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DAS ZAUDERN VON KANZLER SCHOLZ

erschwert entschlossene Reaktionen auf Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und widerspricht der "Zeitenwende"-Rhetorik des Kanzlers. Das zeigte zuletzt erneut die Blockade des Kanzleramts bei Panzerlieferungen an die Ukraine. Kriegsverbechen lassen sich aber nicht mit zögerlicher Unentschlossenheit stoppen.
DAS ZAUDERN VON KANZLER SCHOLZ

 

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Stephan Eisel

Putins Angriffskrieg und

das gefährliche Zaudern von Olaf Scholz 

Am 24. Februar 2023 jährt sich der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs von Putin auf die Ukraine. Er war der Auftakt zu zahllosen Kriegsverbrechen der russischen Armee und entfaltet seine brutale Wirkung in täglichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Wir sollten uns in Deutschland fragen, ob wir wirklich genug tun, um diesem Morden Einhalt zu bieten. Bundeskanzler Scholz vermittelt dabei leider allzu oft den Eindruck, er würde sich als Beobachter am Spielfeldrand wohler fühlen.

Schon einen Monat vor dem Einmarsch Putins haben sich die Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses und des Europaausschusses im ukrainischen Parlament am 25. Januar 2022 an die Abge­ord­ne­ten des Deut­schen Bundestags gewandt: „Heute heute sehen wir, dass Putin sich anschickt, seine Truppen zu einem mas­si­ven Angriffs auf uns auf­mar­schie­ren zu lassen. … Ihre Regie­rung hat leider beschlos­sen, uns nicht bei der Aus­rüs­tung zu helfen, obwohl sie genau weiß, wie sehr das rus­si­sche Militär in den letzten Jahren moder­ni­siert wurde.“

Ein bitteres Symbol für dieses Versagen war die Ankündigung von Verteidigungsministerin Lambrecht nur einen Tag später, der Ukraine 5000 Militärhelme „als ganz deutliches Signal“ zu liefern: Helme, die übrigens beim russischen Einmarsch vier Wochen später immer noch nicht dort eingetroffen waren.

Dass Deutschland wie – abgesehen vor allem von den USA, Kanada und Großbritannien -  zu viele andere Länder vor Kriegsbeginn Waffenlieferungen an die Ukraine verweigert hat, hat Putins Fehlkalkulation über den Erfolg eines Angriffs wohl befördert: ein Beitrag zur Abschreckung war es nicht. Zu lange wurde parteiübergreifend der Fehler gemacht, Putins Ankündigungen über die Erweiterung seines Herrschaftsgebiets nicht ernst zu nehmen. Sein Kalkül bestand darin, dass sein Wille zur Ausweitung der eigenen Herrschaft auf die Ukraine wesentlich stärker ist als die Bereitschaft des Westens, sich wegen der Ukraine einen Konflikt mit Russland einzulassen.

Bei der Besetzung der Krim und seinem Einmarsch in die Ost-Ukraine ist dieses Kalkül 2014 aufgegangen. Dass die NATO der Ukraine damals eine Beitrittsperspektive verweigerte, hat Putin offenkundig bestärkt, die Ukraine erneut anzugreifen. Umso weniger hat er bei seinem Angriff 2022 mit der einheitlichen Unterstützung des Selbstverteidigungsrechtes der Ukraine durch die Mitglieder der NATO und viele andere Länder auch durch Waffenlieferungen gerechnet.

Aber für Putins Fehleinschätzung ist auch der Westen verantwortlich. Für die Glaubwürdigkeit von Abschreckung ist es wichtig, nicht nur die militärischen Fähigkeiten eines möglichen Angreifers zu kennen, sondern auch dessen Interessen und sich über seine Absichten keine Illusionen zu machen.

Helmut Kohl hatte in seiner Regierungserklärung zum NATO-Doppelbeschluss am 21. November 1983 dazu treffend gesagt: „Unser eigenes Bekenntnis zum Gewaltverzicht wird erweitert durch die ethische Pflicht, andere davon abzuhalten, uns anzugreifen.“

Das Konzept der Abschreckung ist von Natur aus defensiv, aber darf nicht schwach sein, es muss entschlossen sein, ist aber nicht rücksichtslos. Militärisch setzt es auf den status quo durch die Verhinderung von Krieg, politisch ermöglicht es Offenheit, Wettbewerb und Veränderung. Sie ist nur glaubhaft, wenn sie politisch und materiell unterlegt ist. Politisch funktioniert Abschreckung ohne Militär nicht. Abschreckung ist auch deshalb ethisch vertretbar, weil sie einem potenziellen Angreifer die Wahl lässt, von seinem Vorhaben abzulassen. Dazu muss er aber überzeugt sein, dass die militärischen Fähigkeiten seines ins Auge gefassten Opfers so groß sind, dass die Kosten eines Angriffs dessen Nutzen übersteigen, und dass die Verteidigungsfähigkeit im Ernstfall auch eingesetzt wird. Im Fall Ukraine hat der Westen diese Grundsätze vor Putins Angriffskrieg vernachlässigt und versucht erst seitdem, dies nachzuholen.

