Volltextsuche:

BEI DIREKTWAHLEN FÜR

11. Februar 2016
Oberbürgermeister und Landräte liegt die Beteiligung deutlich unter den entsprechenden Rats- bzw. Kreistagswahlen. Die Bürger halten von plebiszitären Verfahren in Sach- und Personalfragen nicht viel und beknnen sich damit auch zur repräsentativen Demokratie.
BEI DIREKTWAHLEN FÜR

 

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

Weiteres Material und die Möglichkeit zur Diskussion finden Sie hier.

 

 

 

Stephan Eisel

Direktwahlen mit Legitimationsschatten

Geringe Beteiligung belegt klare Bürgerdistanz zu plebiszitären Verfahren

Die Demokratie des Grundgesetzes entfaltet sich als repräsentative Demokratie und hat sich so bewährt. Dennoch werden in den letzten Jahren plebiszitäre Verfahren ausgeweitet und sind inzwischen in allen Bundesländern etabliert. Aber die Beteiligung sowohl an plebiszitären Sachabstimmungen als auch an Direktwahlen liegt so niedrig, dass sich ernsthafte Legitimationsfragen stellen:

Bei landesweiten Volksentscheiden, die nicht mit allgemeinen Wahlen zusammenfielen, lag die Beteiligung seit 1991 bei durchschnittlich 36,8 Prozent und damit um fast 30 Prozent unter den vergleichbaren Landtagwahlen. Die Bilanz von Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene fällt ähnlich aus.

Zugleich sind auf kommunaler Ebene (mit Ausnahme der Stadtstaaten) überall Direktwahlen von Oberbürgermeistern und Bürgermeistern sowie fast überall auch von Landräten etabliert worden. Man sich versprach davon für die Kommunalpolitik eine mobilisierende Wirkung und größere Bürgernähe. Aber die Bürger zeigen diesem Angebot mit großer Mehrheit die kalte Schulter: An Direktwahlen beteiligen sich fast ausnahmslos deutlich weniger als die Hälfte der dazu berechtigten Bürger, wenn diese nicht mit allgemeinen Wahlen zusammenfallen.

144 der 196 zu Beginn des Jahres  2016 amtierenden Oberbürgermeister in kreisfreien Städten mit mehr als 35.000 Einwohnern wurden in solchen singulären  Direktwahlen gewählt.[1] Das gilt auch für 145 der 250 deutschen Landräte.[2] Eine Analyse der Beteiligung dieser Direktwahlen, die nicht mit allgemeinen Wahlen zusammenfielen, offenbart erhebliche Legitimationsdefizite:

  • Nur durchschnittlich 37,1      Prozent der Bürger beteiligten sich in Städten mit mehr als 35.000      Einwohnern an Direktwahlen für das Stadtoberhaupt, wenn diese nicht mit      anderen Wahlen zusammenfielen. Das sind im Durchschnitt acht Prozent      weniger als bei den jeweiligen Ratswahlen (45,1 Prozent).
  • Nur fünf der z. Zt. 144 amtierenden      Oberbürgermeister in Gemeinden mit mehr als 35.000 Einwohnern, deren Wahl      nicht mit einer Ratswahl zusammenfiel, wurden mit einer Beteiligung von      mehr als der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt. Dabei handelt es sich      ausnahmslos um kleinere Städte.[3]
  • Während bei Ratswahlen in      Gemeinden ab 35.000 Einwohnern die Wahlbeteiligung nirgends unter 30      Prozent lag, war dies bei 19 Direktwahlen der Fall, davon in sechs Fällen      sogar unter 25 Prozent. Die niedrigste Beteiligung bei einer direkten      Oberbürgermeisterwahl lag sogar bei nur 18,1 Prozent (Waiblingen).
  • 19 von 73 Oberbürgermeistern      in deutschen Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern amtieren aufgrund      von Wahlen, an denen weniger als ein Drittel der Wahlberechtigten      teilgenommen haben.[4]
  • In keiner deutschen      Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern amtiert ein Oberbürgermeister      aufgrund einer Wahl, an der sich mehr die Hälfte der Wahlberechtigten      beteiligt hat, wenn diese Wahl nicht mit einer allgemeinen Wahl      zusammengefallen ist.
  • Nur durchschnittlich 35,8      Prozent der dazu berechtigten Bürger beteiligten sich an direkten      Landratswahlen, die nicht mit allgemeinen Wahlen zusammenfielen. Dies      liegt um fast 17 Prozent unter der durchschnittlichen Beteiligung an den      entsprechenden Kreistagswahlen (52,6 Prozent).
  • 70 von 250 deutschen      Landräten amtieren aufgrund von Direktwahlen, an denen weniger als ein      Drittel der Wahlberechtigten teilgenommen haben. Fünf Landräte wurden mit      einer Wahlbeteiligung von unter 20 Prozent gewählt. Den Negativrekord hält der Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt mit einer Wahlbeteiligung von nur      13,3 Prozent in der entscheidenden Stichwahl 2011.
  • Nur bei 13 der 145 direkten      Landratswahlen, die nicht mit einer allgemeinen Wahl zusammenfielen, lag die Beteiligung über 50 Prozent, davon neunmal in Bayern.
  • Nur bei zwei von 145      Landratswahlen, die nicht mit allgemeinen Wahlen zusammenfielen, lag die      Beteiligung an der  Direktwahl höher      als bei der entsprechenden Kreistagswahl.[5]
  • Nur bei 12 von 144 direkten      Oberbürgermeisterwahlen, die nicht mit allgemeinen Wahlen zusammen fielen,      lag die Beteiligung höher als bei den entsprechenden Ratswahlen, davon nur      in zwei größeren Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern.[6]

