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UM HELFENDE HÄNDE UND KLUGE KÖPFE

sollten es bei der Ausbildung junger Leute gehen. Die in Deutschland modische Akademikerfixierung führt in die Sackgasse und ignoriert die Begabungsvielfalt der Menschen.
UM HELFENDE HÄNDE UND KLUGE KÖPFE

 

 

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

 

 

Stephan Eisel

Bega­bungsvielfalt statt Akademikereinfalt:

Kluge Köpfe brauchen helfende Hände

Es ist üblich geworden, die Qualität unseres Bildungssystem an der Zahl der Abiturienten oder Stu­denten zu messen. Dabei stilisiert die öffentliche Debatte vor allem das Studium als besten Weg zu einem glücklichen Leben. Inzwischen liegt der Anteil der Studienanfänger in Deutschland bei 54 Prozent eines Jahrganges (!!!), die OECD schwärmt von einer 90-Prozent-Zielmarke.

Dieser Trend der Akademikerüberhöhung verweigert nicht nur der Begabungsvielfalt der Menschen den Respekt, sondern entfernt sich auch besorgniserregend von der Lebens- und Arbeitswirklichkeit:

Nach Angaben des Statischen Bundesamtes hat Deutschland zur Zeit 83,2 Mio Einwohner.  17,4 Mio Menschen sind in Deutschland älter als 65 Jahre, nur 9,8 Mio jünger als 15 Jahre. 44,9 Mio Menschen sind erwerbstätig – davon 3,9 als Selbstständige oder mithelfende Familienangehörige. 3,4 Mio Menschen sind arbeitslos und auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Zugleich wurden 2022 ca. 800.000 offene Stellen gemeldet und der „Fachkräftemangel“ ist allgegenwärtig: Ob im Gesundheitswesen, in der Gastronomie, an Flughäfen oder bei Airlines, im Handwerk oder in der Metall- und Elektro-Industrie.

Die Zahl der Auszubildenden geht seit Jahren kontinuierlich zurück: 2022 waren es nur noch 1,2 Mio, davon nur 350.000 im Handwerk. Dem standen im gleichen Jahr 2,9 Mio Studenten gegenüber. 1975 lag der Akademikeranteil bei den Erwerbstätigen in Deutschland noch bei 7 Prozent, 2018 mit 15,8 Prozent schon mehr als doppelt so hoch. Zugleich lag im Studienjahr 2022 die Studienanfängerquote in Deutschland bei 54,7 Prozent, mehr als die Hälfte junge Leute eines entsprechende Geburtsjahrgangs beginnen also ihre Ausbildung an einer Hochschule.

Die Konjunktur der Klage über den Fachkräftemangel zeigt, wie die Überbewertung der akademi­schen Ausbildung den Arbeitsmarkt belastet. Diese Akademikerfixierung ist auch kein Betrag dazu, den Anteil von 18 Prozent der Erwerbstätigen zu reduzieren, der keinen beruflichen Bildungs­abschluss hat.

Um das Ziel einer Steigerung der „Akademikerquote“ zu erreichen, werden zudem die tatsächlichen Anforderungen der akademischen Ausbildung verändert und reduziert. Dennoch liegt die die Studienabbrecherquote bei ca. 25 Prozent. Das führt aber nicht etwa zu einer kritischen Diskussion über die hohe Zahl von Studienanfängern. Im Gegenteil: Die Verschulungsorgien des Bologna-Prozesses definieren akademische Ausbil­dung so um, dass sie durch Niveausenkung für mehr junge Leute absolvierbar wird anstatt die Bedingungen für die tatsächlich akademisch Begabten zu verbessern.

An den Schulen gibt es seit Jahren eine ähnliche Entwicklung: die Zahl der 1er-Abis steigt, weil das Niveau abgesenkt wird. Das Abitur kann heute keineswegs mehr automatisch als Ausweis solider Allge­meinbildung im Sinne der traditionellen Hochschulreife angesehen werden. Das ist auch überflüssig, wenn die Hochschule zugleich zur verlängerten gymnasialen Oberstufe wird, damit möglichst viele zum Studium zugelassen werden können. So werden junge Menschen in die Irre geführt und auf einen Ausbildungsweg gelockt, der nicht ihren Begabungen entspricht.

