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WIDERSPRUCH, HERR VERTEIDIGUNGSMINISTER

zu wichtigen Aussagen zur Zukunft des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr in Bonn in einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger. Weder kann das Berlin-Bonn-Gesetz einfach außer Kraft gesetzt werden, noch ist die Region Köln/Bonn im Blick auf Dienstposten der Bundeswehr einseitig bevorzugt.
Foto: Fiegel
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Wo der Verteidigungsminister im Blick auf die Zukunft der Hardthöhe falsch liegt 

In einem Interview mit dem Bonner General-Anzeiger hat der Bundesverteidigungsminister Anfang Septem­ber den Ton in der Debatte um die Zukunft der Hardthöhe verschärft. Der General-Anzeiger titelte sogar „De Mazière droht Bonn“. In der Tat sind einige Aussagen des Interviews problematisch und können nicht unkom­mentiert bleiben - auch wenn man akzeptiert, dass es nicht ohne Folgen für das Ministerium bleiben kann, wenn die Stärke der Bundeswehr von bisher 250.000 Soldaten auf „bis zu“ 185.000 Soldaten reduziert wird.

Erstens kann die Aussage des Ministers nicht unwidersprochen bleiben, er wolle „so viele Mitarbeiter wie möglich nach Berlin holen.“ Zur Zeit arbeiten etwa 2500 Ministeriumsbediens­tete in Bonn und 600 in Berlin. Es wäre inakzeptabel, wenn eine Verkleinerung des Ministeriums fast aus­schließlich den Bonner ersten Dienstsitz und praktisch nicht den Berliner zweiten Dienstsitz betrifft oder gar zur Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Berlin genutzt wird. Das würde eindeutig dem Bonn-Berlin-Gesetz widersprechen.

Dort verpflichtet sich der Bund in Artikel 1 Absatz 3 ausdrücklich zum „Erhalt und Förde­rung politischer Funk­tionen in der Bundesstadt Bonn in folgenden Politikbereichen ... e) Verteidigung““ Dementsprechend hat die Bundesregierung am 11. Dezember 1991 und am 3. Juni 1992 die Aufteilung der Bundesministerien auf Ber­lin und Bonn festgelegt und dies durch die "Bekanntmachung über die Sitzent­scheidung der Bundesregierung vom 22. Juli 1999“ bestätigt. Dazu gehörte die Festlegung des 1. Dienstsit­zes des Bundesverteidigungsmi­nisteriums in Bonn. Man kann nicht „so viele Mitarbeiter wie möglich nach Berlin holen“, ohne den 1. Dienst­sitz in Frage zu stellen. Glücklicherweise liegt eine Sitzveränderung nicht im Ermessen des Verteidigungsmi­nisters, sondern bedürfte der Zustimmung des Bundeskabinetts insgesamt.

Darüber hinaus kann die im Berlin-Bonn-Gesetz festgeschriebene Verpflichtung der Regierung, sich um „Er­halt und Förderung politischer Funktionen“ im Politikbereich Verteidigung zu kümmern, nicht einseitig von der Bundesregierung außer Kraft gesetzt werden. Die Exekutive ist in einer Demokratie an die Entscheidun­gen der Legislative gebunden und kann Gesetze nicht einfach ignorieren.

Zweitens ist es in diesem Zusammenhang außerordentlich befremdlich, dass der Bundesverteidigungsminis­ter in seinem Interview den Bonnern davon abrät, sich „auf die Buchstaben des Berlin/Bonn-Gesetzes zu be­rufen.“ Was soll denn bei einem Gesetz gelten, wenn nicht dessen Buchstaben. Es wäre gut, wenn der Minis­ter seine merkwürdige Äußerung korrigieren würde. Gesetzestreue ist nicht teilbar.

