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Der folgende Artikel ist 28. März 2024 im Magazin CICERO-Online erschienen.
Was hält Gerhard Schröder an der Seite Putins?
von Gernot Fritz
Gerhard Schröder bleibt Putins verlässlicher Freund. In einem dpa-Interview gab er sich überzeugt, durch diese enge Beziehung zu einer Beendigung des Ukraine-Krieges beitragen zu können; Spekulationen über einen Angriff Russlands auf östliche NATO-Staaten oder einen Atomangriff seien „Quatsch“. Da muss der Westen entsprechende Andeutungen von Putin und Medwedew wohl gründlich missverstanden haben! Erstmals fand Schröder in der Ukraine-Frage lobende Worte für Bundeskanzler Scholz wegen seiner Verweigerung der Taurus-Lieferung. Und auch Rolf Mützenichs Vorschlag, den Krieg einzufrieren – was Moskaus Beute vorerst sichern würde - fand seinen Beifall. Der russische Präsident dürfte sich über diesen Gruß aus Hannover zur Wiederwahl gefreut haben. Weder Putins Einmarsch in das Nachbarland noch die Gräueltaten seiner Truppen, die Zerstörung ukrainischer Städte und das Kriegsziel, die Ukraine als Nation zu vernichten, konnten Schröders Freundschaft zu Putin erschüttert. Nebenbei verweigerte er die für jeden Altkanzler nach dem Ausscheiden aus dem Amt geltende Anstandspflicht, die außenpolitischen Interessen der nachfolgenden Bundesregierung nicht zu unterlaufen.
Diese ausländische Partner und deutsche Öffentlichkeit gleichermaßen verstörende Putin-Treue wirft Fragen auf. Vielleicht findet sich eine Antwort in Schröders Vergangenheit. Es ist viel darüber spekuliert worden, warum er 2005 ohne jede Karenzzeit bei Gazprom angeheuert hatte. Für die einen war es vor allem instinktlos, an einem Projekt zu verdienen, das man zuvor als Bundeskanzler gefördert hatte; kritischere Stimmen nannten es schon damals „nachgelagerte Korruption“. Dennoch blieb die ganz große Empörung aus, weil eine enge Zusammenarbeit mit Russland bei der Energieversorgung politisch mehrheitsfähig war und bereitwillig unterstellt wurde, dass sich für Schröder die Jobperspektive erst nach der Abwahl seiner Koalition ergeben habe.
Diese milde Wertung setzt freilich voraus, dass es zwischen beiden Politikern in der Entstehungszeit der deutsch-russischen Energiekooperation kein kollusives Zusammenwirken gegeben hat. Hier drängen sich Zweifel auf. Schröder hatte als Bundeskanzler die Gunst Putins rasch gesucht und gefunden. In seinem 2006 erschienenen Buch „Entscheidungen“ lobte er hymnisch dessen „wache Intelligenz“ und „auffällige Bescheidenheit“, sah gar in dessen religiösen Bindungen den „Antrieb für seine Politik der Partnerschaft mit einem Europa abendländischer Kultur.“ Er habe schnell ein „unkompliziertes und ungezwungenes Verhältnis“ zu Putin aufbauen können. Zugleich entwickelte Schröder tiefes Verständnis für Putins politische Visionen: der Präsident wolle eine „Rekonstruktion Russlands als Weltmacht, die mit den USA auf gleicher Höhe verhandelt, redet und agiert.“ Schröder sah darin kein Problem und hatte allein Befürchtungen mit Blick auf den Westen: er warnte davor, dass sich Deutschland „wieder an die Rockschöße amerikanischer Außenpolitik klammert. Mit verhängnisvollen Folgen für die Interessen Deutschlands in Europa und Europas in der Welt.“ Man hätte angesichts dieser Einschätzungen vor fast zwei Jahrzehnten hellhörig werden können.
Die Bewunderung Schröders erwies sich für Putin als politisches Geschenk. Denn aus der persönlichen Sympathie erwuchs schnell eine enge Zusammenarbeit in wichtigen strategischen Fragen. Als Schröder gegen vielerlei Bedenken europäischer Nachbarstaaten der Gaspipeline Nordstream den Weg ebnete, berief er sich auf eine Übereinstimmung der deutschen mit den russischen Wirtschaftsinteressen. Putin und Schröder waren persönlich anwesend, als am 11. April 2005 die Grundsatzvereinbarung über die Beteiligung der BASF an der Norddeutschen Gaspipeline geschlossen wurde. Sie unterstrichen damit die politische Bedeutung des Deals.
Das Gemeinschaftsprojekt musste freilich zeitnah personell ausgestattet werden. Es ist kaum denkbar, dass seine beiden politischen Architekten keine Verständigung darüber gesucht haben, wem die Aufsicht über das Konsortium anvertraut werden sollte. Diese Person musste in beiden Ländern Einfluss haben und insbesondere das Vertrauen des Mehrheitseigners Gazprom genießen. Gewiss war Schröder für Putin von Anbeginn die Idealbesetzung, und der damalige Bundeskanzler sah dies vermutlich nicht anders. Der Schlüsselposten war ebenso machtvoll wie lukrativ, und es winkten weitere Folgeverwendungen.