Zugleich wird die handwerkliche Ausbildung in einem problematischen Ausmaß verakademisiert und damit die Praxis von der Theorie verdrängt. Trotzdem wird in der Ausbildung etwa zu Pflegeberufen oder auch in Kindergärten abstrakt-theoretischer Kompetenz immer häufiger eine höhere Bedeutung beigemessen als praktisch-menschlicher Begabung. Wer zu uns aus dem Ausland kommt und seine bisherigen beruflichen Leistungen anerkannt haben möchte, kann davon ein trauriges Lied singen. Da landet die erfahrene Erzieherin, die 20 Jahre erfolgreich im Kindergarten gearbeitet hat, schon einmal als Hilfskraft in der Küche, weil ihr bei uns nicht zugetraut wird, was sie in ihrer Heimat täglich nachgewiesen hat. In Deutschland wird immer seltener die Praxis bewertet und immer häufiger, was auch dem (Zeugnis)papier steht.

Verräterisch ist schon das Wort von der „höheren“ Bildung, die doch in Wahrheit doch nur eine theoretischere Bildung ist. Akademiker sind auf vielen Gebieten tatsächlich lebensferne Analphabeten: vom Schlachten eines Schweines über den Einbau einer Wärmepumpe bis zum Bau eines Hauses oder dem Steuern eines Busses im öffentlichen Nahverkehr - und manchmal schon beim Einschlagen eines Nagels. Jeder möge sich vergegenwärtigen, ob er im Tagesablauf mehr hand­werklich-praktische oder akademisch-theoretische  Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

Der Fixierung auf akademische Bildung liegt ein Menschenbild zugrunde, das die Gleichwertigkeit der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit negiert. Handwerkliche Begabung und Bildung sind aber im Blick auf die Wertigkeit des Einzelnen und für unsere Gesellschaft ebenso wichtig wie akademische Bildung. Menschen mit solchen praktischen Begabungen werden heute immer schneller als “bildungsfern“ abgestempelt anstatt ihr Talent der Lebensnähe zu würdigen. Unsere Gesellschaft ist auf vermeintlich „kluge Köpfe“ fixiert und schätzt „helfende Hände“ zu gering.

Dabei wissen die Menschen wissen doch sehr genau, dass Vernunft und Lebenstauglichkeit keine Frage des akademischen Ranges ist. Deshalb ist es auch problematisch, Zuwanderung vornehmlich bei akademischen Bildungsabschlüssen zu erleichtern und vor allem das Potential der Ausländer und Flüchtlinge nicht zu nutzen, die bereits hier sind. Das bestehende Arbeitsverbot für abgelehnte Asylbewerber ist schon deshalb widersinnig, weil von der Gastronomie über die Postzustellung bis zur Gepäckabfertigung auf Flughäfen zahllose Dienstleister gesucht werden. Das neue „Chancen-Aufenthaltsrecht“ ist hier ein Schritt in die richtige Richtung und verbessert für die, die seit Jahren hier sind, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus nicht nur die Chance, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch eine Ausbildung zu absolvieren.  

Wer den allgemein beklagten Fachkräftemangel einfach mit einem Akademikermangel gleichsetzt, verabschiedet sich im übrigen auch von einem gegliederte Bildungswesen, das mit unterschiedli­chen Angeboten verschiedene Begabungen fördert, ohne sie in eine wertende Rangfolge zu bringen.

Was soll beispielsweise die große Mehrheit der Nicht-Akademiker davon halten, wenn die Steigerung der Geburtenrate von Akademikerinnen als prioritäres Ziel der Famili­enpolitik verkündet wird ? Der akademisch dominierte Politikbetrieb steht in der Gefahr, sich selbst von der Lebenswirklichkeit zu isolieren, wenn (Bildungs)Politik als akademische Klientelpolitik empfunden wird und die nicht-akademischen Begabungen und Fähigkeiten der Menschen an den Rand gedrängt werden. Mit ihrer Wandlung von der „Arbeiter- zur Lehrerpartei“ hat die SPD diesen Weg vor Jahrzehnten eingeschlagen und steht heute vor den Folgen ihres Endes als Volkspartei. Die Grünen sind diesen Weg schon immer gegangen.

Die Union sollte ihre Alternative der politischen Anerkennung und Förderung der Begabungsvielfalt der Menschen deutlicher zu machen. Für die CDU ist ihr Markenkern das christliche Menschenbild und der ihm innewohnende Respekt vor der Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit der Men­schen. Das ist die Voraussetzung für ihre Stärke als Volkspartei. Es wäre gut, wenn das im Alltag wieder deutlicher wird.

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