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DIE BONNER OB-WAHL IM SEPTEMBER

wird ein spannendes Kopf-Kopf-Rennen. Mit Ashok-Alexander Sridharan präsentiert die CDU zwar einen besonders qualifizierten Kandidaten, aber linkes und bürgerliches Lager sind in der Bundesstadt etwa gleich stark. Entscheidend wird der Schlußspurt zur Stichwahl sein.
DIE BONNER OB-WAHL IM SEPTEMBER

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Stephan Eisel

Entscheidend wird der Endspurt

Überlegungen zur Bonner OB-Wahl 2015 

Am 13. September bzw. in einer Stichwahl am 27. September 2015 wählen die Bonner ihren neuen Oberbürgermeister. Man kann vier Wochen vor diesem Wahltermin allerdings nicht behaupten, dass der Wahlkampf schon in der Bürgerschaft angekommen wäre. Die zunehmende Plakatierung erhöht zwar den Bekanntheitsgrad der Kandidaten, aber thematische Schwerpunkte sind kaum  erkennbar. Irgendwie ist die orientierungslose Lethargie der ausklingenden Amtszeit von OB Nimptsch (SPD) immer noch bestimmend. 

Aber es geht um eine wichtige Bonner Zukunftsentscheidung, die jede Aufmerksamkeit verdient: 

Mit Ashok Alexander Sridharan (50) hat die CDU einen besonders qualifizierten Kandidaten gefunden. Er  bringt reichhaltige berufliche Erfahrung aus der Kommunalverwaltung, ist als Kämmerer von Königswinter mit dem schwierigen Thema Kommunalfinanzen besonders vertraut und kennt Bonn sehr gut, weil er hier geboren und zur Schule gegangen ist, studiert und sein Leben verbracht hat. 

Die SPD hat Peter Ruhenstroth-Bauer (59) aufgestellt. Bei Oskar Lafontaine war er Bevollmächtigter des Saarlandes und wurde durch ihn 1998 in Berlin stv. Chef des Bundespresseamtes und später beamteter Staatssekretär im Familienministerium. Seit seinem Ausscheiden 2005 ist er freiberuflicher Kommunikationsberater mit den Ruhestandsbezügen eines politischen Beamten. Er ist der Wunschkandidat von Amtsinhaber Nimptsch. 

Die FDP unterstützt den CDU-Bewerber und die Grünen treten mangels anderer  Interessenten mit einem Angestellten der eigenen Fraktion an. Dazu kommen drei weitere aussichtslose Kandidaten von Splitterparteien bzw. Einzelbewerber. 

Auch wenn es sich um eine Personenwahl handelt, sollte man nicht übersehen, dass letztlich politische Strukturen das Rennen entscheiden. Die Anhängerschaft der eigenen Partei ist das Fundament für den Erfolg. Ein Blick auf die  Bonner Wahlergebnisse der letzten zehn Jahre zeigt, dass das linke Wählerspektrum (SPD, Grüne, Linke, Piraten) und das bürgerliche Lager (CDU, FDP, BBB) praktisch gleich stark sind.

 

 

LT 2005

BT 2005

Rat 2009

BT-2009

LT 2010

LT 2012

BT 2013

Rat 2014

Durchschnitt

CDU

40,9

34,7

32,8

31,1

35,9

23,6

36,2

30,4

33,2

SPD

34,7

31,9

23,8

22,5

26,1

30,2

25,9

23,4

27,3

GRÜNE

11,8

13,7

18,6

16

12,7

18

13,7

18,6

15,3

FDP

8,4

13,3

12,6

19,1

6,8

13

8,3

8,1

11,2

LINKE

1

4,4

3,7

7

3,6

2,7

6,3

6,2

4,3

Piraten

 

 

 

2,2

2,3

7,5

2,5

2,1

3,3

BBB

 

 

4,7

 

 

 

 

3,7

4,2

AfD

 

 

 

 

 

 

2,5

2,8

2,6

 

Auf dieser Grundlage spielt auch eine Rolle, wie sehr die Anhänger der kleineren Parteien bereit sind, bei Persönlichkeitswahlen aussichtsreiche Kandidaten der größeren Parteien zu unterstützen. Dazu lohnt ein Blick auf bisherigen OB-Wahlen, die jeweils mit der Ratswahl zusammenfielen, sowie auf den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimmen bei Bundestagswahlen:

 

OB 1999

BT 2002

OB 2004

BT 2005

OB 2009

BT 2009

BT 2013

CDU:Kandidat

Stahl – 3,4

51:47,6

Eisel - 0,2

36,6 : 36,4

Heckes – 6,4

38 : 31,6

Eisel + 4,8

34,7 : 39,5

Dürig +2,6

32,8 : 35,4

Eisel + 0,1

31,1 : 31,2

Lücking-Michel+1,2

26,3 : 37,5

SPD:Kandidat

Dieckmann+17,6

37,6 : 45,2

Kelber+7,1

23,6 : 39,7

Dieckmann+27,2

56,8 : 29,6

Kelber+10,1

31,9 : 42

Nimptsch+17,1

23,8 : 40,9

Kelber+10,8

22,5 : 33,3

Kelber +12,3

25,9 : 38,2

Die jeweiligen SPD-Kandidaten schnitten personenunabhängig immer deutlich besser als ihre Partei ab, weil Wähler der Grünen, Linken und Piraten sie mit der Personenstimme überdurchschnittlich unterstützten. Die galt für CDU-Kandidaten im Blick auf FDP –Wähler bisher nicht gleichermaßem. 

