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EINE ANALYSE DER WAHLEN

02. Juni 2014
zum Europaparlament und zum Bonner Stadtrat, die zugleich am 25. Mai stattfanden, lenkt den Blick auf zehn Auffälligkeiten. Nicht zuletzt erschwert der Wegfall jeder Sperrklausel die Arbeitsfähigkeit beider Parlamente. In Bonn kommt es jetzt auf stabile Verhältnisse an.
EINE ANALYSE DER WAHLEN

 

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Bonn und Europa haben gewählt 

Eine Wahlanalyse in zehn Punkten

Am 25. Mai 2014 fanden gleichzeitig die Europawahlen und die Bonner Kommunalwahlen statt. Bei einer Analyse der Ergebnisse fallen zehn Punkte ins Auge: 

1. Das undifferenzierte Gerede vom ständigen Absinken der Wahlbeteiligung als einem Krisenzeichen der repräsentativen Demokratie ist erneut widerlegt. Bei der Europawahl in Deutschland ist die Wahlbeteiligung um 4,9 Prozent auf 48,1 Prozent gestiegen. In ganz Europa lag sie bei der 43,9 Prozent (2009: 43) mit den Spitzenreitern Belgien (90), Malta (74), Italien (60) und Griechenland (58), allerdings auch katastrophalen Beteiligungen in der Slowakei (13), Tschechien (19) und Polen (22). Bei der Bonner Kommunalwahl stieg die Wahlbeteiligung leicht um 0,8 auf 56,8 Prozent und blieb auf dem üblichen Niveau. 

2. Sowohl im Europaparlament als auch im Bonner Stadtrat hat es problematische Folgen, dass Landes- bzw. Bundesverfassungsgericht jede Sperrklausel abgeschafft haben. Der Bonner Stadtrat wurde damit auf 86 Sitze aufgebläht, die sich zehn verschiedene Parteien teilen. Die Grenze der vernünftigen Arbeitsfähigkeit ist damit längst erreicht. Schon 2.000 Stimmen reichten für einen Ratssitz. Ins Europaparlament wurden aus Deutschland 13 verschiedene Parteien gewählt, darunter die Tierschutzpartei, der „Partei“, der Familienpartei und die ÖDP, die wegen mangelnder Wählerunterstützung in keinem deutschen Parlament vertreten sind. 

3. Gewinner der Europawahl sind in Deutschland gemessen am Ergebnis von 2009 die AfD (+7) und die SPD (+6,5), Verlierer sind die FDP (-7,6) und die CSU (-7,5). Allerdings blieb die CDU schon alleine mit 30 Prozent der Stimmen deutlich vor der SPD (27,39), gemeinsam lagen CDU/CSU mit 35,3 Prozent trotz der spürbaren CSU-Verluste klar vorne. Dass die CSU in Bayern nur noch 40,5 Prozent erreichte, war die Quittung für den gleichzeitig europafreundlichen – und skeptischen Kurs.

4. Der Europa-Wahlkampf mit Spitzenkandidaten hat sich bewährt, wobei uns in Deutschland zugute kam, dass die der großen Parteienfamilien alle deutschsprachig waren. Die EVP aus Christdemokraten und Konservativen verlor im Europaparlament zwar Sitze, wurde aber deutlich stärkste Fraktion. Damit ist Jean-Claude Juncker klarer Wahlsieger mit dem Anspruch auf das Amt des Kommissionspräsidenten. Es ist schädlich, wenn einige Staats- und Regierungschefs dies zu unterlaufen versuchen, denn der Kommissionspräsident wird letztlich vom Europaparlament gewählt. Den Sozialdemokraten ist anzurechnen, dass sie den Sieg von Juncker schnell anerkannt haben und damit verhinderten, dass das Europaparlament geschwächt wird. Dazu hat wohl auch beigetragen, das ihr Spitzenkandidat Martin Schulz mit seinem Abschlussslogan („Nur wenn Sie Martin Schulz und die SPD wählen, kann ein Deutscher Präsident der EU-Kommission werden“) eine im Blick auf die europäische Idee inakzeptable „nationale Karte“ gezogen hat. 

5. Bisher gab es im Europaparlament acht Fraktion. Um diesen Status zu erreichen, müssen sich 25 Abgeordnete aus sieben verschiedenen Ländern zusammenschließen. Da 60 der 751 Europaabgeordneten bisher noch keiner Fraktion zuzurechnen sind und einige die Fraktion wechseln wollen, ist im Blick auf die künftigen Stärkeverhältnisse noch einiges im Fluss. Allerdings muss man davon ausgehen, dass etwa zehn Prozent der Abgeordneten einem Parlament angehören, dass sie abschaffen wollen. Mit diesen Europagegner muss man sich deutlicher auseinandersetzen als bisher. 

