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DAS DIGITALE FAUSTRECHT IST IM

Internet weit verbreitet. Solchen Formen der virtuellen Gewalt gilt es entschlossen entgegen zu treten, denn auf offline verboten ist, sollte auch online Tabu sein. Das Internet bietet eben nicht nur neue Räume für Infor­mations- und Meinungsfreiheit, sondern auch einen besonde­ren Nährboden für Radikalisierung und Extremismus . 
DAS DIGITALE FAUSTRECHT IST IM

 

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Stephan Eisel 

Virtuelle Gewalt ernst nehmen 

Ohne Zweifel bietet das Internet vielen Chancen und vor allem neue Räume für Infor­mations- und Meinungsfreiheit. Aber es bietet auch Radikalisierung und Extremismus einen besonde­ren Nährboden. 

Begünstigend wirken dabei einige typische Charakteristika der Netzkultur: 

Dort ist der schnelle Klick die gültige Währung. Schnelligkeit ist aber kein Ausweis von De­mokratiesteigerung, ihr wohnt die große Gefahr der Oberflächlichkeit inne. Das Internet ist eben auch ein nervöses Skandalisierungsmedium. Nirgends entste­hen so viele Gerüchte und nirgends werden sie so schnell verbreitet wie im Netz. 

Die Ambivalenz des Internets manifestiert sich zugleich in der Spannung zwischen globaler Öffnung und der Abschottung im Gewohnten. Zwar schafft das Internet Ge­meinschaft über Grenzen hinweg, indem es Menschen miteinander verbindet, die we­gen großer Entfernungen nur über das Netz Kontakt halten können oder sich erst im Internet kennenlernen. Zugleich er­möglicht es der Cyberspace aber auch, für die glo­balisierte Kontaktaufnahme das sichere Zu­hause nicht verlassen zu müssen und die Kommunikation auf Vertrautes zu beschränken. Im Netz lässt sich eben nicht nur viel Neues entdecken, sondern es lassen sich auch Mauern ge­gen das Unbekannte errichten. 

Der grenzenlose Cyberspace ist auch eine Mosaikgesellschaft, die in einer Vielzahl kleinster Teilöffentlichkeiten das Bedürfnis vieler Internetnutzer bedient, vor allem Gleichgesinnte zu finden. In der damit verbundenen Erfahrungsverdünnung liegt auch eine Herausforderung für die freiheitliche Demokratie. Wo Gleichgesinnte abgeschot­tet von Andersdenkenden überwie­gend einander begegnen, gedeiht aber leicht Radika­lität, Extremismus und Ideologie. 

Die Parallelexistenz vieler unterschiedlicher, auf sich selbst bezogener und sich selbst radika­lisierender Gruppen ist eine Bedrohung für das Grundprinzip freiheitli­cher De­mokratie: Ein­heit in Vielfalt (e pluribus unum). Die offene Gesellschaft findet ihre modernen Feinde in der fragmentierten Echogesellschaft des Internets. 

Hinzu kommt die Wirkung einer doppelten Anonymität: Übereinander zu reden war schon immer einfacher als miteinander. Selbst wer im Netz die eigene Identität preis­gibt, erlebt sein Gegenüber nicht persönlich fassbar, sondern abstrakt und quasi an­onym. Der Begegnung im Netz fehlen die sozialen Leitplanken personaler Interak­tion. Virtuell zu diskutieren ist eben nicht das Gleiche wie miteinander zu reden. Das wird um ein Vielfaches potenziert, wenn sich die Beteiligten selbst in der Anonymität verstecken, so dass ihnen ihr Agieren nicht mehr zu­geordnet werden kann. 

Es ist kein Zufall, dass Konflikte online oft mit wesentlich grösserer Aggression aus­getragen werden als offline. Das Internet begünstigt die Auflösung des Zusammen­hangs von Freiheit und Verantwortung. 

Auf diesem Nährboden dominiert oft im Netz die Herrschaft der Stärkeren und Lau­testen, die für sich ein digitales Faustrecht reklamieren. Ein fast prototypisches Bei­spiel dafür ist die „Anonymous“-Bewegung. Angeblich um die Freiheit des Internets zu schützen, bedient sich die Hacker-Bewegung des größten Feindes der Freiheit: der Angst. Aus dem Lehrbuch des Totalitarismus könnten die Slogans stammen, die An­onymous-Anhänger als gemeinsames Er­kennungszeichen im Internet wie ein Mantra wiederholen: „Wir sind viele, aber Du weißt nicht wer; wir sind überall, doch du weißt nicht wo.“ 

Dieser impliziten Drohung gegenüber Andersdenkenden entspricht das explizit aggres­sive Vorgehen. Anonymous propagiert nicht nur, sondern praktiziert virtuelle Ge­walt im Internet. So werden durch systematische Hackerangriffe Internetangebote unliebsa­mer Anbieter lahm­gelegt. Solche digitalen Anschläge richteten sich gegen Unternehm­en wie RTL oder Sony ebenso wie gegen die griechischen Regierung, den Va­tikan, die Städte Salzburg und Frankfurt a. Main, die Internetangebote unlieb­samer Parteien, das FBI, Scotland Yard und verschiede­ner Kreditkartenunterneh­men. 

Einen pseudo-moralischen Anstrich gibt sich diese digitale Selbstjustiz durch ver­meintlich le­gitime Ziele wie Scientology oder rechtsextremistische Organisationen. Das für eine freiheit­liche Gesellschaft essentielle staatliche Gewaltmonopol ignoriert solche virtuelle Privatgewalt konsequent. Im modernen Internet vollzieht sich so auch der Rückfall in das vorzivilisatori­sche Zeitalter des Faustrechts. 

Maßstab für solche Attacken auf die Meinungsfreiheit (für Anbieter) und Informati­onsfreiheit (für Nutzer) ist in totalitärer Attitüde die Willkür des eigenen Gutdünkens. Zur Selbstver­ständlichkeit für sich Wahrheits- und Absolutheitsrechte wahrzunehmen ge­sellt sich in merk­würdigem Widerspruch die Weigerung, dafür Verantwortung zu übernehmen. Das Prinzip der Anonymität ist sakrosankt. 

Man sollte nicht dem Irrtum verfallen, dass diese Phänomene nicht so ernst zu neh­men sind, weil Sie sich „nur“ im Cyberspace abspielen würden. Es geht nicht um harmlose Online-Spie­lereien. Solche Formen virtueller Gewalt manifestieren sich zu­gleich schnell in realer Gewalt. Das belegen die vielen tragischen Beispiele des Internetmob­bings ebenso wie die Verabre­dung zur Gewalttätigkeit, die Extremisten je­der Couleur inzwischen gerne im Netz treffen. Schon deshalb darf nicht verharmlost wer­den, was scheinbar „nur virtuell“ im Internet ge­schieht. „Wehret den Anfängen“ gilt online wie offline.  

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