Breidenstein in Bonn eine Beethovensche Sinfonie auf. Im gleichen Jahr setzte er sich beim Niederrheinischen Musikfest für eine Aufführung der ganz neuen 9. Sinfonie ein, aber gedruckte Noten lagen noch nicht vor. Am 23. Mai 1825 leitete dann der Bonner Ferdinand Ries, der von Beethoven selbst eine Abschrift der Partitur erhalten hat, in Aachen die erste Aufführung der Neunten im Rheinland.

Breidenstein schrieb dazu in einer anonymen Kritik für die „Allgemeine Musikalische Zeitung“: „Es ist nicht zu leugnen, daß dieses Finale mit seinen Chören der schwächere Teil des genialen Werkes ist. Zwar fehlen auch hier nicht einzelne unvergleichliche Stellen, aber dagegen – ich scheue mich nicht, es auszusprechen, denn gegen Beethoven nicht von Brust (frei heraus) zu reden, wäre unverzeihlich – fehlt es dem Ganzen an Haltung und Ausführbarkeit. … Trotzdem kann man von Beethoven sagen, was man von Händel gesagt hat: Auch in der Verirrung groß!“

Kurz darauf sorgte Breidenstein bei den Bonner Feiern zum Geburtstag des Königs für die Aufführung einer Beethoven-Sinfonie. Am 17. Dezember 1826 initiierte er das erste Konzert zum Geburtstag des Komponisten in seiner Heimatstadt. In diesem Rahmen wurde Beethovens schon 20 Jahre zuvor komponierte 4. Sinfonie wahrscheinlich zum ersten Mal in Bonn gespielt.

Im „Bonner Wochenblatt“ formulierte Breidenstein damals das Ziel,  „das hiesige musikliebende Publikum nach und nach mit den vorzüglichen neuern Symphonien und namentlich mit den Bethovenschen bekannt zu machen. Jedermann erkennt das Ausserordentliche, was Bethoven in diesem Fache geleistet hat, und er gilt mit Recht als der Stifter einer neuen, d.h. der neuesten Epoche der Instrumental=Musik, indem er die materiellen Kunstmittel auf eine Weise beschäftigt, welche seinen großen Vorgängern, Haydn und Mozart, zum Theil noch nicht gestattet war“.

Bei drei Winterkonzerten 1826/27 leitete Breitenstein dann die mutmaßlich ersten Bonner Aufführungen von Beethovens  8. und der 2. Sinfonie sowie der Fidelio-Ouvertüre.

Zugleich wurde er mit allerlei Streitigkeiten des zersplitterten Musiklebens konfrontiert und zog sich im März 1827 frustriert nach Ber­lin zurück.

Als Breidenstein Anfang 1828 nach Bonn zurückkehrte wurde er mit  bissigen Anzeigen von Karnevalisten im „Bonner Wochenblatt“ begrüßt. Dort hieß es, jede seiner Vorlesungen schließe „mit einem Tonstück, welches der Herr Professor selbst componiert und welches überall, wo es bisher aufgeführt wurde, nach Gebühr ausgepfiffen.“ Als spöttischer Witz kursierte die „Ex­amens­fra­ge“ nach dem mu­si­ka­lischs­ten und un­mu­si­ka­lischs­ten Stein: Das eine sei der Ba­salt (Bass-Alt), das andere  der Brei­den­stein.

Solche Anfeindungen gingen an Breidenstein nicht spurlos vorbei. Felix Mendelssohn-Bartholdy berichtete 1833 nach einem Besuch in Bonn, wie schwer erkrankt der „arme Breidenstein“ sei. Der Gründungsrektor der Bonner Universität Karl-Dieterich Hüllmann vermerkte im gleichen Jahr, Brei­den­stein be­fin­de „sich in gänz­li­cher öko­no­mi­scher Zer­rüt­tung und ist der Ver­zweif­lung na­he.“

1834 wurde zudem ein Brief bekannt, den der Komponist Carl Friedrich Zelter als Berater des preußischen Königs schon 1823 an Johann Wolfgang von Goethe geschrieben hatte. Zu Breidenstein ist darin von der „Unverschämtheit des jungen Gezüchts“ die Rede, das Mozart, Haydn und Händel in Frage stellen würde: „Ich werde ihm den Hals brechen, wenn er mir die guten alten Regeln breche.“

Trotz dieser Schwierigkeiten engagierte sich Breidenstein weiter vehement dafür, dass Beethoven auch in seiner Heimatstadt die angemessene Anerkennung findet. Er initiierte 1835 der „Bonner Verein für Beethovens Monument“ und dessen Spendenaufruf.

