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DIE ABSTIMMUNG IM BUNDESTAG

zur Impfpflicht am 7. April 2022 geriet zum Fiasko, weil die Befürworter der Impfpflicht zwar in der Mehrheit waren, sich aber durch taktische Spielchen gegenseitug blockierten. Darüber freuten sich die Impflicht-Gegner, die bei FDP und AfD das Sagen hatten.
DIE ABSTIMMUNG IM BUNDESTAG

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Stephan Eisel 

Impfpflicht-Debakel durch Parteien-Gezänk

Deutschland wird wie in den letzten beiden Jahren weitgehend unvorbereitet sein, wenn eine neue Corona-Welle das Land treffen sollte. Das liegt insbesondere an einer im Vergleich zu anderen vergleichbaren Ländern niedrigen Impfquote. 

 

Einmal geimpft

Zweimal geimpft

geboostert

Portugal

93,6%

91,3 %

60,3 %

Spanien

87,3%

85,2 %

51,8 %

Italien

85 %

85 %

64,9 %

Frankreich

84,1 %

80,6 %

55,6 %

Dänemark

83,1 %

81,3 %

62 %

Finnland

81,5 %

77,9 %

51,6 %

Irland

81,4%

80,1 %

57,9%

Norwegen

80,4%

74,8 %

54 %

Belgien

80,1 %

79,2 %

63,3 %

Vereinigtes Königreich

78,7%

73, %

57,7 %

Deutschland

76,5%

75,9%

58,5 %

Stand 28. März 2022 (Quelle Bloomberg/Statista)

Österreich und Schweden liegen in etwa gleichauf mit Deutschland. Griechenland, die Schweiz, die baltischen Länder, Ungarn und Polen haben eine etwas schlechtere Impfquote.

Alle Experten sind sich einig, dass die Impfung für den Einzelnen den besten Schutz vor schweren Corona-Verläufen bietet und damit für die Gemeinschaft den besten Schutz gegen eine Überlastung des Gesundheitssystems.

Deshalb spricht sich auch nach wie vor eine deutliche Mehrheit der Deutschen für eine Impfpflicht aus. Das gilt mit Ausnahme der AfD für die Anhänger aller Parteien. Nur ein Drittel der Befragten ist gegen die Impfpflicht (Deutschlandtrend April 2022).

Dies spiegelt sich eigentlich auch im Bundestag wider: Im Grundsatz gegen eine Impflicht stimmten nur 79 (AfD-Antrag) bzw. 85 (Kubicki-Antrag) Abgeordnete, für eine Impflicht 296 (Gruppenantrag aus der Ampel) bzw. 172 (CDU/CSU-Antrag) Abgeordnete. Insgesamt war also mit über 450 von 736 Abgeordneten wie in der Bevölkerung auch im Parlament eine klare Mehrheit grundsätzlich für eine Impfpflicht.

Diese Mehrheit blockierte sich allerdings wegen unterschiedlicher Meinungen über die Art der Ausgestaltung.

Der Gruppenantrag aus der Ampel hatte einen Gesetzentwurf zur Pandemievorsorge durch Aufklärung, eine verpflichtende Impfberatung und eine Impflicht für die über 60-jährigen bis zum Herbst zum Inhalt. Die CDU/CSU-Fraktion wollte ein Impfvorsorgegesetz mit einem sofort zu schaffenden Impfregister, einer intensivierten Impfkampagne und einer Option für den Bundestag, einen Impfmechanismus beginnend mit der Altersgruppe ab 50 bzw. 60 Jahren zu beschließen. Bei etwas gutem Willen hätte man zwischen diesen beiden Ansätzen leicht einen Kompromiss finden können.

Allerdings legten sich die Befürworter einer Impflicht zur Freude von AfD, Linker und FDP gegenseitig lahm: Die Union wollte unbedingt zeigen, dass Bundeskanzler Scholz für seine Ankündigung einer Impflicht in seiner der Ampel-Koalition keine Mehrheit hatte. SPD und Grüne wollten die Opposition keineswegs durch einen Kompromiss stärken. Am Ende stritt man sich noch darüber, wer wann für Gespräche telefonisch erreichbar war.

Verloren haben in der Debatte und bei der Entscheidung Ampel und Union gleichermaßen, weil beide übertaktiert haben. Dieses Parteiengezänk war der Bedeutung des Themas nicht angemessen und des Bundestages unwürdig.

Weil sich die Mehrheit in Detailfragen und taktischen Spielchen verhedderte, setzte sich die Minderheit durch: Bei der AfD hatten zwar alle Abgeordneten gegen eine Impflicht gestimmt, bei der FDP waren es 2/3 der Fraktion, bei der Linken etwa 1/3. Aber aus den größten Fraktionen stimmten bei der SPD nur 3 von 206 Abgeordneten, bei CDU/CSU nur 6 von 197 Fraktionsmitgliedern gegen eine Impfpflicht. Bei den Grünen waren es nur 3 von 118 Mitgliedern der Fraktion. Allerdings erhielt der Impflicht-Antrag der Union keine einzige Stimme aus der Ampel-Koalition, wobei 25 Stimmen aus der eigenen Fraktion fehlten. Der Impflicht-Gruppen-Antrag aus der Ampel erhielt drei Stimmen aus der Union, ihm fehlten 130 Stimmen aus der Koalition (davon 87 aus der FDP).

In der Bewertung der Abstimmung im Deutschen Bundestag ist dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz Hendrik Wüst zuzustimmen, der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte: „Ich finde, es ist ein falsches Ergebnis. Ich würde es begrüßen, wenn wir eine Impfpflicht hätten.“

Wüst fügte hinzu: „Ich fand schon den Weg falsch.“ Die Entscheidung der Ampelkoalition, die Abstimmung zu einer Gewissensentscheidung zu erklären, sei taktisch gewesen: „Es hat doch jeder gesehen, man hat sich rausgemogelt aus der Pflicht, zu diesem wichtigen Thema eine gemeinsame Regierungsposition zu finden.“

Die Ministerpräsidenten, die zweimal über alle Parteigrenzen hinweg eine Impfpflicht gefordert hatten, seien vom Bund nicht einbezogen worden: „Ich ärgere mich in der Sache: Ich muss doch die Frage beantworten können, wie sind wir vorbereitet auf den nächsten Winter in der Pandemie.“ Die Antwort könnten dann nicht erneut Lockdowns sein. Vielmehr müsse man die Impflücke schließen. Er habe Bundeskanzler Scholz angeboten im Namen aller unionsgeführten Landesregierungen mit ihm Gespräche über die Impfpflicht zu führen. Man habe ihm versprochen, dass der Bund auf ihn zukomme. Passiert sei nichts.

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