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Stephan Eisel
Die Staatsvertragsgefahr
Das gefährliches Risiko der Relativierung des Berlin-Bonn-Gesetzes
Im April 2016 zeigten zwei Ereignisse, wie dringend Bonn und die Region (wieder) Einigkeit zum Berlin-Bonn-Thema brauchen, um sich von den „Berlinern“ nicht auseinander dividieren zu lassen.
Der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Rhein-Sieg-Landrat Franz Schuster fordern in einem am 22. April 2016 veröffentlichten Brief an die Bundeskanzlerin die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes: „Bitte sorgen Sie dafür, dass weitere Umzugsdebatten gestoppt werden und das Berlin-Bonn-Gesetz nicht weiter ausgehöhlt wird“
Die Bonner SPD plädierte demgegenüber bei ihrem Parteitag am 23. April 2016 für „Verhandlungen zwischen Bund und Bonn über einen Staatsvertrag“. Das geht zurück auf eine Idee von Ex-OB Nimptsch, der schon 2012 öffentlich vorschlug, das Berlin-Bonn-Gesetz durch einen Vertrag zu ersetzen. Das hat der Rat am 28. Juni 2012 der Rat mit großer Mehrheit und den Stimmen der SPD am 28. Juni 2012 als Alleingang des Oberbürgermeisters zurückgewiesen und gerügt.
Der Ursprung der Debatte liegt 25 Jahre zurück: Am 20. Juni 1991 beschloss der Deutsche Bundestag mit nur 338:320 Stimmen, dass im Rahmen einer „fairen Arbeitsteilung“ neben dem Parlamentssitz lediglich „der Kernbereich der Regierungsfunktionen in Berlin angesiedelt wird.“ In der zwölfstündigen Bonn-Berlin-Debatte mit 104 Rednern unterstrichen auch prominente Berlin-Befürworter den Kompromisscharakter ihres Antrages. Willy Brandt plädierte für „Bonn neben Berlin“ und Lothar de Maiziere sagte: „Ich gehöre zum Lager der Berlin-Befürworter; dennoch spreche ich mich für einen Konsens aus oder für einen Kompromiss oder, wie der Jurist sagt, für den im Wege gegenseitigen Nachgebens gefundenen Vergleich.“ Nur so kam die knappe Berlin-Mehrheit zustande.
Zur rechtlichen Umsetzung dieses Beschlusses verabschiedete der Bundestag am 26. April 1994 das Berlin-Bonn-Gesetz. Artikel 1 bestimmt als Zweck dieses Gesetzes, „die Wahrnehmung von Regierungstätigkeiten in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn zu sichern.“ Dies solle geschehen durch „eine dauerhafte und faire Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn“.
Auf dieser Grundlage regelt Artikel 4 des Berlin-Bonn-Gesetzes: „Bundesministerien befinden sich in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn. … Die in der Bundesstadt Bonn verbleibenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundeshauptstadt Berlin erhalten. Die ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin nehmenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundesstadt Bonn behalten.“ Dabei solle „insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten“ bleiben. Darauf beruht die seit 15 Jahren erfolgreiche Praxis von acht Bundesministerien mit erstem Dienstsitz in Berlin und sechs Ministerien mit erstem Dienstsitz in Bonn.
Unterlaufen haben allerdings alle Bundesregierungen seit dem Umzug die gesetzliche Festlegung, dass „der größte Teil“ der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn bleiben solle. Dies liegt an der werde durch Gesetz noch durch Vertrag einschränkbaren Organisationshoheit der Bundesregierung bzw. der Ministerien. Dass auf Berlin inzwischen 11.500 dieser Stellen und auf Bonn nur 6.500 entfallen, ist ein klarer Gesetzesbruch und beschädigt die Glaubwürdigkeit von Politik.
Aber ist die schleichende Verlagerung ministerieller Arbeitsplätze nach Berlin tatsächlich ein Grund für uns Bonner, das Bonn –Berlin-Gesetz grundsätzlich zur Disposition zu stellen und durch einen Vertrag zu ersetzen? Dagegen sprechen vor allem zwei Gründe:
Nur durch ein Bundesgesetz – also durch den Deutschen Bundestag - ist zu regeln, dass Bundesministerien ihren Sitz in Berlin und Bonn haben. Ein Vertrag kann das schon aus rechtlichen Gründen nicht leisten. Wer das Gesetz aufgibt, gibt das Grundprinzip von Bonn als zweitem Regierungssitz auf. Damit würde sehr vielen nationalen und internationalen Einrichtungen das Fundament für ihren Bonner Standort entzogen. Es ist schlicht naiv zu glauben, dass solche Einrichtungen ohne Dienstsitz des zuständigen Ministeriums auf Dauer in Bonn bleiben. Langfristig riskiert man ohne Ministerien sogar den UN-Standort.