6. Im Bonner Stadtrat sind mit 36 von 86 Stadtverordneten fast die Hälfte der Mandatsträger neue Mitglieder. Insbesondere bei CDU (13 von 27) und SPD ( 9 von 20) ist der Anteil neuer Stadträte besonders hoch. Das birgt durchaus Chancen auf frischen Wind und das Überwinden lange eingeübter Schaukämpfe. 

7. Dass die CDU bei der Ratswahl vom niedrigen Niveau 2009 noch einmal um 2,4 Prozent auf jetzt 30,4 Prozent abrutschte, gibt Anlass zur Sorge. Das sind sechs Prozent weniger als bei der Bundestagswahl vor einem halben Jahr und liegt erneut unter dem Landestrend. Offenbar es es nicht wirklich gelungen, das eigene Profil der schwarzgrünen Zusammenarbeit den Bürgern zu vermitteln. In den Stadtbezirken fällt auf, dass in Beuel( -0,5) und auf dem Hartberg (-0,5) praktisch keine Stimmen verloren wurden. Der große Stadtbezirk Bonn bestimmte den Trend (-2,7) und in Godesberg waren die Verluste überdurchschnittlich (-4). Insbesondere in der Bezirksvertretung Bad Godesberg war der Verlust dramatisch (-9,4). Da sie jeweils stärkste Partei wurde, wird die CDU aber statt bisher zwei künftig mindestens wieder drei Bezirksbürgermeister stellen und hat auch in Bonn eine reale Chance, das Amt zu erobern. 

8. Wie alle anderen Parteien lag die CDU bei der Kommunalwahl in etwa auf dem Niveau der Europawahl. Das gilt nicht für die SPD: Sie erreichte bei der Ratswahl fünf Prozent weniger Stimmen als bei der gleichzeitigen Europawahl. Das heißt, dass ca. 13.000 Bonner Wähler, innerhalb von wenigen Minuten für Europa der SPD die Stimme gaben, aber der Bonner SPD nicht. Am ehesten hatte dies wohl damit zu tun, dass dies bei dieser Wahl die einzige Möglichkeit war, ein Votum zum SPD-Oberbürgermeister abzugeben. Es wird interessant sein, wie die SPD mit diesem OB-Malus umgeht.

9. Kommunalwahlen sind vor allem Personenwahlen. Der Wähler hat nicht die Chance, mit Erst- und Zweitstimme zwischen Person und Partei zu differenzieren und letztlich scheinen die örtlichen Kandidaten den Ausschlag zu geben. So kommt es, dass in Röttgen der FDP-Kandidat mit sensationellen 64,8 Prozent und in Endenich der grüne Kandidat mit beachtlichen 37,4 Prozent ihren Wahlkreis gewannen. Bei der CDU haben mit Fraktionschef Klaus-Peter Gilles (+2,8) und dem Beueler Reinhard Limbach (+1,1) nur zwei wiederkandidierende Ratsmitglieder Stimmen dazu gewonnen. Alle anderen Zugewinne kamen von neuen Kandidaten mit dem Spitzenreiter Holger Henges (+6,3) in Lessenich/Dransdorf, wo ein prominenter SPD-Kandidat nicht mehr angetreten war. Die größten Verluste musste die CDU in Auerberg/Graurheindorf (-8,4) und Heiderhof/Muffendorf hinnehmen, wo mit Annette Schwolen-Flümann und Wolfgang Maiwaldt populäre Stadträte nicht mehr antraten. Dass die CDU in ihrer einstigen Hochburg Röttgen nur 11 Prozent (472 Stimmen bei 4.100 Wählern) erhielt, ist desaströs. Dies alleine hat im Gesamtergebnis mindestens einen Sitz gekostet.

10. Dieser Rat wird (ausnahmsweise) sechs Jahre bis 2020 im Amt sein, damit dann OB- und Ratswahlen wieder gemeinsam stattfinden können. Umso wichtiger sind stabile Konstellationen, bei denen man sich nicht von unkalkulierbare Splittergruppen abhängig machen sollte. Nach Lage der Dinge kommen nur eine „große“ Koalition aus CDU und SPD (47 von 86 Sitzen) oder ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP (50 von 86 Sitzen) in Frage. Eine Konstellation aus SPD, Grünen und FDP hätte nur mit der Stimme des Oberbürgermeisters eine Mehrheit. Sollte es zum „Jamaika-Bündnis“ kommen, muss deutlicher werden, dass der bürgerliche Teil aus CDU und FDP das Sagen hat, denn diese Parteien haben mehr als doppelt so viele Sitze als die Grünen. Auch in einer „großen“ Koalition kommt der CDU die Führungsrolle zu. Davon muss sie in jeder künftigen Koalition stärker Gebrauch machen als in den letzten Jahren.   

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