Bei einer durchschnittlichen Direktwahlbeteiligung von um die 35 Prozent muss man davon ausgehen, dass die Legitimation der Wahlsieger selten auf der Zustimmung von mehr als 20 Prozent der Wahlberechtigten basiert. Bei einer Wahlbeteiligung von unter 30 Prozent ist dieses Legitimationsdefizit besonders offenkundig.

Lediglich in Brandenburg gibt es im Wahlgesetz wenigstens für Landratswahlen eine Regelung für den Fall einer dramatisch niedrigen Beteiligung: Der Wahlsieger muss mindestens 15 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten erhalten haben, ansonsten fällt das Wahlrecht an den Kreistag zurück. Das war immerhin bei fünf der elf Direktwahlen in brandenburgischen Landkreisen der Fall.

Die Plebiszit-Lobby lehnt solche Quoren ab und hat wiederholt erfolgreich deren Absenkung durchgesetzt, wo sie existieren. Damit können Volks- bzw. Bürgerentscheide auch dann Beschlüsse gewählter Parlamente aushebeln, wenn sich daran weit weniger Bürger beteiligen als an den entsprechenden Wahlen. Zugleich stehen oft den Kommunalparlamenten Oberbürgermeister oder Landräte gegenüber, deren Direktwahl mit deutlich geringerer Wahlbeteiligung erfolgte.

Die Abstimmung mit den Füßen zeigt jedenfalls, dass die repräsentative Demokratie in Deutschland fester verankert als dies manche Theoriedebatte wahrnimmt. Dass die Bürger den Wahlen repräsentativer Parlamente so deutlich den Vorzug vor der Beteiligung an Plebisziten oder Direktwahlen geben, rechtfertigt sicherlich keine Ausweitung dieser Instrumente auf die Bundesebene.

Im Gegenteil wäre eine Debatte erforderlich, ob plebiszitäre Entscheidungsverfahren über Sach- und Personalfragen nicht in der Praxis längst gescheitert sind – zumindest wenn man die geringe Beteiligungsbereitschaft der Bürger ernst nimmt. Gerade weil sich die Plebiszit-Lobby diesem Realitätscheck gerne entziehen möchte, ist er dringend erforderlich.



[1] Lediglich in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg finden keine Direktwahlen statt.

[2] In den 45 Landkreisen von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein werden Landräte nicht direkt gewählt.

[3] Landshut (64.000 Einw. / 50,7 Prozent) Memmingen (41.000 Einw. / 54,5 Prozent), Görlitz (53.000 Einw. / 52,9 Prozent), Hof (44.000 Einw. / 51,8 Prozent) und Tübingen (84.000 Einw. / 55 Prozent).

