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4) Aus dem Kapitel "Politische Bekenntnismusik"

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Am bekanntesten im Zusammenhang mit politischer Wirkung von Musik sind wohl die Vorgänge nach der Aufführung von Daniel Aubers Die Stumme von Portici 1830 in Brüssel. Die rhythmisch anfeuernden Melodien und das Freiheitslied des Masaniello - als Führer des Prinzen, der seine taubstumme Schwester verführt und betrogen hat - gaben den unmittelbaren Anstoß zu jenen Unruhen, die schließlich zur belgischen Unabhängigkeit führten. Es ist kennzeichnend, dass insbesondere der Komponist selbst von diesen Folgen seiner Musik überrascht war. Welche Wirkungen die neue Gattung der Oper haben konnte, war schon 1774 in Paris aufgefallen, als Iphigenie auf Aulis von Christoph Willibald Ritter von Gluck uraufgeführt wurde. Das Werk löste nicht nur große Zustimmung aus, sondern auch eine ganz unerwartete Reaktion: Insbesondere die kriegerische Arie des Achilles veranlasste viele Offiziere zu spontaner Begeisterung, die sich durch demonstratives Ziehen der Degen Ausdruck verschaffte.

Selbst in Mozarts Schaffen finden sich übrigens überraschende politische Bezüge: Seine Entführung aus dem Serail endet mit der unvermuteten Großmut eines türkischen Herrschers, die diesen Schicksalgegner der Habsburgermonarchie moralisch überlegen erscheinen lässt. Das Werk wurde in Wien uraufgeführt, als man sich dort gerade auf den 100. Jahrestag des Sieges über die Türken 1683 vorbereitete. Aktueller Anlass der Oper war ursprünglich der Besuch des russischen Großfürsten Paul, der die Stabilität des russisch-österreichischen Bündnisses gegen die Türkei unterstreichen wollte. Das freundliche Bild der Türken, das Mozart entworfen hatte, führte dann nicht von ungefähr dazu, dass bei einem Staatsbesuch zwei politisch weniger brisante Opern zur Aufführung kamen.

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