Als Franz Liszt erfuhr, dass nicht genug Geld zusammenkam, bot der Beethoven-Verehrer an, den fehlenden Betrag zu übernehmen. Breidenstein holte ihn 1839 als Ehrenmitglied in das Denkmalkomitee, dessen Vorsitzender er im Jahr zuvor geworden war. Ihm stellte Liszt im Sommer 1840 „bei Gelegenheit einer mit dem Comité unternommenen Lustfahrt nach Godesberg“ den entsprechenden Scheck aus. So konnte das Komitee einen Denkmal-Wettbewerb ausschreiben, den Ernst Julius Hähnel gewann.

Zugleich verpflichtete Breidenstein Liszt für die künstlerische Leitung des ersten Beethovenfestes mit der Enthüllung Beethoven-Denkmals am 12. August 1845. Breidenstein dirigierte beim Festgottesdienst im Münster Beethovens C-Dur-Messe und  komponierte für den Anlass  eine Festkantate. Er selbst bezeichnete sein Werk aber als „dieses unbedeutende, durch die Aufführung im Freien, unter dem lärmenden Geschrei von Tausenden und dem Geflatter von 40 von starkem Wind bewegten Fahnen ohnehin zum Opfertod bestimmte Stück.“ Auch Breidensteins Festrede ging im Lärm unter.

In fast allen Berichten über das erste Beethovenfest wird dem Denkmalkomitee vorgeworfen, mit der Organisation überfordert gewesen zu sein. Breidenstein war einmal mehr der Sündenbock.  Schon zuvor war in der Musikpresse zu lesen, die Bonner würden auf „Beethoven’s Geist und Charakter nicht viel“ geben. Dabei hatte Breidenstein 1843 den „Bonner Orchesterverein“ ins Leben gerufen, mit dem er zahlreiche Werke von Beethoven aufführte.

Seine konservativen Kritiker standen auch hinter der scharfen anonymen Kritik, die im Oktober 1844 in einer Kölner Zeitschrift veröffentlicht wurde: „Was ist es also, dass wir nicht vom Fleck kommen? Wo liegt der Hemmschuh, der sich an Aller Wollen hängt ? Sagen wir es frei heraus, es ist unsere oberste musikalische Behörde und ihr erstes Organ, der Universitätsdirektor Dr. und Professor B. Ein breiter Stein, über den wir Alle, Jung und Alt, nicht hinüberkommen können.“ Ausgerechnet ihm wurde vorgeworfen: „Eine Stadt, die sich rühmt, die Vaterstadt Beethoven’s zu sein, kennt nicht dessen Werke …“

Nach der Denkmalenthüllung zog sich Breidenstein weitgehend zurück. Für das zweite Beethovenfest zum 100. Geburtstag des Komponisten wurde 1869 Jo­seph von Wa­sie­lew­ski als städ­ti­schen Mu­sik­di­rek­tor berufen. Ihn wollten Breidensteins Gegner auch als Universitätsmusikdirektor durchsetzen. Ein Antrag auf dessen Zwangspensionierung scheiterte zwar 1875, im Mai 1876 reichte der Hochbetagte aber selbst sein Ab­schieds­ge­such ein.

Am 12. Juli 1876 ver­starb Heinrich Carl Brei­den­stein nach einem Schlag­an­fall. Er wurde auf dem Alten Friedhof bestattet, wo die „Fördergesellschaft des Alten Friedhofs“ mit Spenden und Unterstützung der „Bürger für Beethoven“ jetzt die Restaurierung des Grabes realisieren konnte.

RSS

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD
Dreimal "Beethoven in Bonn" von Stephan Eisel:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert, 2020) 34,90 €
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung, 2020) 8,99 €
Aktuell: Bonn und Beethovens Neunte (Taschenbuch, 166 Seiten bebildert (106 Seiten plus. engl. Übersetzung, 2024) 12,99€

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
03. Apr 2024

DIE NÄCHSTE BUNDESTAGSWAHL WIRFT

ihre Schatten voraus. 2024 steht schon die Kandidatenaufstellung an. Für die CDU in Bonn möchte der Mediziner Prof. Dr. Hendrick Streeck antreten. Hier finden Sie seine Begründung für diese Bewerbung und warum er dabei vom ehem. Bonner MdB Stephan Eisel unterstützt wird. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
01. Aug 2023

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…