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DIE BONNER KULTURPOLITIK HAT SCHON

einmal viel bessere Tage gesehen. Völlig irreführend erwecken viele in Rat und Verwaltung ge­genüber den Bürgern den falschen Eindruck, Bonns größtes Finanz­problem seien die Kulturausgaben. Tatsächlich machen sie nur sechs Prozent des städtischen Haushalts aus. "Kultur-Bashing" scheint aber ausgerechnet in der Beethovenstadt zur Zeit in Mode zu sein.
DIE BONNER KULTURPOLITIK HAT SCHON

 

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Zum Kulturpolitischen Aschermittwoch in Bonn erfahren Sie mehr hier.

 

Stephan Eisel

Wider das Kultur-Bashing in Bonn 

Mit den Kulturausgaben ist der Haushalt nicht zu sanieren 

Rede für den KULTURKREIS BONN zum Kulturpolitischen Aschermittwoch am 5. März 2014

"Kultur ist das, was übrig bleibt, wenn der letzte Dollar ausgegeben ist" – so hat es Mark Twain ein­mal aus­gedrückt und er hat damit den Kern getroffen, denn Kultur ist ein Wert an sich: das Lebens­elexier  für jede menschliche Gesellschaft ebenso wie das, was für jeden Einzelnen das Leben le­benswert macht – und das gilt ganz besonders für unsere junge Generation: Denn ohne kulturelles Fundament kann die Bildung der Persönlichkeit nicht gelingen. Oder um es mit Immanuel Kant zusagen: „Zivilisation“ also ein „artiges Miteinander“, gute Manie­ren, die bequeme Gestaltung des Alltags  durch Wissenschaft und Technik reicht noch nicht aus um „Kultur zu ha­ben“. Bedingung für Kultur ist, so Kant die „Idee der Moralität“, eben das, was über den reinen Selbstzweck hinausgeht. 

Gerade weil sie in diesem Sinne „zweckfrei“ sind, lassen kulturelle Ausdrucksformen wie Kunst, Malerei, Literatur oder Musik unser Herz schneller schlagen  und bleiben als unvergessliche Mo­mente nicht nur in unserer Erinnerung erhalten, sondern überdauern auch die Jahrhunderte.Wo, wenn nicht hier in seiner Geburtsstadt kann man Beethovens 9. Sinfonie als pars pro toto für das nen­nen, was sich so schwer beschreiben lässt. Wir wissen, dass Beethoven schon in seinen Bon­ner Jahren von Schillers Text fasziniert war und wem stockt nicht bis heute  der Atem, wenn er zum ersten Mal die von ihm vertonte Ode an die Freude hört: Weltkulturerbe im ganz wörtlichen Sinn mit faszinierender Aktualität heute wie vor 190 Jahren bei der Uraufführung. 

Ist es nicht vor diesem Hintergrund besonders schmerzlich, dass wir uns gerade um die Kulturpoli­tik in Beethovens Geburtsstadt Sorgen machen müssen? Wir – das sind die 53 im KULTURKREIS BONN zusam­mengeschlossenen Bürgervereine, die insgesamt mehr als 25.000 kulturinteressierte Bonnerinnen und Bon­ner repräsentieren. Wir machen uns Sorgen, weil bei uns in Bonn Fragen der Kulturpolitik zunehmend im politischen Mei­nungsstreit instrumentalisiert werden und ein Klima emotionaler Polarisierung den vernünftigen Dialog sehr erschwert. Leider haben dazu die Stadtspitze und viele in der Kommunalpolitik immer wieder beigetragen. 

Die Auswirkungen dieser Polarisierung sind vielfältig und reichen von Lärmbeschwerden einzelner Mecker­bürger gegen jede kulturelle Aktivität unter freiem Himmel bis zu Unterschriftensammlun­gen zur Schlie­ßung ganzer Kulturinstitutionen. Wie hat Karl Kraus einmal so treffend gesagt: „Wenn die Sonne der Kultur untergeht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.“ 

Vor allem aber ist das einseitige Kultur-Bashing in der Diskussion um die notwendige Konsolidie­rung des städtischen Haushalts inakzeptabel und unseriös. Wenn es ums Sparen geht, wird von Oberbürgermeister, Rat und Verwaltung praktisch nur über den Kulturetat geredet, der gerade ein­mal sechs Prozent des städti­schen Haushaltes ausmacht – 60 Millionen Euro von über einer Milliar­de Euro. 

Damit kein Missverständnis entsteht: das ist viel Geld und deshalb hat der KULTURKREIS BONN von An­fang gesagt, dass auch der Kulturetat wie alle anderen Bereiche seinen Konsolidierungsbei­trag leisten muss – aber eben „wie alle anderen Bereiche“: Wir wenden uns vehement gegen ein „Sonderopfer Kultur“ und fordern von Rat und Verwaltung, dass ge­genüber den Bürgern nicht länger der falsche Eindruck erweckt wird, Bonns größtes Finanz­problem seien die Kulturausgaben.

