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EUROPAS PLEBISZIT-SKEPSIS WURDE

durch das griechische Europa-Referendum neu belebt. Nur neun der 28 EU-Mitgliedsstaaten haben Volksabstimmungen auch bei europapolitischen Themen praktiziert. Wo es um gemeinsame Fragen geht, kann ein nationales Plebiszit nämlich für sich nicht höhere demokratische Legitimität beanspruchen als die demokratische Willensbildung in den Partnerländern.
EUROPAS PLEBISZIT-SKEPSIS WURDE

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Stephan Eisel

Europas Plebiszit-Skepsis

Ein Drittel der EU-Mitglieder mit Europa-Abstimmungen

Nur sechsmal in NEIN in über vierzig Jahren

Zwar haben 25 der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union seit 1945 als demokratische Länder mindestens einmal Volksabstimmungen durchgeführt (die Ausnahmen sind Deutschland, Bulgarien und Zypern), aber nur neun von ihnen haben dies auch bei europapolitischen Themen praktiziert. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wo es um gemeinsame europäische Fragen geht, kann ein nationales Plebiszit für sich nicht höhere demokratische Legitimität beanspruchen als die demokratische Willensbildung in den europäischen Partnerländern.

Diese Problematik wurde durch das griechische Referendum über die europäischen Finanzhilfen vom 5. Juli 2015 unabhängig vom Ergebnis neu belebt. Zur sinnvollen Einordnung sind dabei einige Fakten hilfreich:

Zunächst ist bemerkenswert, dass trotz einer gewaltigen Medienkampagne die Beteiligung am griechischen Referendum vom mit 62, 5 Prozent knapp unter der Beteiligung an der letzten Parlamentswahl vom 25. Januar 2015 lag (63,8 Prozent). Besonders deutlich ist der Abstand zu den beiden einzigen anderen Nachkriegsreferenden in Griechenland: 1946 und 1974 wurde jeweils über Staatsform abgestimmt (Republik oder Monarchie) und es beteiligten sich 86,6 Prozent bzw. 75,6 Prozent der wahlberechtigten Griechen.

In den heutigen 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union fanden bisher 33 Referenden in 20 Ländern zu Europa-Themen statt: das erste am 10. Mai 1972 in Irland über den EU-Beitritt und das letzte Referendum nunmehr am 5. Juli 2015 in Griechenland zu den Bedingungen europäischer Finanzhilfen.

Spitzenreiter bei den europapolitischen Volksabstimmungen sind Irland (7) und Dänemark (5). Es folgen Frankreich (5) und Schweden (2). Nur jeweils einmal wurde über Europapolitik abgestimmt in Estland, Finnland, Griechenland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Tschechien und dem Vereinigtes Königreich.

In 14 Fällen ging es bei den Abstimmungen um den EU-Beitritt des jeweiligen Landes, und zwar in Dänemark (1972: 63,3 Prozent Ja-Stimmen), Estland (2003: 66,8 Prozent), Finnland (1994: 56,9 Prozent), Irland (1972: 83,1 Prozent), Lettland (2003: 67,5 Prozent), Litauen (2003: 91,1 Prozent), Malta (53,6 Prozent), Österreich (1994: 66,6 Prozent), Polen (2003: 77,6 Prozent), Schweden (1994: 52,3 Prozent), Slowakei (2003: 93,7 Prozent), Slowenien (89,6 Prozent), Ungarn (2003: 83,6 Prozent) und Tschechien (2003: 77,3 Prozent). In Norwegen scheiterte ein EU-Beitritt zweimal in Volksabstimmungen knapp (1972: 46,5 Prozent / 1994: 47,8 Prozent).

Lässt man die Beitrittsreferenden unberücksichtigt gab es bisher nur in 19 Fällen in neun EU-Mitgliedsländern europapolitische Volksabstimmungen, und zwar in Dänemark (1986, 1992, 1993 und 1998), Frankreich (1972, 1992 und 2005), Griechenland (2015), Irland (1987, 1992, 1995, 2001, 2002 und 2009), Luxemburg (2005), Niederlande (2005), Schweden (2003), Spanien (2005) und dem Vereinigtes Königreich (1975).

In lediglich sechs Volksabstimmungen zu Europa siegte in den EU-Mitgliedstaaten das NEIN- freilich immer mit Auswirkungen auf alle Partnerländer: 1992 bei der Abstimmung über den Maastrichter Vertrag in Dänemark (49,3 Prozent JA / 50,7 Prozent Nein), 2003 bei der Entscheidung über die EURO-Einführung in Schweden (42 / 55,9) sowie 2005 bei den Abstimmungen über die Europäische Verfassung in Frankreich (45,3 / 54,7) und den Niederlanden (38,5 / 61,5). In Irland war 2001 bei einer Wahlbeteiligung von nur 34,8 Prozent der Vertrag von Nizza abgelehnt worden (46,1 /53,9). Bei einer Beteiligung von 49,5 Prozent fiel das Ergebnis ein Jahr später positiv aus (2002: 62,9 /37,1).

Das griechische Referendum war das Plebiszit mit dem bei weitem kürzesten Vorlauf. Es war erst am 27. Juni 2015 von der Regierung angekündigt und am gleichen Tag vom Parlament beschlossen worden. Damit gab es nur eine Woche Vorlauf zur Abstimmung selbst, die aber offenkundig ohne größere organisatorische Probleme ablief.

Ungewöhnlich kompliziert war die Fragestellung, zumal ein Vertragsentwurf zur Abstimmung gestellt wurde, der zum Zeitpunkt der Abstimmung längst gegenstandslos geworden war:

„Soll der von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds der Eurogruppe am 25. Juni vorgelegte Entwurf einer Vereinbarung, der aus zwei Teilen besteht, welche einen einheitlichen Vorschlag darstellen, angenommen werden?
Das erste Dokument ist überschrieben «Reforms for the completion of the Current Program and Beyond» (Reformen für die Beendigung des laufenden Programms und darüber hinaus) und das zweite «Preliminary Debt sustainability analysis» (Vorläufige Schuldentragfähigkeitsanalyse).

Ungewöhnlich und einmalig war auch die Tatsache, dass auf dem Stimmzettel das NEIN („OCHI“) vor dem Ja („NAI“) stand.

Ganz ohne Absicht wird dies die Regierung nicht so entschieden haben, denn „Ochi“ ist ein Griechenland emotional sehr positiv besetzter Begriff. Neben dem Unabhängigkeitstag am 25. März ist der „Ochi-Tag am 28. Oktober“ der zweite griechische Nationalfeiertag. Er erinnert an den 28. Oktober 1940, als die Griechen die mit einer Kriegsdrohung versehene Unterwerfungsforderung Mussolinis ablehnten. Angeblich hat die griechische Regierung damals einfach nur ein Telegramm nach Italien geschickt, auf dem nur das Wort "Ochi" also "Nein" stand. Üblicherweise werden an diesem Militärparaden sowie Schüler- und Studentenumzüge organisiert, alle öffentlichen Gebäude sowie viele Privathäuser werden mit griechischen Flaggen geschmückt. An diese Emotionen ließ sich in der kurzen Regierungskampagne für ein NEIN zu den europäischen Finanzhilfen gut anknüpfen. Betroffen sind vom Ergebnis dieses einzelnen nationalen Plebiszits allerdings alle europäischen Partner.

 

 

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