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WIE "BONN PACKTS AN" ERNEUT SCHEITERTE

zeigt eine Analyse der Ergebnisse. nach einem Drittel der Verfahrenszeit. Obwohl die Bürger dieses Internetverfahren unübersehbar ablehnen, führte es die Stadt Bonn zum dritten Mal durch - insgesamt kostet das die Bonner Steuerzahler fast eine Million Euro.
WIE "BONN PACKTS AN" ERNEUT SCHEITERTE

 

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Stephan Eisel

Wie „Bonn packts an“ erneut scheiterte

Als eine der ganz wenigen Kommunen in Deutschland hat die Stadt Bonn 2014 bereits zum dritten Mal einen „Online-Bürgerhaushalt“ mit Abstimmungen über Sparvorschläge zum städtischen Haushalt durch­geführt. Andere vergleichbare Städte wie Solingen, Frankfurt oder Freiburg haben solche Ver­fahren längst wegen geringer Beteiligung eingestellt. Insgesamt haben sich bisher weniger als 100 von über 14.000 Städte und Gemeinden in Deutschland für einen internetbasierten ‚Bürgerhaushalt‘ entschieden. 2014 gab es in ganz Deutschland nur noch neun solche Verfahren.

Warum Bonn trotz der bisher schon verschwindend geringen Beteiligung der Bevölkerung vom 14. No­vember bis 12. De­zember 2014 den dritten Anlauf unternahm, bleibt unklar. Aber auch im dritten Anlauf blieb die Beteiligung deutlich unter zwei Prozent der Wahlberechtigten.

Für die Teilnahme an solchen Verfahren reicht es aus, sich mit einer e-mail-Adresse zu registrieren. Pro­blemlos kann dabei  die gleiche Person mit verschiedenen e-mail-Adressen, also mehrfach teilnehmen. Außerdem ist nicht überprüfbar, ob die Teilnehmer aus der jeweiligen Kommune kom­men oder Orts­fremde sind. Dennoch setzt die Stadtverwaltung Bonn in ihren Presseveröffentlichun­gen regelmäßig wider besseres Wissen die Zahl der registrierten e-mail-Adressen mit einer angeblichen Teil­nehmerzahl gleich und erweckt den Eindruck, es handele sich dabei um Bonner Bürger.

Wie es um die Beteiligung tatsächlich steht, zeigt der im April 2012 von der Öffentlichkeit un­beachtete Bericht der verantwortlichen Firma Zebralog zum ersten Verfahren „Bonn packts an“ im März 2011. Darin wird die von der Stadt mehrfach öffentlich behauptete Beteiligung von „12.715 Bonnern“ still und heimlich auf 11.116 „registrierte Nutzer mit aktiver Beteiligung", also um mehr als zehn Prozent nach unten korrigiert. Zudem wurde die Teilnehmerzahl um 338 Mehrfachregistrierungen „bereinigt". Dabei wurden lediglich mehr als fünf Nutzer des glei­chen (privaten) Internetzugangs (IP-Adresse) bei gleichzei­tig hoher Passwortgleichheit berücksichtigt. Wer also sich also mit weniger als fünf unterschiedlichen Mail-Adressen unter der gleichen IP-Adresse beteiligte oder für verschiedene mail-Adressen unter­schiedliche Passwörter benutzte, wurde als Mehrfachteilnehmer nicht erfasst. 

Außerdem vermerkt der Bericht, dass 2011 bei  1.705 registrierten e-mail-Adressen ausdrücklich ange­geben worden war, nicht in Bonn zu wohnen.  In weiteren 1.871 Fällen wurden keine Angaben zum Wohnort gemacht. Trotzdem wurden diese 3.500 Nutzer Stimmen bei den Entscheidungen über Bonner Themen einfach mitgezählt und nicht eigens ausgewiesen.

Ausdrücklich Ortsfremde (1.705) und mit hoher Toleranzgrenze eingeräumte Mehrfachregistrierun­gen (328) machten bei „Bonn packts an“ 2011 also fast 20 Prozent der zuvor schon um zehn Prozent nach unten korrigierten Teilnehmerzahl aus.

Auch beim zweiten Verfahren „Bonn packts an“  vom 12. April bis 10. Mai 2012 wurde im Abschlussber­icht vom Juli 2012 öffentlich unbeachtet die Zahl der registrierten e-mail Adressen von den in städtischen Pressemittei­lungen angegebenen 1.740 um zehn Prozent nach unten auf 1.556 korrigiert. Nach dem Wohnort der Teilnehmer wurde nicht mehr gefragt und der Missbrauch durch Mehrfachregistrierungen nicht mehr untersucht. Stattdessen wurde erhoben, dass sich ein Drittel der Teilnehmer organisierten Interessensgruppen zuordnete.

