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Stephan Eisel
Warum das Bonn-Berlin-Gesetz unverzichtbar bleibt
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat als Berlin-Bonn-Beauftragte der Bundesregierung eine neue Bonn-Berlin-Debatte ausgelöst. In einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger plädierte sie am 6. Oktober 2015 für einen Komplettumzug aller Bundesministerien nach Berlin. Man müsse Bonn „genügend Arbeitsplätze bieten – nicht zwingend in Ministerien, aber in oberen Bundesbehörden.“ Wenige später bestätigte ihr Ministerium das politische Ziel der Ministerin: „Das ist die Absicht. Die Ministerien sollen umziehen.“ (General-Anzeiger (13.10.2015)
Damit stellt Frau Hendricks den Kern des Berlin-Bonn-Gesetzes in Frage, das für alle Bundesministerien in Artikel 4 festlegt: „Bundesministerien befinden sich in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn ... Die in der Bundesstadt Bonn verbleibenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundeshauptstadt Berlin erhalten. ...Die ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin nehmenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundesstadt Bonn behalten.“ Dadurch will das Berlin-Bonn-Gesetz die „dauerhafte und fairen Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn“ (Artikel 1) sicherstellen. Darauf bezogen haben CDU, CSU und SPD in ihrer Koalitionsvereinbarung für die laufende Legislaturperiode festgeschrieben: „Wir stehen zum Bonn-Berlin-Gesetz. Bonn bleibt das zweite bundespolitische Zentrum.“ Mit den Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Verteidigung, Bildung und Forschung, Landwirtschaft und Ernährung sowie Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit haben sechs Ministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn.
Leider kam die Steilvorlage für die Initiative zur Aufhebung dieser Grundlage der „fairen Arbeitsteilung“ zwischen Berlin und Bonn ausgerechnet vom damalige Bonner Oberbürgermeister Nimptsch (SPD), der 2012 vorschlug, das Berlin-Bonn-Gesetz durch einen Vertrag zu ersetzen. Der Hendricks-Vorstoß zeigt, dass hier nachhaltiger Schaden entstanden ist, obwohl der Rat mit großer Mehrheit und den Stimmen der SPD am 28. Juni 2012 den Alleingang des Oberbürgermeisters zurückgewiesen und ihnen deswegen gerügt hat.
Es überrascht deshalb nicht dass Herr Nimptsch (SPD) in seinen letzten Amtstagen die Hendricks-Initiative ausdrücklich begrüßte, während sein Nachfolger Ashok Sridharan (CDU) ihr entgegentrat: „Wir brauchen weiterhin die Präsenz der Bundesregierung in Bonn. Einerseits um die zigtausend Arbeitsplätze nicht zu gefährden, andererseits um Einrichtungen, die im Zuge des Bonn-Berlin-Gesetzes nach Bonn gekommen sind, zu halten.“ Für Bonn ist es auch bei diesem Thema gut, dass im Bonner Rathaus ein Amtswechsel stattfindet.
Leider gehört es zur Wahrheit, dass einige Bundesministerien eine wichtige Vorgabe des Berlin-Bonn-Gesetzes unterlaufen. Nach dem Gesetz soll nämlich die Organisation der Bundesregierung „so gestaltet werden, dass insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bundesstadt Bonn erhalten bleibt“ (Artikel 4 Abs. 3). Ende Juni 2015 hat das Bundesinnenministerium bestätigt, dass zur Zeit 11 202 Bundesbedienstete in den Berliner Ministerien arbeiten, während die Zahl der Mitarbeiter in Bonn auf 6855 sank. Noch vor zehn Jahren beschäftigten die Bundesministerien nur 47 Prozent der Mitarbeiter in Berlin, jetzt sind es 62 Prozent. Das Bundeskanzleramt muss dieser Aushöhlung des Bonn-Berlin-Gesetzes entgegentreten und kann sich nicht einfach hinter der Organisationshoheit der Ministerien verstecken.
Aber ist die schleichende Verlagerung ministerieller Arbeitsplätze nach Berlin tatsächlich ein Grund für uns Bonner, das Bonn –Berlin-Gesetz grundsätzlich zur Disposition zu stellen und wie manche vorschlagen, durch einen Vertrag zu ersetzen? Dagegen sprechen vor allem zwei Gründe:
1) Nur durch ein Bundesgesetz – also durch den Deutschen Bundestag - ist zu regeln, dass Bundesministerien ihren Sitz in Berlin und Bonn haben. Ein Vertrag kann das schon aus rechtlichen Gründen nicht leisten. Wer das Gesetz aufgibt, gibt das Grundprinzip von Bonn als zweitem Regierungssitz auf. Damit würde sehr vielen nationalen und internationalen Einrichtungen das Fundament für ihren Bonner Standort entzogen.