Während sich im linken Spektrum strukturell nichts geändert hat, bleiben die strukturellen Folgen des Ausscheidens der FDP aus dem Bundestag mit dem Wegfall des Bonn-spezifischen Westerwelle-Effekts offen. Immerhin kam die Bonner FDP danach bei der Ratswahl 2014 trotz der Bundesschwäche noch auf acht Prozent. Wie sich diese Wähler ohne FDP-Bewerber verhalten, bleibt spannend: Man kann davon ausgehen, dass etwa zwei Drittel von ihnen eher bürgerlich orientiert sind und ein Drittel eher sozialliberal.

Schließlich ist zu beachten, dass Bürgermeisterwahlen, die von Ratswahlen getrennt sind, durchgängig sehr niedrigere Wahlbeteiligungen haben: Zuletzt beispielsweise vergleichbar mit Bonn in Mönchenglad­bach 29,6 %, Remscheid 30,2 %, Hagen 31,2 %, Bielefeld 31,3 %, Göttingen 31,6 %, Wiesba­den 34,1 und Braunschweig 36,1 %.  Bei Stichwahlen gehen diese Wahlbeteiligungen überall nochmals zurück. Die politische Schlussfolgerung ist klar: Je niedriger die Wahlbeteiligung ist, umso mehr kommt es auf die Mobilisierung der eigenen Anhänger an. Traditionell ist dies eine größere Herausforderung für das bür­gerliche Lager.  

Eine Gefahr ist auch die Versuchung von Parteistrategen, Wählerpotentiale am Reißbrett des grü­nen Tisches zu verplanen. Sie vergessen dabei leicht, dass Wähler selbstständig sind und keines­wegs einfach den Empfehlungen der jeweiligen Parteiführungen folgen. In Bonn haben diese Erfahrung zuletzt die Parteivorsitzenden von CDU und FDP gemacht, als  sie bei der Bundestagswahl 2013 ohne erkennbare Folgen zum Stimmensplitting aufriefen. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass grüne Wähler nur wegen der Ratskoalition mit der CDU in einer Stichwahl eher den CDU-Kandidaten unterstützen. 

Wie schnell solche Überlegungen ins Auge gehen können, hat zuletzt die Frankfurter OB-Wahl 2012 gezeigt: Im ersten Wahlgang entfielen damals auf den CDU-Kandidaten 39,6 %, auf den SPD-Kandidaten 33 % und die grüne Kandidatin 14 %. Im Frankfurter Rat gab es eine funktionierende schwarzgrüne Koalition. Obwohl sich die Spitze der Frankfurter Grü­nen bei der Stichwahl für den CDU-Kandidaten aussprach, kam dieser in der Stichwahl nur auf 42,6 % und der SPD-Kandidat siegte 57,4 % (+14 Prozent!). Die grünen Wähler waren der Empfehlung der Parteiführung ein­fach nicht gefolgt. Auch in Kiel hatte sich 2009 trotz einer schwarzgrünen Ratskoalition bei der OB-Wahl der SPD-Bewerber durchgesetzt. 

Gefährlich ist auch zu frühe Siegeszuversicht nach  dem ersten Wahlgang: 2013 lag bei der OB-Wahl in Wiesbaden der CDU-Bewerber im ersten Wahlgang  mit 48 Prozent um zehn Prozent vor dem SPD-Bewerber. Die Stichwahl gewann der SPD-Bewerber mit 50,9 : 49,1 Prozent. Ähnlich war es 2014 in Düsseldorf: Im ersten Wahlgang lag der CDU-Kandidat mit 46,1  Prozent mit über acht Prozent klar vor dem SPD-Bewerber. Die Stichwahl verlor er mit 40,8 : 59,2 Prozent. Unvergessen ist auch die Sichwahl- Niederlage des zunächst führenden Bonner CDU-Kandidaten Helmut Stahl gegen Bärbel Dieckman 1999. 

In Bonn kann man angesichts der geschilderten Fakten damit rechnen, dass – wenn nichts Außergewöhnliches geschieht -  Ashok Sridharan von der CDU mit um die 40 – 42 Prozent der Stimmen auf Platz 1 liegen wird (CDU ca. 33, FDP ca. 5, BBB ca. 3). Der SPD-Kandidat dürfte 30 – 33 Prozent erreichen (SPD ca. 25, Grüne ca. 8, FDP ca. 2). Der grüne Zählkandidat wäre mit 10-15 Prozent schon erfolgreich (Grüne ca. 10, Linke/Piraten ca. 5). Doch in der Stichwahl hat der SPD-Kandidat wegen der frei werdenden Stimmen von Grünen, Linken und Piraten das größere Wachstumspotential. 

Fazit: Die Bonner OB-Wahl ist weit spannender als die fehlende Wahlkampfstimmung vermuten lässt. Vor allem die CDU muss wachsam sein: Zu frühe Siegeszuversicht gefährdet den Erfolg. Entscheidend wird der Endspurt für Stichwahl werden: Dann wird es auf jede Stimme ankommen!

 

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