Seit Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine sind NATO und EU zwar erfreulich einig, aber sie reagieren meist nur anstatt zu agieren. Die Eskalationsdominanz liegt immer noch bei Putin. So hat sich die NATO zu Kriegsbeginn beispielsweise beim Thema Flugverbotszone in eine Sackgasse manövriert. Sie hat  es versäumt, eine Umkehr der Beweislast einzuleiten und das Thema vom Kopf auf die Füße zu stellen: Es ist nämlich Putin, der für sich völkerrechtswidrig eine Flugverbotszone über der Ukraine reklamiert: Im ukrainischen Luftraum soll nur noch geduldet werden, was ihm gefällt, und russische Raketen sollen freie Bahn haben. Warum haben westliche Länder das so lange anerkannt und sind nicht der Bitte der Ukraine nachgekommen, die Lufthoheit über ihrem Staatsgebiet zu gewährleisten und so ihre Souveränität zu schützen?

Es wäre seitens der NATO eine eindeutig  defensive Maßnahme, Raketenbeschuss auf die Ukraine oder Angriffe bewaffneter Drohnen durch die Zerstörung dieser Waffen in der Luft zu verhindern. Dies mit der Notwendigkeit des Abschusses bemannter russischer Militärflugzeuge und so einem Kriegseinsatz der NATO gleichzusetzen, ist falsch. Diese Option wurde zu schnell tabuisiert, wo sie ernsthafter hätte debattiert werden müssen.

Ein trauriger Champion von Zögerlichkeit und Passivität ist dabei Bundeskanzler Scholz. Wenn er sich überhaupt äußert, ist von ihm ständig zu hören, was nicht getan werden solle. So wurden monatelang Exportanträge der Industrie z. B. zum Verkauf des Schützenpanzers Marder im Kanzleramt blockiert. Passivitätsankündigungen schrecken aber Aggressoren nicht ab.

Scholz verweigerte Panzerlieferungen mit der Ausrede, es dürfe keine deutschen Alleingänge geben. Tatsächlich hat die amerikanische Botschafterin in Berlin schon am 11. September 2022 „alle Verbündeten und Partner“ dazu aufgerufen, „der Ukraine im Kampf um ihre demokratische

Souveränität so viel Unterstützung wie möglich zu gewähren.„ Noch am 24. November 2022 behauptete Verteidigungsministerin Lambrecht, Patriot-Abwehrraketen könnten nicht an die Ukraine geliefert werden, weil dies „vorher mit der NATO und mit den Alliierten besprochen werden" müsse. Dem widersprach NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schon einen Tag später und rief die Bundesregierung auf, selbst über die mögliche Lieferung zu entscheiden. Dies sei eine "nationale Entscheidung", die nicht in der NATO debattiert werden müsse.

Schon am 28. April 2022 hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung mit großer Mehrheit aufgefordert, „die Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern … und aktiv auf andere Länder zuzugehen, um ihnen einen Ringtausch anzubieten.“ De facto hat Scholz diesen Beschluss einfach ignoriert. Erst als er bei den Bündnispartnern völlig isoliert war, und der französische sowie der amerikanischen Präsident öffentlich Panzerlieferungen an die Ukraine bekannt gaben, war den Ausreden von Scholz endgültig die Grundlage entzogen und er stimmte auch deutschen Lieferungen zu.

Dieses Muster des Kanzleramts wiederholt sich Kriegsbeginn ständig. Das konkrete Handeln entspricht nicht der „Zeitenwende“-Rhetorik. Wenn wir Putin wirklich stoppen wollen, müssen wir seinem Angriffskrieg entschlossener entgegentreten und die Ukraine noch besser ausrüsten. Das sollte neben Panzern auch Flugzeuge einschließen. Angriffskriege und Kriegsverbrechen lassen sich nicht mit zaudernder Unentschlossenheit verhindern. Gerade wir Deutschen sollten diese bittere Lehre aus dem 2. Weltkrieg nicht vergessen.

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