Das Beispiel „Wissenschaftsstandort“ zeigt anschaulich, was auf dem Spiel steht: Zur Zeit haben u.a. die Hochschulrektorenkonferenz, die Kultusministerkonferenz, die Alexander von Humboldt-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ihren Sitz in Bonn. Es ist schlicht naiv zu glauben, dass solche Einrichtungen ohne Dienstsitz des zuständigen Ministeriums auf Dauer in Bonn bleiben. Ähnliches gilt für das Nord-Süd-Zentrum ohne Dienstsitz des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Langfristig riskiert man ohne Ministerium sogar den UN-Standort.
Mit der Umwandlung von Ministeriumsarbeitsplätzen in Oberste Bundesbehörden ist nicht zu erreichen, dass Bonn das „zweite bundespolitische Zentrum“ Deutschlands bleibt. Zur dauerhaften Sicherung des Standorts Bonn für nationale und internationale Einrichtungen kommt es auch darauf an, was auf dem Türschild steht: Verwaltungsbehörden haben auch nicht entfernt die Bindungskraft eines ersten oder zweiten Ministeriumssitzes.
2) Wer Verträge verhandeln und abschließen will, sollte das nur tun, wenn er eine starke Verhandlungsposition hat. Gewichtig ist aber nur, was Bonn aufgeben könnte - nämlich das Berlin-Bonn-Gesetz. Der Bund als Verhandlungspartner kann dafür nichts ähnlich Gewichtiges bieten: Durch die Föderalismuskommission sind die Standorte aller wichtigen Bundeseinrichtungen vergeben, jede neue Einrichtung unterliegt im Blick auf den Standort dem Wettbewerb von 16 Bundesländern. Auf die Standorte internationaler Institutionen und deren Nachhaltigkeit hat der Bund nur sehr begrenzten Einfluss. Wenn Frau Hendricks also ersatzweise die Stärkung des Wissenschafts- oder UN-Standortes Bonn „in Aussicht“ stellt, ist das nicht viel mehr als heiße Luft. Den Wegzug von Einrichtungen wie der Hochschulrektorenkonferenz könnte der Bund zudem nicht verhindern. Eine nennenswerte finanzielle Entschädigung für den Komplettumzug der Ministerien (für den Teilumzug 1999 waren es 1,4 Milliarden Euro!) ist politisch illusorisch und reine Träumerei. Sie würde auch den dauerhaften Verlust vieler tausend Arbeitsplätze nicht nachhaltig ausgleichen. Und schließlich: Ein Vertrag wäre ebenso wenig wie ein Gesetz davor gefeit, unterlaufen zu werden.
Was also ist zu tun ?
Bonn und die Region müssen aus der defätistischen Reaktion in die politische Offensive und sich Komplettumzugsplänen aus Berlin entschlossener entgegen stellen. Dazu müssen auch die Landesregierungen in Düsseldorf und Mainz stärker in die Pflicht genommen werden. Das hat parteiübergreifend geklappt als Verteidigungsminister de Maiziere (CDU) 2011 das Berlin-Bonn-Gesetz attackierte. Dass Frau Kraft jetzt schweigt, weil die Forderung aus der SPD kommt, darf man ihr nicht durchgehen lassen. Nur wenn das Thema hörbar streitig bleibt, können wir unsere Position behaupten.
Dazu gehört der ständige Hinweis darauf, dass die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn dem Steuerzahler viel Geld spart. Der jährliche „Teilungskostenbericht“ der Bundesregierung bestätigt immer wieder aufs Neue, das die Kosten für zwei Regierungsstandorte nur bei ca. 9 Millionen jährlich liegen. Der Berlin-Umzug vor 15 Jahren hat rund 10 Milliarden Euro gekostet. Er betraf das Parlament und etwa die Hälfte der Mitarbeiter der Bundesregierung. Selbst wenn man für einen „Totalumzug“ nur die Hälfte dieser Summe – nämlich 5 Milliarden Euro - ansetzen würde, wäre das nicht finanzierbar.
Die regelmäßigen Bonn-Berlin-Debatten stehen in seltsamem Gegensatz zu der geräuschlosen Effizienz, mit der die Arbeit im Miteinander des erste politischen Zentrum Berlin und des zweiten politischen Zentrums Bonn tatsächlich abläuft. Das Gesetz hat sich im Alltag bewährt. Umso eindeutiger ist denen entgegen zu treten, die es mit regelmäßiger Beharrlichkeit in Frage stellen.
Die Presse zum Buch:
"unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier
die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.