Drittens stellt der Bundesverteidigungsminister zweifelhafte Berechnungen an, mit denen er nachweisen will, es gebe „es keine einzige Region in der Bundesrepublik Deutschland, die so viele Dienstposten hat wie diese Region.“ Nun sind Zahlen der Bundeswehr-Dienstposten an einzelnen Standorten aus verständlichen Grün­den nicht immer öffentlich. Aber schon wenige bekannte Beispiele aus Norddeutschland zeigen, wie fragwür­dig die ministerielle Aussage ist: So bringt es Bonn bei 320.000 Einwohnern auf 6000 Dienstposten (incl. Ministerium) , aber allein das viele kleinere Wilhelmshaven (80.000 Einwohner) beherbergt über 8.000 Dienstposten. Wenn man den Rhein-Sieg-Kreis und Köln dazu nimmt, kommt man auf 15.400 Bundeswehr-Stellen, in einem entsprechenden Umkreis um Wilhelmshaven sind es 16.000. Wenn man wie der Minister dann auch noch Koblenz dazu nimmt und man legt einen entsprechenden Radius um Städte wie Hamburg oder Bremen kommt dort auf ganz ähnliche Größenordnungen von ca. 22000 Dienstposten – und zwar ohne das vom Minister selbst als „statistisch führend“ genannte Schleswig-Holstein. Die Region Köln/Bonn ist also keineswegs bevorzugt. Wenn die vom Minister angeführte „Dichte von Soldaten pro Einwohner“ ein Kriterium für das künftige Stationierungskonzept sein soll, müssen deshalb vergleichbare Zahlen auf den Tisch.

Das General-Anzeiger-Interview von Thomas de Maizière zeigt im übrigen erneut, wie wichtig es ist, in großer regionaler und überparteilicher Einigkeit immer wieder auf die wichtigsten Geschäftsgrundlagen beim Thema Bonn-Ber­lin hinweisen: 

  • Am Grundprinzip des Berlin-Bonn-Gesetzes, für alle Bundesministerien einen Dienstsitz in Berlinund Bonn fest­zulegen, darf nicht gerüttelt werden. Im Gesetz (Artikel 4) heisst es dazu: „Bun­desministerien befinden sich in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn ... Die in der Bundesstadt Bonn verbleibenden Bundesministerien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundes­hauptstadt Berlin erhalten. ...Die ihren Sitz in der Bundeshauptstadt Berlin nehmenden Bundesminis­terien sollen auch einen Dienstsitz in der Bundesstadt Bonn behalten.“ Wer sich hier auf Kompromis­se einlässt, gefährdet die Voraussetzung für die Standortsicherheit vieler Institutionen von der UNO bis zur Hochschulrektorenkonferenz in Bonn.
  • Die Vorgabe des Berlin-Bonn-Gesetzes, die „Organisation der Bundesregierung“ solle „so gestaltet werden, dass insgesamt der größte Teil der Arbeitsplätze der Bundesministerien in der Bun­desstadt Bonn erhalten bleibt“ muss weiter gelten. Eine Verklei­nerung von Ministerien darf nicht ein­seitig zu Lasten der Bonner Standorte gehen oder zur Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Berlin miss­braucht werden. Nur unter dieser Vor­aussetzung kann es sinnvoll sein, pragmatische Lösungen wie beim aus dem Justizministerium ausgeglie­derten Bun­desamt für Justiz zu vereinbaren. Dabei ist die Zahl der dau­erhaft gesicherten Bundesarbeitsplät­ze wichtiger als das Türschild.

  • Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitsteilung zwischen Berlin und Bonn funktio­niert und dem Steuerzahler viel Geld spart. Jährlich nimmt der Haushaltsausschuss des Bundesta­ges im „Teilungs­kostenbericht“ der Bundesregierung zur Kenntnis, dass die Kosten für zwei Regie­rungsstandorte nur bei ca. 9 Millionen lie­gen. Der Berlin-Umzug vor zehn Jahren hat rund 10 Milliar­den Euro gekostet. Selbst wenn man für einen „Totalumzug“ nur die Hälfte dieser Summe an­setzen würde, wür­den allein die Zinsen dafür jährlich bei ca. 200 Millionen Euro liegen. Das heißt: Weil es keinen To­talumzug gibt, spart der Steu­erzahler über 190 Millionen Euro im Jahr.

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