Volltextsuche:

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

03. Januar 2023
Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk.
BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

 

    Den folgenden Text können Sie
    hier ausdrucken.
 

 

Stephan Eisel 

Bildungspolitik mit christlichem Menschenbild:
Bega­bungsvielfalt statt Akademikereinfalt 

Es ist üblich geworden, die Qualität unseres Bildungssystem an der Zahl der Abiturienten oder Stu­denten zu messen. Dabei stilisiert die öffentliche Debatte vor allem das Studium als besten Weg zu einem glücklichen Leben. Inzwischen liegt der Anteil der Studienanfänger in Deutschland bei 43 Prozent eines Jahrganges (!!!), die OECD schwärmt von einer 90-Prozent-Zielmarke. 

Dieser Trend der Akademikerüberhöhung verweigert nicht nur der Begabungsvielfalt der Menschen den Respekt, sondern entfernt sich auch besorgniserregend von der Lebens- und Arbeitswirklich­keit: Nach Angaben des Statischen Bundesamtes hat Deutschland zur Zeit 81,8 Mio Einwohner. 16 Mio Menschen sind in Deutschland älter als 65 Jahre, fast 11 Mio jünger als 15 Jahre. Von den 54 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter von 15 - 65 Jahren sind 41 Mio erwerbstätig und wei­tere 2,4 Mio erwerbslos und auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Über 10 Mio Menschen im Al­ter von 15-65 Jahren sind nicht erwerbstätig und bewerben sich auch nicht um eine Arbeitsstelle. 

Oft wird verdrängt, dass zwei Drittel der Erwerbstätigen eine Lehre in der dualen Ausbildung absol­viert oder eine Fachschule abgeschlossen haben. Aber diese Zahl spiegelt die Erfordernisse des Ar­beitsmarktes wieder. Akademiker bilden unter den Erwerbstätigen mit 16,2 Prozent eine kleine Min­derheit. Dennoch stehen zur Zeit den 2,2 Mio Studierenden nur 2,8 Mio Jugendliche in der dualen beruflichen Ausbildung gegenüber. 

Die Konjunktur der Klage über den Fachkräftemangel zeigt wie die Überbewertung der akademi­schen Ausbildung am Arbeitsmarkt vorbeigeht. Diese Akademikerfixierung ist auch kein Betrag dazu, den Anteil von 18 Prozent der Erwerbstätigen zu reduzieren, der keinen beruflichen Bildungs­abschluss hat. 

Um den tatsächlichen Bedarf des Arbeitsmarktes trotzdem zu erfüllen, werden unter dem Mantel ei­ner Steigerung der „Akademikerquote“ tatsächlich die Anforderungen im Bildungssystem verändert und junge Menschen in die Irre geführt: Die mit ca 25 Prozent immer noch sehr hohe Studienabbre­cherquote führt nicht etwa zu einer kritischen Diskussion über die große Zahl von Studienanfän­gern. Im Gegenteil: Die Verschulungsorgien des Bologna-Prozesses definieren akademische Ausbil­dung so um, dass sie begabungsunabhängig für jeden absolvierbar ist, statt die Bedingungen für die tatsächlich akademisch Begabten zu verbessern. 

Seit einigen Jahrzehnten vermindert genau diese Strategie der Nivellierung auch den Gehalt gymna­sialer Ausbildung: Das Abitur kann heute keineswegs mehr automatisch als Ausweis solider Allge­meinbildung im Sinne der traditionellen Hochschulreife angesehen werden. Das ist auch über­flüssig, wenn die Hochschule zugleich zur verlängerten gymnasialen Oberstufe wird, damit mög­lichst viele zum Studium zugelassen werden können. 

Zugleich wird die handwerkliche Ausbildung in einem problematischen Ausmaß verakademisiert und damit die Praxis von der Theorie verdrängt. Verräterisch ist schon das Wort von der „höheren“ Bildung, die doch in Wahrheit nur eine theoretischere Bildung ist. 