Allerdings war Schröder 2005 noch durch sein Amt als Bundeskanzler gebunden. Die Legislaturperiode dauerte regulär bis September 2006, und die rot-grüne Koalition war auf die volle Zeitdistanz angelegt. Ein Rücktritt vom Bundeskanzleramt mit dem Ziel, zu Gazprom zu wechseln, wäre der Öffentlichkeit nicht vermittelbar gewesen und kam deshalb nicht in Betracht.
Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass Schröder mit der Aufsichtsratsfunktion von Anbeginn liebäugelte. Er hatte 2005 ersichtlich keine Freude mehr an seiner Kanzlerschaft; seine innenpolitische Agenda begegnete im eigenen Lager vielen Vorbehalten. Schröder fremdelte schon seit langer Zeit mit seiner Partei, die ihn nicht liebte, sondern nur brauchte. Vor diesem Hintergrund muss der Gedanke reizvoll gewesen sein, sich von den Pflichten des politischen Amtes zu lösen, um zu Gazprom wechseln zu können.
Tatsächlich traf dann Schröder eine einsame Entscheidung: für Koalition und Öffentlichkeit völlig überraschend kündigte er am 22.Mai 2005 an, im Bundestag die Vertrauensfrage mit dem Ziel von Neuwahlen stellen zu wollen. Eingeweiht hatte er lediglich den SPD-Vorsitzenden Müntefering. Schröder berief sich darauf, dass die NRW-Wahl von der SPD verloren worden sei und es für seine Reformagenda im eigenen Lager an Unterstützung fehle. Aber dieses Narrativ war nur vordergründig plausibel, weil die rot-grüne Koalition über eine stabile Mehrheit verfügte, die durch die NRW-Wahl nicht geschmälert wurde. Die Bundesregierung hatte trotz mancherlei Murrens in den eigenen Reihen ihre Gesetzesvorhaben durchsetzen können. Es gab weder eine manifeste Krise der Regierung noch Anlass für die Befürchtung, dass die Koalition die restliche Legislaturperiode nicht überstehen werde. Wohl aber ließen alle Umfragen als gewiss erscheinen, dass Neuwahlen zum Verlust der Mehrheit und zu Schröders Ablösung als Bundeskanzler führen würden. Der Plan, das Fehlen einer Parlamentsmehrheit zu fingieren, um den Bundespräsidenten zur Auflösung des Bundestages zu veranlassen, war nicht nur verfassungsrechtlich problematisch, sondern aus damaliger Sicht ein sicherer Weg zum Machtverlust. Schröder nahm sich also mit diesem Vorhaben selbst aus dem Spiel. Dass sein Freund Carsten Maschmeyer von ihm – nach Medienberichten schon vor der Bundestagswahl – für 2 Millionen Euro die Rechte an seinen Memoiren erworben haben soll, erleichterte einen Ausstieg aus dem Amt zusätzlich.
Am 8. September 2005, nur wenige Tage vor dem auf den 18. September anberaumten Wahltermin, wurde der Vertrag über die Nordstream-Betreibergesellschaft endgültig geschlossen, erneut geadelt durch die Anwesenheit von Putin und Schröder. Nachdem anschließend die Unionsparteien – wie prognostiziert – aus der Bundestagswahl als stärkste Kraft hervorgegangen waren, erklärte Schröder am 10. Oktober 2005 offiziell seinen Rückzug vom Amt. Ohne Kenntnis der Öffentlichkeit übernahm dann zwei Wochen später – nach verlorener Wahl und noch vor Vollzug des Regierungswechsels – Schröders nur noch geschäftsführende Bundesregierung eine Milliardenbürgschaft für den Kredit zur Finanzierung der Ostseepipeline. Als die Bürgschaft Monate später bekannt wurde, behauptete Schröder, von ihr nichts gewusst zu haben. Glaubhaft ist das angesichts der intimen Vertrautheit des Altkanzlers mit dem Projekt nicht.
Unmittelbar nach der Wahl Angela Merkels zur Bundeskanzlerin, die am 22.November 2005 erfolgte, will Schröder von Putin telefonisch überzeugt worden sein, Aufsichtsratsvorsitzender der Pipeline-Betreibergesellschaft werden zu müssen; vorher habe er sich noch gegenüber dem Gazprom-Chef mit der Begründung geziert, keine „festen beruflichen Bindungen“ eingehen zu wollen. Eine nette Legende angesichts der weiteren Entwicklung.
Für Putin war die Bestellung Schröders finanziell und politisch eine perfekte Investition, die dem Altkanzler zugleich über viele Jahre stattliche Einkünfte sicherte. Die New York Times bezifferte sein jährliches Salär auf eine Million Dollar. Über seine Gesamteinkünfte aus russischen Quellen werden in Medien noch weitaus höhere Beträge genannt.
Es wäre von großem Interesse, ob Schröder der Aufsichtsratsvorsitz bei der Ostseepipeline schon zu Amtszeiten in Aussicht gestellt worden war. Noch weit gravierender wäre es aber, wenn Schröder selbst auf ein vorzeitiges Ende seiner Amtszeit hingewirkt hätte, um den Job von Anbeginn übernehmen zu können. Angesichts der wundersamen zeitlichen Abläufe und der für Schröder so einträglichen Ergebnisse kann man über die tatsächlichen Vorgänge nur spekulieren. Putin kennt die Details. Dass Schröder für ihn weiter seine Reputation aufs Spiel setzt, ist mit Alterssturheit oder einem archaischen Verständnis von Männerfreundschaft jedenfalls nicht mehr erklärbar.
Die Presse zum Buch:
"unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
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die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.