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EIN TEURER SCHUSS IN DEN OFEN WAR

die Internetabstimmung "Bonn packts an" 2012. Höchstens 0,7 Prozent der wahlberechtigten Bonner beteiligten sich. Das ist ein bundesweiter Negativrekord. Selbst der prominteste Sparvorschlag erhielt nur 257 Voten. Nach Angaben der Verwaltung kostete die Aktion 145.000 Euro - etwa 100 Euro pro Teilnehmer.
EIN TEURER SCHUSS IN DEN OFEN WAR

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Zweite Internetabstimmung

„Bonn packts an" gescheitert

Bundesweiter Negativrekord

Die zweite Internetabstimmung „Bonn packts an" 2012 war angesichts der äußerst gerin­gen Teilnehmerzahlen ein teurer Schuss in den Ofen: Es haben sich höchstens 0,7 Prozent der Bonner Bürger an der Aktion beteiligt: Das ist ein bundesweiter Negativrekord und hat nichts mit seriöser Bürgerbeteiligung zu tun. Hier hat eine kleine Internetelite eine Spielwiese auf Kosten der Steuerzahler gefun­den. 

Vom 12. April bis 10. Mai 2012 waren 233.000 wahlberechtigte Bonner Bürger aufge­rufen, im Internet über Sparvorschläge für den städtischen Haushalt abzustimmen. Dazu genügte die Registrierung mit einer e-mail-Adresse. Mehrfachanmeldungen waren deshalb ebenso möglich wie die Teilnahme Ortsfremder. Dennoch wurden in den vier Wochen der Aktion lediglich 1.740 e-mail-Adressen registriert. Wieviele Bon­ner Bürger dahinter stehen, lässt sich nicht verlässlich sagen, aber nach den Erfah­rungen in anderen Kommunen und in Bonn 2011 gehen bis zu einem Drittel der Re­gistrierungen auf Mehrfachanmeldungen oder die Teilnahme Ortsfremder zurück.  

Selbst der am höchsten bewertete Bonner Sparvorschlag (Abschaffung der Oper) er­hielt lediglich 257 unterstützende Voten (Contra 203). Insgesamt hat die Internetbe­fragung nach Angaben der Stadtverwaltung mindestens 145.000 Euro gekostet. Das ist glatte Steuerverschwendung": Die Verwaltung hat für jeden Teilnehmer an „Bonn packts an" ca. 100 Euro ausgegeben. Im letzten Jahr hat die Aktion nach Angaben der Verwaltung sogar mehr als 300.000 Euro gekostet. Mit insgesamt einer halben Million Euro hätte man in diesen zwei Jahren sehr viel Sinnvolleres tun können. 

Abwegig ist die Aussage des zuständigen Projektleiters in der Stadtverwaltung, trotz der niedrigen Beteiligung sei es mit keinem anderen Instrument gelungen, so viele Menschen zum städtischen Haushalt zu erreichen. Allein die Bonner Ratspartei­en haben mehr als 10.000 Mitglieder, von denen viele ehrenamtlich an kommunalen Themen arbeiten. Mehrere hundert Bürger befassen sich in Vereinen mit städtischen Haushaltsfragen, weil ihre Arbeit unmittelbar davon abhängt. Schon in meinem eige­nen Newsletter-Verteiler habe ich doppelt so viele e-mail-Adressen als sich bei „Bonn packts an" registriert haben. Selbst die Zahl der ehrenamtlichen kommunalpolitischen Mandatsträger liegt höher als die Voten bei allen abgestimmten Sparvorschlag.

Ausserdem bevorzugt das Internetverfahren gut organisierte Interessengruppen: ein erheblicher Teil der Teilnehmer bei "Bonn packts an" ist auch 2012 von großen Bon­ner Vereinen aus aus den Bereichen Soziales, Sport, Kultur und Karneval durch ge­zielte e-mail-Aktionen in ihrer Mitgliedschaft mobilisiert worden..

Es spricht zwar viel dafür, das Internet auch bei kommunalen Fragen als zusätzliche Informations- und Diskussionsplattform anzubieten. Aber Abstimmungen im Internet sind das Gegenteil von demokratischer Bürgerbeteiligung, denn sie privilegieren klei­ne Internet-Eliten auf Kosten der großen Mehrheit der Bürger. Rat und Verwaltung in Bonn sollten das einsehen und diese teure Internetabstimmung nicht fortsetzen. 

Zur Information: Beteiligungsquote an Online-Haushalten in größeren Städten bezogen auf wahlbe­rechtigte Einwohner bei Einbeziehung von Mehrfachabstimmungen und Ortsfrem­den:

Bonn 2012: 0,7 Prozent
Frankfurt 2011: 0,7 Prozent
Essen 2010: 0,8 Prozent
Freiburg 2008: 0,8 Prozent
Aachen 2011: 0,9 Prozent
Köln 2009: 1,2 Prozent
Gütersloh 2010: 2,1 Prozent 
Solingen 2010: 2,8 Prozent
Bonn 2011: 4,7 Prozent

Wegen der negativen Erfahrungen haben bundesweit weniger als 50 Kommunen beschlossen, eine Online-Abstimmung zum städtischen Haushalt zu wiederholen. Darunter sind nur wenige größere Städte.

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