Es geht hier um insgesamt 27.000 Arbeitsplätze, deren Verankerung in der Region schon deshalb nicht vertraglich abzusichern ist, weil viele davon keine unmittelbaren Arbeitsplätze des Bundes sind. Garantiert werden diese Arbeitsplätze ist nur durch das Gewicht von Bonn als zweitem Regierungssitz.
Auch mit der Umwandlung von Ministeriumsarbeitsplätzen in Oberste Bundesbehörden ist nicht zu erreichen, dass Bonn das „zweite bundespolitische Zentrum“ Deutschlands bleibt. Zur dauerhaften Sicherung des Standorts Bonn für nationale und internationale Einrichtungen kommt es auch darauf an, was auf dem Türschild steht: Verwaltungsbehörden haben auch nicht entfernt die Bindungskraft eines ersten oder zweiten Ministeriumssitzes.
Wer Verträge verhandeln will, sollte das nur tun, wenn er eine starke Verhandlungsposition hat. Was aber wollen die Bonner Sozialdemokraten bei ihrer Staatsvertragsidee der Gegenseite eigentlich anbieten? Dass die „Berliner“ von Bonn gerne das Ende des Berlin-Bonn-Gesetzes wollen, ist klar. Wenn die SPD das in Verhandlungen (hoffentlich) nicht zugestehen will - welches Bonner Zugeständnis stellt sie sich denn für welche Berliner Gegenleistung vor. Wer diese Frage zu beantworten sucht, merkt schnell, dass Verhandlungen über einen Staatsvertrag ein gefährlich abschüssiger Weg für Bonn sind.
Gewichtig ist nur, was Bonn aufgeben könnte - nämlich das Berlin-Bonn-Gesetz. Der Bund könnte als Verhandlungspartner dafür nichts ähnlich Gewichtiges bieten: Durch die Föderalismuskommission sind die Standorte aller wichtigen Bundeseinrichtungen vergeben, jede neue Einrichtung unterliegt im Blick auf den Standort dem Wettbewerb von 16 Bundesländern. Auch eine nennenswerte finanzielle Entschädigung für den Komplettumzug der Ministerien (für den Teilumzug 1999 waren es 1,4 Milliarden Euro!) ist politisch illusorisch und reine Träumerei. Sie würde auch den dauerhaften Verlust vieler tausend Arbeitsplätze nicht nachhaltig ausgleichen. Und schließlich: Ein Vertrag wäre ebenso wenig wie ein Gesetz davor gefeit, unterlaufen zu werden.Es war in Bonn und der Region bisher gute Tradition solche Argumente parteiübergreifend und miteinander austauschen und daraus eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Deshalb hat der Rat 2012 den damaligen Oberbürgermeister wegen seines Alleingangs Richtung Staatsvertrag zu Recht gerügt. Es ist bedauerlich, dass die Bonner SPD mit ihrem neuen unausgegorenen Verhandlungsvorschlag jetzt erneut aus dem Konsens ausschert. Die Parteien der Region sollten wieder zur bewährten Einigkeit in der Bonn-Berlin-Debatte zurückkehren. Dazu gehört übrigens auch, dass sich jeder um die Bundespolitiker der eigenen Familie kümmert und kein wechselseitiges Schwarze-Peter-Spiel getrieben wird.
Bonn und die Region müssen vor allem statt einer defätistischen Starre in die politische Offensive kommen und sich Komplettumzugsplänen aus Berlin entschlossener entgegen stellen. Nur wenn das Thema hörbar streitig bleibt, können wir unsere Position behaupten. Nur deshalb haben CDU, CSU und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung für die laufende Legislaturperiode festgeschrieben: „Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.“ Das Gesetz hat sich im Alltag bewährt. Umso eindeutiger ist denen entgegen zu treten, die es mit regelmäßiger Beharrlichkeit in Frage stellen.
Die Presse zum Buch:
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die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.