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Demoskopisch auserwählt statt demokratisch gewählt ?
Meinungsumfragen aus Entscheidungsangst sind keine Bürgerbeteiligung
In Bonn kam es im Juni 2013 unter der irreführenden Überschrift „Bürgerbeteiligung“ zu einem einmaligen, aber nicht nachahmenswerten Vorgang: Statt einer Ratsentscheidung soll das Ergebnis einer telefonischen Meinungsumfrage eine wichtige kommunale Frage entscheiden. Die Stadtverwaltung teilte der Bürgerschaft schon zu Beginn der Umfrage in einer offiziellen Verlautbarung mit: „Das Ergebnis der Befragung wird Grundlage der Ratsentscheidung“. Und nach Bekanntgabe der Ergebnisse erklärte die Ratsmehrheit aus CDU und GRÜNEN: „Wir respektieren die Meinung der Bürger.“ Daran irritiert nicht nur die unreflektierte Gleichsetzung der „Bürgermeinung“ mit den Ergebnissen einer Telefonumfrage, sondern der Bonner Stadtrat hat damit wohl auch als erstes gewähltes Parlament in Deutschland eine Entscheidung direkt vom Ergebnis einer Meinungsumfrage abhängig gemacht.
Eigentlich gehört es zur Standardkritik an politischen Entscheidungsträgern, dass sie „Politik nach Meinungsumfragen“ machen, sich damit in die Abhängigkeit von sachlich wenig fundierten Tagesstimmungen begeben und so ihrer vom Wähler übertragenen Verantwortung nicht gerecht werden. Im vorliegenden Fall hatten sich die kommunalpolitisch Verantwortlichen über alle Parteigrenzen hinweg in einer jahrelangen Debatte nicht in der Lage gesehen, einen Beschluss zum städtischen Bäderkonzept zu fassen. Aber ist in einem solchen Fall der Entscheidungsverweigerung oder –unfähigkeit gewählter Mandatsträger eine Meinungsumfrage wirklich ein seriöses Angebot der Bürgerbeteiligung?
Zur „Wahl“ standen in der Telefonumfrage zwei Modelle: Ein „Bestandsmodell“ sah bei Erhöhung der Eintrittspreise den Erhalt aller Hallenbäder in der Stadt vor, das „Veränderungsmodell“ ging von der Schließung eines Hallenbades aus und fragte danach, welches dies sein solle.
Zunächst stellt sich natürlich die Frage, ob tatsächlich davon auszugehen ist, dass zufällig ausgewählte Teilnehmer einer Telefonumfrage sich mit den komplexen Entscheidungsgrundlagen so vertraut machen wie das von gewählten Mandatsträgern erwartet werden kann. Die Grundinformationen zum Thema wurden von der Verwaltung in einer achtseitigen Zeitungsbeilage dargestellt. Im Internet werden über 60 Seiten zur Lektüre angeboten. Die Zugriffszahlen lagen dort freilich sehr niedrig. Unter Einschluss von Mehrfachzugriffen und Ortsfremden riefen deutlich weniger als die 2500 telefonisch befragten Bürger online Informationen zu einzelnen Bädern ab. 80 Personen beteiligten sich an der vierwöchigen Online-Debatte, 43 Bürger nahmen an einer Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung teil.[1]
Das Ergebnis der Telefonbefragung fiel knapp aus.[2] Danach sprachen sich (bei einer statistischen Fehlermarge von +/-2 Prozent) 51,7 Prozent der Befragten für das „Veränderungsmodell“ und 44,7 Prozent für das „Bestandsmodell“ aus.
Die Zustimmung zur Schließung eines der vier zur Auswahl stehenden Bäder lag aber nur zwischen 16,1 Prozent und 27,5 Prozent und erbrachte in keinem Fall eine Mehrheit. In den einzelnen sehr unterschiedlich großen Stadtbezirken wurde von der großen Mehrheit nach dem St.-Florians-Prinzip immer die Schließung der Bäder in den anderen Stadtbezirken vorgeschlagen. Die erste politische Bewertung der Ergebnisse fiel deshalb völlig kontrovers aus, zu einer „Befriedung“ der komplizierten Bäderdiskussion tragen die Ergebnisse der Telefonumfrage jedenfalls nicht bei.