Der Fixierung auf akademische Bildung liegt ein Menschenbild zugrunde, das die Gleichwertigkeit der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit negiert. Handwerkliche Begabung und Bildung sind aber im Blick auf die Wertigkeit des Einzelnen und für unsere Gesellschaft insgesamt ebenso wichtig wie akademische Bildung. Trotzdem wird in der Ausbildung etwa zu Pflegeberufen oder auch in Kindergärten abstrakt-theoretischer Kompetenz immer häufiger höhere Bedeutung beigemessen als praktisch-menschlicher Begabung. Menschen mit solchen praktischen Begabungen werden heute immer schneller als “bildungsfern“ abgestempelt anstatt ihr Talent der Lebensnähe zu würdigen. 

Tatsächlich sind aber eher Akademiker in vielen Fragen des Lebensalltags lebensferne Analphabe­ten und auf Hilfe angewiesen: Je höher die Akademikerquote umso weniger Menschen haben die Qualifikation, ein Schwein zu schlachten, einen Bus im öffentlichen Nahverkehr zu steuern oder ei­ner Wasserrohrbruch zu reparieren. Das mag trivial und provokativ zugleich klingen, beschreibt aber die Lebenswirklichkeit: Jeder möge sich vergegenwärtigen, ob er im Tagesablauf mehr hand­werklich-praktische oder akademisch-theoretische Dienstleistungen in Anspruch nimmt. 

Dabei wissen die Menschen wissen auch sehr genau, dass Klugheit und Lebenstauglichkeit keine Frage des akademischen Ranges ist. 

Wer den allgemein beklagten Fachkräftemangel einfach mit einem Akademikermangel gleichsetzt, verabschiedet sich im übrigen auch von einem gegliederte Bildungswesen, das mit unterschiedli­chen Angeboten verschiedene Begabungen fördert, ohne sie in eine wertende Rangfolge zu bringen. 

Was soll aber angesichts dessen beispielsweise die große Mehrheit der Nicht-Akademiker davon halten, wenn die Steigerung der Geburtenrate von Akademikerinnen als prioritäres Ziel der Famili­enpolitik verkündet wird ? Der akademisch dominierte Politikbetrieb steht in der Gefahr, sich selbst von der Lebenswirklichkeit zu isolieren, wenn (Bildungs)Politik als akademische Klientelpolitik empfunden wird und die nicht-akademischen Begabungen und Fähigkeiten der Menschen an den Rand gedrängt werden. Mit ihrer Wandlung von der „Arbeiter- zur Lehrerpartei“ hat die SPD diesen Weg vor Jahrzehnten eingeschlagen und steht heute vor den Folgen ihres Endes als Volkspartei. Die Grünen sind diesen Weg schon immer gegangen. 

Die Union sollte ihre Alternative der politischen Anerkennung und förderung der Begabungsvielfalt der Menschen deutlicher zu machen. Für die CDU ist ihr Markenkern das christliche Menschenbild und der ihm innewohnende Respekt vor der Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit der Men­schen. Das ist die Voraussetzung für ihre Stärke als Volkspartei. Es wäre gut, wenn das auch in der Bildungspolitik wieder deutlicher wird.

RSS

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD

BESTELLUNG: KLICK AUF BILD
Dreimal "Beethoven in Bonn" von Stephan Eisel:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert, 2020) 34,90 €
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung, 2020) 8,99 €
Aktuell: Bonn und Beethovens Neunte (Taschenbuch, 166 Seiten bebildert (106 Seiten plus. engl. Übersetzung, 2024) 12,99€

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

21. Okt 2024

ZUR 12. OPERNGALA IN BONN ZUGUNSTEN

der Deutschen AIDS-Stiftung am 17. Januar 2025 lädt der Bonner CDU-Bundestagskandidat Hendrik Streeck ein. Er ist zugleich Vorsitzender des Kuratoriums der AIDS-Stiftung.  Lesen Sie mehr…
05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
01. Aug 2023

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…