[4] Heidelberg (21,8), Reutlingen (23,8), Offenbach/Main (24,3), Duisburg (25,8), Essen (27,7), Mannheim (28,7), Halle (29,0), Mönchengladbach (29,6) Herne (29,9), Remscheid (30,2), Dortmund (30,9), Göttingen (31,2), Hagen (31,2), Moers (31,2), Recklinghausen (31,2), Bielefeld (31,3), Chemnitz (31,8), Lübeck (31,9), Bochum (32,9).

[5] Beide Landkreise liegen in Thüringen, nämlich der Landkreis Sonneberg und der Unstrut-Hainich-Kreis.

[6] Bei den größeren Städten handelt es sich um Kassel und Pforzheim, bei den weiteren Städten um Bayreuth, Brandenburg, Gera, Görlitz, Memmingen, Neubrandenburg, Norderstedt, Stralsund, Suhl und Villingen-Schwenningen.

RSS

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD
Dreimal "Beethoven in Bonn" von Stephan Eisel:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert, 2020) 34,90 €
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung, 2020) 8,99 €
Aktuell: Bonn und Beethovens Neunte (Taschenbuch, 166 Seiten bebildert (106 Seiten plus. engl. Übersetzung, 2024) 12,99€

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

30. Okt 2025

PETER HERBOLZHEIMER WIRD MIT EINEM

besonderen Konzert am 9. November gefeiert, denn 2025 er wäre 90 Jahre alt geworden. Der großartige Bigband-Leader hat auf Initiative von Helmut Kohl über 20 Jahre das Bundesjugend-jazzorchester (BuJazzO) geleitet. So kam es auch zur Freundschaft von Peter Herbolzheimer mit Stephan Eisel, der im Auftrag von Kohl das BuJazzO seit 1987 begleitete. Lesen Sie mehr…
30. Okt 2025

WEIL DAS "C" FÜR CDU UND CSU

nicht nur in Sonntagsreden gelten darf, hat sich eine Gruppe von Mitgliedern in der Plattform COMPASS MITTE zusammengefunden. Stephan Eisel hat sich angeschlossen, weil er für eine CDU steht, die soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und menschliche Verantwortung vereint. Lesen Sie mehr…
11. Okt 2025

NACH IHRER WAHLNIEDERLAGE SOLLTEN SICH

die Bonner Grünen in der Opposition erneuern. Sie haben in den letzten Jahren als Teil der Ratsmehrheit die Kommunalpolitik in der Bundesstadt wesentlich geprägt und sind dabei immer mehr zu kompromisslosen Vorstellungen abgedriftet, die die Stadtgesellschaft vor allem in den letzten fünf polarisiert haben als sie auch die Oberbürgermeisterin gestellt haben. Der Partei und der Stadt würde eine Umkehr guttun. Lesen Sie mehr…
11. Okt 2025

DER NEUE BONNER OB GUIDO DEUS STEHT

als Verwaltungschef vor schwierigen Herausforderungen: Die Stadtverwaltung muss das Pro und Contra ihrer Vorschläge transparent zu machen, und diesen Vorschlägen nicht Wunschdenken, sondern die Realität in der Stadt zugrunde legen. Dafür  Adenauerallee und der Beethovenhalle zwei typische Beispiele. Lesen Sie mehr…
29. Sep 2025

DIE KLARE WAHL VON GUIDO DEUS

von der CDU zum neuen Bonner Oberbürgermeister war in erheblichem Maß eine Abwahl der bisherigen Amtsinhaberin Katja Dörner von den Grünen. Mit ihrer monothematischen und kompromisslosen Politik gepaart mit der Anmutung moralischer Überlegenheit verlor sie in fünf Jahren zehn Prozent der Stimmen und Guide Deus siegte mit dem Rekordergebnis von 54 Prozent. Lesen Sie mehr…
26. Sep 2025

VERSÄUMNISSE VON STADTDIREKTOR FUCHS

als Wahlleiter bei der Bonner OB-Wahl 2020 wurden wurden vom NRW-Innenministerium bestätigt. In einer Antwort an den Bonner Ex-MdB Eisel, der eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht hatte heisst es, dass „die Stadt Bonn ihrer Pflicht – zeitgerechte Übersendung von Briefwahlunterlagen – nicht ausreichendem Maße nachgekommen" sei. Jetzt wiederholt sich das gleiche Chaos 2025.
Lesen Sie mehr…
26. Sep 2025

