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DIE MEHRHEIT STEHT DEM INTERNET

mit großer Distanz gegenüber. Das ist auch eine Herausforderung für die Demokratie. Es wäre fatal, wenn „demokratiefähig“ nur ist, wer im Internet surfen kann und will. Die meisten Bürger nutzen das Netz nämlich garnicht oder nur selten.
DIE MEHRHEIT STEHT DEM INTERNET

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Mehrheit mit Internet-Distanz

 

Neue Studien zur Verankerung der digitalen Welt 

Bei aller offenkundigen Bedeutung des Internets ist es weder Volkssport noch dominiert es für die Mehrheit der Bürger den Alltag: Mehr als die Hälfte der deutsch­sprachigen Bevölke­rung über 14 Jahre nutzt das Internet nicht oder nur gelegentlich, ist im Umgang mit der Onli­ne-Welt wenig oder gar nicht selbstständig oder muss gar als „digital Outsider“ gelten. 

Angesichts dieses Befundes darf demokratisches politisches und staatliches Handeln für sich keine Dominanz oder gar Ausschließlichkeit der digitalen Welt zulassen. Freiheitliche Demo­kratie muss allen Bürgern den allgemeinen, unmittelbaren und gleichen Zugang zur politi­schen Arena garantieren: 

Es wäre fatal, wenn „demokratiefähig“ nur ist, wer im Internet surfen kann und will. 

Deshalb bleibt die nüchterne Analyse der Verankerung der digitalen Welt im Leben­salltag der Bürger ein zwingendes Grunderfordernis unseres demokratischen Alltages, das nicht unre­flektiertem Wunschdenken von Netzenthusiasten zum Opfer fallen darf. 

Grundsätzlich haben wir es in Deutschland mit einer dreifachen digitalen Spaltung zu tun: 

  • Erstens ist deutlich mehr als ein Viertel der Bevölkerung mangels Zugang generell vom Internet ausgeschlossen. Diese Rate veränderte sich in den letzten Jahren kaum.

  • Zweitens nutzt ein Drittel derer, die einen Internet Zugang haben, die bestehende Zu­gangsmöglichkeit nur selten. Schon wer nur einmal im Monat im Netz ist, gilt aber in den meisten Statistiken als „regelmäßiger“ Nutzer.

  • Drittens nutzt nur ein Drittel der sog. regelmäßigen Nutzer über passiv konsumieren­de Angebote wie den E-Mail-Abruf hinaus die interaktiven Möglichkei­ten des Inter­nets. Nur diese Minderheit ist zum Beispiel in sozialen Netzwerken unter­wegs. 

Im Ergebnis kann allenfalls ein Fünftel der deutschsprachigen Bevölkerung über vierzehn Jahre als aktive Nutzer des Social Web gelten. Trotz einer unterschiedlichen Internetnutzung in den verschiedenen Altersgruppen ist in den letzten Jahren nur eine geringe Veränderung der Gesamtquote zu verzeichnen. 

Dies hat auch damit zu tun, dass das Internet im Unterschied zum Konsummedium Fernsehen ein Aktivitätsmedium ist, dem deswegen na­türliche Grenzen in der Erreichbarkeit aller Bürger und der Nutzung durch alle Bürger gesetzt sind. Außerdem bestimmt das Internet das Leben derer weniger, die vom Altenpfleger über die Verkäuferin bis zum Busfahrer an ihrem Arbeitsplatz keine ständige Zugangsmöglichkeit haben. 

In den letzten Monaten sind verschiedene Studien erscheinen, die auf die eingeschränkte Verbreitung des Internets hinweisen und für eine realistische Betrachtung plädieren: 

 

Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI):

39 Prozent der über 14-Jährigen sind „digital Outsider“

https://www.divsi.de/divsi-milieu-studie

Die im Februar 2012 vorgelegte „Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet“ ist eine Grundlagenstudie des SINUS-Instituts Heidelberg im Auftrag des „Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI)“. In einer repräsentativen Umfrage wurden 2047 Face-to-Face-Interviews in der deutschen Wohnbevölkerung ab 14 Jahren durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte in den Monaten September und Oktober 2011. 

Nach dieser Studie stellt das Internet für 39 Prozent der Gesamtbevölkerung „eine digitale Barriere vor einer Welt dar, von der sie sich ausgeschlossen fühlen“. Dies gilt für 27 von 72 Millionen Menschen, die die deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 14 Jahre ausma­chen. Diese Menschen fühlten sich als „digital Outsiders“ im Internet wie in einer fremden Welt: „Sie sprechen weder die im virtuellen Raum übliche Sprache, noch verstehen sie die verwende­ten Symbole und Applikationen intuitiv; sie sind der digitalen Kulturtechnik nicht oder nur eingeschränkt mächtig. Vor diesem Hintergrund fühlen sie sich kaum in der Lage, im Internet eigenverantwortlich zu handeln, da sie die entsprechenden Konsequenzen nur sehr bedingt ab­schätzen können.“ Im einzelnen unterscheidet die Studie: 

  • Digital Outsiders“ (39 Prozent), die entweder offline oder verunsichert im Umgang mit dem Internet sind.

