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2) Aus dem Kapitel "Die Wurzeln der Musikzensur"

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„Die Riten lenken die Gefühle des Volkes in
richtige Bahnen; die Musik stellt im Lande
Einklang her; die Regierung ordnet das
Verhalten, und die Strafen verhüten das
Verbrechen. Wenn also die Riten, die Musik,
die Strafen und die Regierung alle in
Ordnung sind, sind die Grundsätze der
Gesellschaftsordnung erfüllt."
Konfuzius (nach Yotschi Liki)

Es ist verblüffend, wie ähnlich die Rolle der Musik schon im Altertum in ganz unterschiedlichen Kulturkreisen gesehen wurde. Damon etwa, einem Freund des Perikles, wird bei Platon die These zugeschrieben: „Man muss die Gesetze der Musik hüten, sonst rüttelt man am Ganzen. Nirgends rüttelt man an den Grenzen der Musik, ohne an die wichtigsten politischen Gesetze zu rühren." In seiner Abhandlung Der Staat lässt er Sokrates über ein Gespräch mit Glaukon berichten, in dem es um die Rolle der Musik im neu zu schaffenden Staat geht. Dort heißt es unter anderem: „Niemals werden die Tonarten geändert, ohne dass die wichtigsten staatlichen Gesetze in Mitleidenschaft gezogen werden." Ganz im Gleichklang damit meinte Konfuzius: „Wollt Ihr wissen, ob ein Land wohl regiert und gut gesittet sei, so hört seine Musik...Wenn die Welt chaotisch wird, werden das Zeremoniell und die Musik zügellos."

Solche Übereinstimmung deutet auf eine der wichtigsten Ursachen der Musikzensur, deren Geschichte so unendlich lang ist: Weil die Wirkungen von Musik auf die Menschen zwar sehr wohl erkennbar und erfahrbar, aber eben kaum erklärbar waren und sind, überschätzte die Politik diese oft und wollte sie unter Kontrolle halten. Es verwundert deshalb wenig, dass schon von der Regierung des chinesischen Kaisers Wu (140-87 v. Chr.) ein kaiserliches Musikamt zur Überwachung der Musikübungen geschaffen wurde, ebenso übrigens im 9. Jahrhundert im kaiserlichen Japan.

Im europäischen Kulturkreis war es zuerst Platon, der Musik nicht einfach Musik sein ließ, sondern Tonarten nach ihrem möglichen politischen Nutzen, insbesondere bei der Erziehung, bewertete. „Schlaffe" Musik, die sich für Trinkgelage eignen mag, aber nicht für die Erziehung kriegerischer Männer - bei Platon die ionische und lydische Tonart - lehnte er mit dem Hinweis ab, sie trage zur Verweichlichung bei. In einem Staat nach seinen Wünschen sollte er nur das Phrygische zulassen und die „kriegerische" Tonart des Dorischen.

Platon lässt dies den musikunkundigen Sokrates mit folgendem Gedanken begründen: „...lass mir diejenige Tonart, die in angemessener Weise die Lautfärbung und Betonung eines Mannes nachahmen würde, der in kriegerischem Handeln und überhaupt gewaltsamer Tätigkeit begriffen ist und - vom Glücke im Stich gelassen, in Wunden oder in den Tod gehend oder in irgendein anderes Missgeschick geraten - in allen diesen Lagen wohlgerüstet und standhaft gegen das Schicksal sich zur Wehr setzt; und daneben eine für einen Mann, der in friedlicher und nicht gewaltsamer, sondern zwangloser Tätigkeit begriffen ist und ... besonnen und mit Mäßigung in allen diesen Lagen verfährt und mit dem, was kommt, zufrieden ist. Diese zwei Tonarten, die gewaltsame und die zwanglose, die die Lautfärbung der vom Unglück Verfolgten und der vom Glück Begünstigten, der Besonnenen und der Mannhaften am schönsten nachahmen werden, - diese lass übrig."

Noch rigoroser war übrigens überraschenderweise Aristoteles, der eigentlich als Antipode zu Platon die Notwendigkeit von Freiheit und Vielfalt begründete. Er lehnte auch das Phyrgische ab, weil es zu pathetisch sei. Eliminiert werden sollten nach Platons Meinung, der Saiteninstrumente prinzipiell für eher „staatspolitisch brauchbar" hielt, übrigens auch vielharmonische Instrumente, wie Harfen, Zimbeln und auch die „weiche" Flöte.

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