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Stephan Eisel
Die Gefahr eines Bonn-Vertrags
Die Forderung nach einem Staatsvertrag zur Bonn-Berlin-Thematik ist eine nicht mehr hinterfragte Forderung der Bonner Kommunalpolitik. Darin kommt auch eine selbstfokussierte Tunnelperspektive zum Ausdruck, denn wer den Blick etwas weitet, registriert auch warnende Stimmen. Erst am 14. Januar 2021 sagte Norbert Röttgen im General-Anzeiger zur Vertragsidee: „Ich muss gestehen, dass ich von Anfang an gegenüber diesem Ansatz skeptisch war.“ Für diese Skepsis gibt es gute Gründe.
Der Vorschlag eines Bonn-Vertrages geht zurück den damaligen Oberbürgermeister Nimptsch (SPD), der schon 2012 öffentlich vorschlug, das Berlin-Bonn-Gesetz durch einen Vertrag zu ersetzen. Das hat der Rat am 28. Juni 2012 mit großer Mehrheit und den Stimmen der SPD als Alleingang des Oberbürgermeisters zurückgewiesen und gerügt.
Um das Thema ernsthaft zu betrachten, muss man 30 Jahre zurückblicken: Am 20. Juni 1991 beschloss der Deutsche Bundestag mit nur 338:320 Stimmen, dass im Rahmen einer „fairen Arbeitsteilung“ neben dem Parlamentssitz lediglich „der Kernbereich der Regierungsfunktionen in Berlin angesiedelt wird.“ In der zwölfstündigen Bonn-Berlin-Debatte mit 104 Rednern unterstrichen auch prominente Berlin-Befürworter den Kompromisscharakter ihres Antrages. Willy Brandt plädierte für „Bonn neben Berlin“ und Lothar de Maiziere sagte: „Ich gehöre zum Lager der Berlin-Befürworter; dennoch spreche ich mich für einen Konsens aus oder für einen Kompromiss oder, wie der Jurist sagt, für den im Wege gegenseitigen Nachgebens gefundenen Vergleich.“ Nur so kam die knappe Berlin-Mehrheit zustande.
Zur rechtlichen Umsetzung dieses Beschlusses verabschiedete der Bundestag am 26. April 1994 das Berlin-Bonn-Gesetz. Artikel 1 bestimmt als Zweck dieses Gesetzes, „die Wahrnehmung von Regierungstätigkeiten in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn zu sichern.“ Dies solle geschehen durch „eine dauerhafte und faire Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn“.
Auf dieser Grundlage regelt Artikel 4 des Berlin-Bonn-Gesetzes: „Bundesministerien befinden sich in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn. … Die in der Bundesstadt Bonn verbleibenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundeshauptstadt Berlin erhalten. Die ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin nehmenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundesstadt Bonn behalten.“ Darauf beruht die seit fast 30 Jahren erfolgreiche Praxis von acht Bundesministerien mit erstem Dienstsitz in Berlin und sechs Ministerien mit erstem Dienstsitz in Bonn.
Leider gehört es auch zur Wahrheit, dass einige Bundesministerien eine wichtige Vorgabe des Berlin-Bonn-Gesetzes unterlaufen. Nach dem Gesetz soll nämlich die Organisation der Bundesregierung „so gestaltet werden, dass insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt“ (Artikel 4 Abs. 3). Der Verstoß gegen diese Vorgabe ist allerdings weder durch Gesetz noch durch Vertrag zu verhindern. Beide können nämlich die im Grundgesetz (Art. 64) verankerte Organisationshoheit der Bundesministerien nicht einschränken.
Dass von den ca. 20.000 in Bundesministerien Beschäftigten (davon ca. 12.500 Beamte) nur noch 7.000 (also etwa 35 %) in Bonn arbeiten (ca. 4.500 Beamte und 2.500 Tarifbeschäftigte, beschädigt als Gesetzesverstoß die Glaubwürdigkeit von Politik. Allerdings gibt es hier seit einigen Jahren keine wesentlichen Veränderungen mehr. Allein die Bundesministerien sind nach Universität, Telekom und Post der viertgrößte Arbeitgeber in Bonn. Der Bund – also mit den obersten Bundesbehörden usw. – ist Bonns größter Arbeitgeber. Wer das im Gesetz festgeschriebene Etikett „Bundesstadt“ aufgeben will, vergisst das.