  • Digital Immigrants“ (20 Prozent), die sich regelmäßig, aber sehr selektiv im Internet be­wegen. Sie sind in der digitalen Welt nicht aufgewachsen und stehen vielen Entwick­lungen sehr skeptisch gegenüber.

  • Digital Natives“ (41 Prozent), für die die digitale Welt einen wesentlichen Teil des Lebens darstellt. Sie stehen dem Internet sehr positiv gegenüber und sehen die fort­schreitende Digitalisierung primär als persönliche Chance. 

Die Studie stellt fest, das 80 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung über 14 Jahren einen Internetzugang haben. Bedeutsamer als „der (all­mählich versandende) „digitale Graben“ zwi­schen Onlinern und Offlinern sind heute die Mentalitätsgrenzen zwischen verschiedenen Nut­zertypen.“ So würden auch von den Onlinern nur 38 % das Internet täglich nutzen. 

 

Initiative D 21:

61 Prozent im Internet-Umgang wenig oder nicht souverän

http://www.initiatived21.de/wp-content/uploads/2011/11/Digitale-Gesellschaft_2011.pdf

Die im Dezember 2011 von der „Initiative D21“ vorgelegte Studie „Digitale Gesellschaft 2011“ basiert auf 1000 von TNS Infratest Oktober 2011 durchgeführten Telefoninterviews

unter der deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahren. Insgesamt teilt die Studie die deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren in sechs Gruppen auf:
digita­le Außenseiter (26 Prozent), Gelegenheitsnutzer (28 Prozent), Berufsnutzer (7 Prozent), Trendnutzer (21 Prozent), digitale Profis (12 Prozent) und eine digitale Avantgarde (5 Pro­zent).

Der Anteil der „digitalen Außenseiter“ habe sich gegenüber 2010 nur um zwei Prozentpunkte verringert. Völlig unverändert seien die Anteile der Gelegenheitsnutzer und der (eher unfreiwilligen) Berufsnutzer geblieben. „Alle drei Gruppen zusammen bilden nach wie vor den Großteil der Bevölkerung ab, der im Umgang mit den digitalen Medien wenig oder nicht souverän ist.“ 

 

ARD-ZDF-Online-Studie 2011:

56 Prozent nutzen Internet nicht oder nur gelegentlich

http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/

Für die seit 1997 vorgelegte ARD/ZDF-Onlinestudie wurden im März und April l2011 bun­desweit 1800 Erwachsene in Deutschland befragt. Nach dieser Studie „stellen diejenigen, die das Internet gar nicht nutzen – laut ARD/ZDF-On­linestudie 2011 immerhin noch 26,7 Prozent der deutschen Bevölkerung – zusammen mit de­nen, die es nur gelegentlich nutzen, dies sind rund 30 Prozent, nach wie vor eine zahlenmäßig starke Gruppe dar.“

Dies sei insbesondere ein Problem für die sog. „EPartizipation“:

„Zurzeit scheint es, dass sich an dieser Form der Teilhabe am gesellschaftspolitischen Ge­schehen vor allem diejenigen beteiligen, die ohnehin schon aktiver an diesem teilnehmen als andere. Der digitale Graben in der Gesellschaft, der nur oberflächlich durch die hohe Internet­penetration von 73 Prozent ge­schlossen scheint, zeigt sich also auch hier.“ 

 

Bertelsmann-Stiftung:

54 Prozent lehnen Online-Abstimmungen ab

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_107591.htm

Die Umfrage der Bertelsmann Stiftung wurde zwischen 31. Mai und 6. Juni 2011 vom Mei­nungsforschungsinstitut TNS-EMNID unter 1.005 repräsentativ ausgewählten Bundesbürgern durchgeführt. 

Danach lehnen 54 Prozent der Befragten Online-Abstimmungen zur Entscheidungsfindung ausdrück­lich ab, nur 39 Prozent stehen elektronischen Petitionen und nur 32 Internet-Blogs positiv ge­genüber.

 

Infratest-dimap:

24 Prozent lehnen Internet-Foren grundsätzlich ab

http://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/umfragen/aktuell/buerger-wollen-mehr-mitspra­che-bei-energie-steuer-und-verkehrspolitik/

Für die im Februar 2012 vorgelegte Repräsentativstudie von Infratest-dimap in Zusammenar­beit mit der Herbert-Quandt-Stiftung und der Stiftung Zukunft Berlin wurden 1800 Bürger über 18 Jahre telefonisch befragt.

Danach meinen zwar 80 Prozent, das im Internet Menschen zu Wort kommen, die sich an­sonsten an der Politik nicht beteiligen würden und noch 56 Prozent finden, das Internet schaf­fe mehr Offenheit. Aber um gekehrt sagen auch 42 Prozent der Befragten, die Vielfalt der Meinungen im Internet mache die eigene Meinungsbildung schwerer. Während beispielsweise nur 3 Prozent der Befragten die Teilnahme an einer Bürgerversammlung prinzipiell ablehnen, schließen es 24 Prozent grundsätzlich aus, sich an Internetforen zu beteiligen

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