Übrigens lohnt auch ein Blick auf die wirtschaftliche Dimension der Kultur. Das Hamburgische Weltwirt­schaftsinsitut (HWWI) hat  2012 ermittelt, dass in Bonn  ca. 7.000 Beschäftigte in der Kul­turwirtschaft ar­beiten und hier über 1.300 Künstler leben. Bei den Museumsbesuchen pro Einwoh­ner belegt Bonn nach Dresden den zweiten Platz im Städteranking. Bei den Theater- und Opernbe­suchen liegt Bonn auf Platz vier von 30 untersuchten Städten.

Bei den städtischen Kulturausgaben liegen wir mit 130 Euro pro Einwohner im Durchschnitt der letzten zehn Jahre im Mittelfeld der untersuchten Städte.  Auch bei den steuerfinanzierten Theater- und Opernplät­zen liegt Bonn mit sechs Plätzen pro tausend Einwohner im Mittelfeld hinter Städten wie Bielefeld, Braun­schweig oder Chemnitz.

Und nicht zu vergessen: Der Anteil privater Finanzierung liegt gerade im Bonner Kulturleben sehr hoch: das reicht von den freien Theatern über den KUNST!RASEN bis zum Kultursponsoring durch viele Bonner Un­ternehmen. Ich nenne nur hier das beispielhafte, geduldige  und unbeirrbare Engagement der Post für das Beethoven-Festspielhaus.

Dazu kommen die vielen tausend Menschen, die sich in Bonn ehrenamtlich für die Kultur einsetzen wie die Mitglieder unserer der 53 Mitgliedsvereine. Wir fordern, dass diese bürgerschaftliche Stim­me endlich auch in den kommunalen Gremien gehört wird: Dem Ratsaussschuss für Kinder, Jugend und Familie gehören ne­ben neun Vertretern der Ratsfraktionen immerhin sechs Vertreter betroffener freier Träger an, im Sportaus­schuss kommen zu 17 Fraktionsvertretern vier Vertreter von Sportver­bänden, im Schulausschuss kommen zu den 23 Fraktionsvertretern sechs Mitglieder aus dem Schul­bereich.

Wir fordern, dass nach der Kommunalwahl auch im Kulturausschuss Chancengleichheit hergestellt und der KULTURKREIS BONN bei der Ausschussbesetzung einbezogen wird. Vor der Kommu­nalwahl werden wir mit eigenen Wahlprüfsteinen allen Parteien die Gelegenheit geben, sich hier eindeutig zu positionieren.

Wir wollen, dass in unserer Heimatstadt die Proportionen wieder ins Lot kommen:

Was bleibt denn z. B. aus der Jahresbilanz 2013 das wichtige Ereignis für die Bonn:  Dass mit viel Geld des Steuerzahlers ein großdimensionierter Trajektknoten als Kreisverkehr mit Ampelschaltung dort gebaut wur­de, wo es gar zuvor keine Probleme im Verkehrsfluss gab oder dass mit viel bürger­schaftlichem Engagement und Unterstützung des Bundes bei weitgehender städtischer Passivität der Ausbau des August-Macke-Haus auf den Weg gebracht wurde.

Und ist es jetzt im Blick auf 2020 wichtiger, dass wir Münster mit der erheblichen Mitteln aus der Stadtkas­se den Titel einer Fahrradhauptstadt abjagen oder dass wir mit dem im Bau völlig privat fi­nanzierten und im Betrieb weitgehend vom Bund getragenen Beethoven-Festspielhaus aller Welt zum 250. Beethoven-Geburts­tag zeigen, was Bonn zu bieten hat.

Gerade die Bonner Stadtgeschichte zeigt, dass wir als engagierte Kulturbürger dafür sorgen müssen, dass im täglichen Kleinklein von Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik das Wesentliche nicht stecken bleibt: Das Wohnhaus von August Macke wäre ohne diesen Bürgereinsatz der städti­schen Vergessenheit anheimge­fallen, ausgerechnet zum 100. Todestag von Robert Schumann war 1956 die städtische Verfügung zum Ab­riss seines Todeshauses in Endenich erlassen  worden und vor genau 125 Jahren bewahrten engagierte Bon­ner Bürger das Beethovenhaus-Geburtshaus vor dem von der Stadt vorgesehenen Abriss.

Macke, Schumann, Beethoven - diese drei Namen zeigen exemplarisch, was bürgerschaftliches En­gagement bewirken kann. In dieser Tradition hellwacher Kulturbürger sehen sich die 53 Mitglieds­vereine des  KUL­TURKREIS BONN – getreu einem Leitspruch von Ludwig van Beethoven, dem größten Sohn unserer Stadt: "Wer fest auf seinen Füssen steht und ein scharfes Auge im Kopf hat, der weiß seinen Weg, und darf auch etwas weiter gehen als gewöhnlich."

Und genau das erwarten wir von den politisch Verantwortlichen in unserer Stadt: dass sie für die Kultur auch etwas weiter gehen als gewöhnlich.

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