DAS DESASTER UM DIE BEETHOVENHALLE

wollen besonders die Bonner Grünen vergessen machen. Sie sind wesentlich dafür verantwortlich, dass es zu einem Millionengrab von 221 Mio € für die "denkmalgerechte Sanierung" der Mehrzweckhalle kam. Wer aber Fehler  verdrängt, kann aus ihnen nicht lernen. Lesen Sie mehr…
25. Sep 2025

DER BLICK AUF DEN KERN

christdemokratischer Politik ist wesentlich spannender als die oft gestellt Frage, was konsersativ sei - denn die CDU ist keine konservative Partei. Sie muss allerdings selbst ihre Idendität als christdemokratische Union stärker verdeutlichen. Lesen Sie mehr…
15. Sep 2025

DIE BONNER KOMMUNALWAHLEN AM

14. September 2025 haben ein klares Ergebnis: Die von den Grünen geführte Ratskoalition hat keine Mehrheit mehr, die CDU ist klar stärkste Fraktion und in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters startet Guido Deus (CDU) mit 39 Prozent aus der Pole-Position und gegen die im 1. Wahlgang geschlagene Amtsinhaberin Dörner (Grüne) mit 33 Prozent. Lesen Sie mehr…
09. Sep 2025

ALS DAS BEETHOVEN-FESTSPIELHAUS

vor zehn Jahren gescheitert ist, war das die größte Fehlentscheidung der Bonner Kommunalpolitik in den letzten Jahrzehnten. Die Zögerlichkeit von Rat und Verwaltung verhinderten ein Jahrhundertprojekt, von dem die Beethovenstadt eigentlich nur träumen konnte: Am Rhein wäre ein Konzertsaal von Weltrang entstanden – im Bau völlig privat finanziert, im Betrieb weitgehend vom Bund getragen und von einer breiten bürgerschaftlichen Bewegung unterstützt.  Lesen Sie mehr…
01. Sep 2025

BEI DER KOMMUNALWAHL AM 14. SEPTEMBER

stehen die Wähler in Bonn vor der Frage, ob sie ein grünes WEITER SO wollen oder den von der CDU vorgeschlagenen NEUSTART. Vor allem mit einer ideologischen Verkehrspolitik haben haben die Grünen die Stadtgesellschaft in bisher nicht gekanntem Ausmaß gespalten. Lesen Sie mehr…
14. Aug 2025

ZUR KOMMUNALWAHL AM 14. SEPTEMBER

ist die Frage zu stellen, was die von den Grünen seit 2020 geführte Ratsmehrheit und die grüne Verwaltungsspitze für Bonn gebracht haben. Ins Auge fallen dabei die  mono-thematische Fixierung auf Fahrradfahrer, die drmatische Zunahme der Verschuldung der Stadt und eine bisher nicht gekannte Polarisierung der Stadtgesellschaft. Lesen Sie mehr…
14. Aug 2025

SEIT 2020 HABEN DIE GRÜNEN IN BONN

in Rat und Verwaltung das Sagen. Vieles aus diesen fünf Jahren ist in Vergessenheit geraten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit rufen einige Schlaglichter in Erinnerung, was die grüne Mehrheit in der Verkehrspolitik, bei der Bürgerbeteiligung, der Verschuldung oder der Beethovenhalle bedeutet hat. Lesen Sie mehr…
14. Aug 2025

OBERBÜRGERMEISTERKANDIDAT GUIDO DEUS

will einen Neustart für Bonn und hat dazu unter anderem einen 12-Punkte-Plan vorgelegt, der seine dringlichsten Vorhaben beschreibt. Unter anderem geht es dem Landtagsabgeordneten darum, die Einseitigkeit der grünen Verkehrspolitik zu überwinden, den städtischen Haushalt zu konsolidieren und die Verwaltung stärker zum Dienstleister für Bürger zu entwicklen. Lesen Sie mehr…
14. Mrz 2025

MEINE GEDANKENANSTÖSSE ZU AKTUELLEN

Themen sollen zum Innehalten einladen, wo ein medialer Hype oft zu Kurzschlüssen verführt. Demokratie braucht ebenso Zeit zum Austausch der Argumente wie Klarheit der Positionen. Hier finden Sie einige Kommentare vom Februar/März 2025. Lesen Sie mehr…