Wer in der Telefonumfrage „die Meinung der Bürger“ zu erkennen glaubt und diese respektieren will, kann nur die Widersprüchlichkeit des Ergebnisses festhalten: Eine knappe Mehrheit plädiert zwar abstrakt (“Veränderungsmodell“) für die Schließung eine Hallenbades, aber für einen konkreten Schliessungsvorrschlag findet sich jeweils nur eine kleinere Minderheit. Wäre konkret abgefragt worden, ob man für oder gegen die Schließung eines bestimmten Bades wäre, hätten sich mit Sicherheit jeweils deutliche Mehrheiten gegen jede vorgeschlagene Schließung ergeben.
Die Telefonumfrage zum Bäderkonzept gehört zu einer Reihe untauglicher plebiszitärer Versuche in Bonn. 2011 wurde ein „Online-Bürgerhaushalts“ mit ca. 11.000 e-mail-Anmeldungen-Registrierungen durchgeführt. Die Stadtverwaltung musste allerdings einräumen, dass Mehrfachanmeldungen möglich waren und 30 Prozent der Teilnehmer entweder nicht in Bonn wohnten oder keine Angaben zum Wohnort gemacht haben. Bei jeweiligen Sparvorschlägen lag die Zustimmung jeweils deutlich unter der Zahl der ehrenamtlichen kommunalen Mandatsträger. Trotzdem wurde der „Online-Bürgerhaushalt“ 2012 wiederholt. Jetzt wurden nur noch 1.740 e-mail-Adressen registriert. Selbst wenn man dahinter ausschließlich Bonner Bürger vermutet, lag die Beteiligung damit bei nur 0,7 Prozent der Abstimmungsberechtigten. Das Verfahren war endgültig gescheitert. Den städtischen Steuerzahler hatte das Online-Experiment ca. eine halbe Million Euro gekostet.
Die Telefonumfrage zum Bäderkonzept ist auch eine Reaktion auf dieses Scheitern. Der Bonner Oberbürgermeister hat zudem vorgeschlagen, mit der Bundestagswahl 2013 in einem Plebiszit darüber entscheiden zu lassen, ob bei Oper und Schauspiel zugunsten freier Kultur und Sport gekürzt werden solle. Als Bonner Kulturverbände alternativ vorschlugen, danach zu fragen, ob Verkehrskreisel zugunsten der Jugendarbeit in Kultur und Sport verzichten solle, wurde die Absurdität der OB-Vorschlags deutlich: Wer bei solchen plebiszitären Abstimmungen die Frage formuliert, bestimmt das Ergebnis.
Mit tatsächlicher Bürgerbeteiligung hat die eindimensionale Forderung nach häufigeren Plebisziten nichts zu tun. Dahinter stehen oft andere Motive:
Gewählte Mandatsträger versuchen zu vermeiden, wofür sie gewählt wurden: Entscheidungen zu treffen anstatt ihnen auszuweichen! Dazu gehört natürlich der ständige Dialog mit den Bürgern, um vor der Entscheidung alle Argumente und Sichtweisen zu kennen: Aber die Entscheidungsverweigerung zu Lasten der Bürger kann für sich nicht in Anspruch nehmen, Bürgerbeteiligung zu sein.
Der britische Abgeordneter und Staatsphilosoph Edmund Burke hat es 1774 in einer Rede an seine Wähler so ausgedrückt: „Es sollte das Glück und der Ruhm eines Volksvertreters sein, in engster Verbindung, völliger Übereinstimmung und rückhaltlosem Gedankenaustausch mit seinen Wählern zu leben. … Doch seine unvoreingenommene Meinung, sein ausgereiftes Urteil, sein erleuchtetes Gewissen sollte er weder euch, noch irgendeinem Menschen oder irgendeiner Gruppe von Menschen aufopfern … Euer Abgeordneter schuldet euch nicht nur seinen ganzen Fleiß, sondern auch einen eigenen Standpunkt; und er verrät euch, anstatt euch zu dienen, wenn er ihn zugunsten eurer Meinung aufopfert.“
[1] http://www.bonn.de/tourismus_kultur_sport_freizeit/topthemen/14667/index.html?lang=de
[2] http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/20752/ssoar-zuma-2005-57-meier_et_al-steigerung_der_ausschopfungsquote_von_telefonumfragen.pdf?sequence=1
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die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.