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7) Aus dem Kapitel "Die sowjetische Musikdiktatur"

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Die in dem ZK-Beschluss vom 10. Februar 1948 namentlich kritisierten Komponisten gelobten Besserung. Sie richteten einen Brief an Stalin und versprachen, in ihrer Arbeit künftig „den Weg des sozialistischen Realismus zu verfolgen und unermüdlich in allen musikalischen Formen Modelle zu schaffen, die unserer großen Epoche wert sind." Dennoch mussten die meisten dieser Künstler Nachteile hinnehmen: Viele ihrer Werke wurden nicht mehr aufgeführt, sie verloren ihre Positionen im Komponistenverband und damit die Möglichkeit der Einflussnahme auf die staatliche Kulturpolitik. Wissarion Schebalin wurde als Direktor des Moskauer Konservatoriums entlassen und verlor sogar seine Professorenstelle, die er erst 1951 wieder antreten konnte.

Besonders hart von der neuen Zensurwelle betroffen war Sergej Prokojew. Seine Oper Der Feurige Engel (1922-1925) fiel ebenso unter der Verdikt wie das Ballett Pas d`acier (1925), die 3. und 4. Sinfonie (1928 und 1930) und das 5. Klavierkonzert (1935).

Auch Prokojews neue Oper Die Erzählung vom wahren Mann fand bei einer nicht-öffentlichen Aufführung am 3. Dezember 1948 keine Gnade. Obwohl darin ein sowjetischer Pilot verherrlicht wird, der im Krieg beide Beine verliert und dennoch weiter seinen Militärdienst leistet, wurde dem Komponisten im Dezember 1948 in der Sowjetskaja Musyka vorgeworfen, er gehe „auf alle die negativen und abstoßenden Praktiken zurück, die in seiner Musik aus der Periode leichtsinniger Verblendung mit modernistischer Betrügerei enthalten waren. Chaos, roher Naturalismus, völlige Abwesenheit von Melodie, harmonische Schlammigkeit und schlechter Geschmack charakterisieren dies durch und durch verwerfliche Werk."

Chrennikow wirkte selbst an der Polemik gegen Prokojews Werk mit und schrieb in der Prawda Anfang Januar 1949: „In der modernistischen, antimelodischen Musik seiner Oper, in der Behandlung des Sowjetvolkes verharrt der Komponist bei seinen alten, von der Partei und Sowjetgesellschaft verdammten Positionen." Der Generalsekretär des Komponistenverbandes machte freilich mit seiner Polemik auch vor anderen Komponisten nicht halt. Bei Hindemith, Krenek, Britten, Berg und Messiaen beispielsweise sah er „eine Ansammlung wilder Harmonien, einen Rückfall in primitive, barbarische Kulturen..., zu Erotik, sexueller Perversion, Unmoral und der Schamlosigkeit, die die zeitgenössischen bürgerlichen Helden des 20. Jahrhunderts auszeichnen." In der 1952 erschienenen Großen Sowjetischen Enzyklopädie wurde auch die Musik französischer Impressionisten wie Ravel und Debussy als „tief dekadent" bezeichnet. Noch Anfang der 50er Jahre wurden Komponisten wie Alexander Moissejewitsch Weprik und Mossej Wainberg grundlos inhaftiert.

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