Vor allem zwei Gründe sprechen dagegen, durch einen Bonn-Vertrag das Bonn–Berlin-Gesetz anzutasten:
1) Nur durch ein Bundesgesetz – also durch den Deutschen Bundestag - ist zu regeln, dass Bundesministerien ihren Sitz in Berlin und Bonn haben. Ein Vertrag kann das schon aus rechtlichen Gründen nicht leisten. Wer das Gesetz antastet, gibt das Grundprinzip von Bonn als zweitem Regierungssitz auf. Damit würde sehr vielen nationalen und internationalen Einrichtungen das Fundament für ihren Bonner Standort entzogen.
Das Beispiel „Wissenschaftsstandort“ zeigt anschaulich, was auf dem Spiel steht: Zur Zeit haben u.a. die Hochschulrektorenkonferenz, die Kultusministerkonferenz, die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Helmholtz-Gemeinschaft und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ihren Sitz in Bonn. Es ist schlicht naiv zu glauben, dass solche Einrichtungen ohne Dienstsitz des zuständigen Ministeriums auf Dauer in Bonn bleiben. Ähnliches gilt für das Nord-Süd-Zentrum ohne Dienstsitz des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Langfristig riskiert man ohne Ministerium sogar den UN-Standort.
Mit der Umwandlung von Ministeriumsarbeitsplätzen in Obere Bundesbehörden ist nicht zu erreichen, dass Bonn das „zweite bundespolitische Zentrum“ Deutschlands bleibt.
Zur dauerhaften Sicherung des Standorts Bonn für nationale und internationale Einrichtungen kommt es auch darauf an, was auf dem Türschild steht: Verwaltungsbehörden haben auch nicht entfernt die Bindungskraft eines ersten oder zweiten Ministeriumssitzes. Es wäre deshalb fahrlässig, die im Gesetz festgeschriebene Aufteilung der Ministerien und z. B. die zweiten Dienstsitze von Ministerien in Bonn aufzugeben. Ein Bonn-Vertrag bedeutet aber zwangsläufig eine Änderung des Berlin-Bonn-Gesetzes und damit übrigens auch völlig unkalkulierbare Änderungsinitiativen der Berlin-Lobby im Bundestag.
2) Wer Verträge verhandeln und abschließen will, sollte das nur tun, wenn er eine starke Verhandlungsposition hat. Gewichtig ist aber nur, was Bonn aufgeben könnte - nämlich das Berlin-Bonn-Gesetz. Der Bund als Verhandlungspartner kann dafür nichts ähnlich Gewichtiges bieten. Bonn hätte also eine sehr schwache Verhandlungsposition.
Durch die Föderalismuskommission sind die Standorte aller wichtigen Bundeseinrichtungen vergeben, jede neue Einrichtung unterliegt im Blick auf den Standort dem Wettbewerb von 16 Bundesländern. Auf die Standorte internationaler Institutionen und deren Nachhaltigkeit hat der Bund nur sehr begrenzten Einfluss. Den Wegzug von Einrichtungen wie der Hochschulrektorenkonferenz könnte der Bund zudem nicht verhindern. Eine nennenswerte finanzielle Entschädigung für den Komplettumzug der Ministerien (für den Teilumzug 1999 waren es 1,4 Milliarden Euro!) ist politisch illusorisch und reine Träumerei. Sie würde auch den dauerhaften Verlust vieler tausend Arbeitsplätze nicht nachhaltig ausgleichen. Und schließlich: Ein Vertrag wäre ebenso wenig wie ein Gesetz davor gefeit, unterlaufen zu werden.
Wer einen Bonn-Vertrag vorschlägt, spielt also mit dem Feuer. Bonn und die Region würden durch eine solche Strategie seine Position nur schwächen. Das Berlin-Bonn-Gesetz mit der Aufteilung der Ministerien hat sich im Alltag bewährt. Die durch die Corona-Krise beschleunigte Digitalisierung hat zusätzlich bewiesen, dass es keinen Grund gibt, die im Gesetz festgeschriebene Aufteilung der Ministerien zur Disposition zu stellen.
Daran ändert auch der begehrliche Blick von manchen in Rat und Verwaltung auf eventuelle – tatsächlich aber in nennenswerter Höhe völlig illusorischen – finanzielle Kompensationen nichts. Solche Mittel verschwinden schnell im kommunalen Alltag und können die strategische Stärke nicht ersetzen, die das Berlin-Bonn-Gesetz für Bonn garantiert. Dieses Gesetz darf Bonn nicht zugunsten eines Vertrags zur Disposition stellen. Es bleibt auch nach der Bundestagswahl 2021 wichtig, dass erneuert wird, was jetzt im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht: „Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.“ Mit den möglichen Koalitionspartner FDP und Grüne wird darüber sowieso hart zu verhandeln sein, denn im Unterschied zur Union und SPD treten deren Bundesparteien für einen Komplettumzug ein – den wiederum das Gesetz verhindert, wenn man es nicht antastet.
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die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.