Selbst wenn man nur die Angaben der durchführenden Firma zugrunde legt – die bei der kriti­schen Prüfung ihres eigenen Produktes schon wegen eigener kommerzieller Interessen befangen ist – muss man also auch für das jetzt abgeschlossene dritte Verfahren „Bonn packts an“ die der Öffent­lichkeit mit­geteilten „Teilnehmerzahlen“ deutlich nach unten korrigieren:

Bonn   packts an

Registrierte
  e-mail Adres­sen
 
 

Von   der durch­führenden Firma korrigierte Teil­nehmerzahl

Nach   eige­nen Anga­ben Orts­fremde

Von   der durchführen­den Fima eingeräumte Mehrfachregistrierung­en

Bereinigte Zahl Bon­ner Teil­nehmer
   (in % der Wahlber­echtigten

18.1.-16.2.2011

12.715
 
 

11.116
  (- 12,5%)

1.705
  (15,3%)

328
  (2,9 %)

9.083
  (4,01%)

12.4.-10.5.2012

1.740
 
 

1.556
  (- 10,5 %)

?
  (15%=233)

?
  (3%=46)

1.277
  (0,5%)

14.11.-12.12.2014

4.487
 
 

?
  (- 10%=4.039)

?
  (15%=605)

?
  (3% 121)

3.313
  (1,4%)

 

Zum Vergleich: Die Bonner Ratsparteien haben mehr als 10.000 Mitglieder, in 280 Bonner Sportvereinen sind über 70.000, in 60 Kulturvereinen ca. 40.000 Bürger organisiert und die Bonner Stadtver­waltung hat ca. 5.000 Mitarbeiter, die von Sparvorschlägen teilweise unmittelbar betroffen sind und auch am Ar­beitsplatz am Online-Verfahren teilnehmen konnten.

Noch deutlicher wird die fehlende Legitimation solcher Online-Verfahren, wenn man die Stimmen­zahl betrachtet,  die auf einzelne Sparvorschläge entfallen.  Dabei suggeriert der von den Initiatoren gewähl­te Begriff „Bestenliste“ eine besondere Legitimation für Vorschläge, die einen nicht prozentual, sondern in absoluten Stimmen gemessenen besonders deutlichen Un­terschied von JA/NEIN-Stimmen aufzeigen.

Tatsächlich erhielt nur einer der 415 zur Ab­stimmung stehenden Sparvorschläge mehr als 700 Stimmen (715), die Beteiligung erreichte in keinem Fall tausend Stimmen. Nur bei drei von 415 Abstimmungen wurden mehr als 500 Stimmen abgege­ben. Selbst ohne die  Berücksichtigung des Missbrauchs durch Mehrfachabstimmungen und Orts­fremde erreichte kein Sparvorschlag die Zustimmung von mehr als 0,3 Prozent der Wahlberechtigten. Schon die Zahl der ehrenamtlichen kommunalpolitischen Mandatsträger liegt höher als die Voten bei den allermeisten Sparvorschlägen.

Dies ist umso bemerkenswerter als unterschiedlichste Interessensgruppen – an vorderster Stelle die Pi­ratenpartei – mit gezielten Internet- und e-mail-Aktionen weit über Bonn hinaus für die Stimmabgabe zu be­stimmten Vorschlägen warben.

Das offenkundige Legitimationsdefizit der Abstimmungsergebnisse zeigen besonders die beiden „Spitzenrei­ter“: Der Vorschlag „Nein zum Festspielhaus“ erhielt (incl. Mehrfachregistrierungen und Ortsfrem­den) lediglich 715 Zustimmun­gen (215 Ablehnungen). Allein die Bonner Vereine, die für den Bau ei­nes solchen Beethoven-Festspiel­hauses eintreten, haben aber über 2.000 Mitglieder und es wurden bisher über 7.000 Unterschriften für das Projekt gesammelt. Der Vorschlag „Verkleinerung des Stadtrats“ erhielt zwar 403 Ja-Stimmen (18 Nein) und hatte den größten prozentualen JA/NEIN-Abstand, kann aber wegen des gültigen Wahlgesetzes vom Stadtrat garnicht um­gesetzt werden.

Übrigens: Im Juni 2011 musste die Bonner Stadtverwaltung gegenüber dem Rat einräumen, dass „Bonn packts an“ schon für einen Durchgang mehr als 300.000 Euro kostete (Honorar Firma Zebralog 72.620 Euro, Wer­bemaßnahmen 26.200 Euro, Personalkosten für eigene Stellen in der Ver­waltung 82.308 Euro und Personal­kosten für die Gesamtverwaltung 120.759 Euro). Seitdem wurden die Kosten nicht mehr umfassend offengelegt, dürften aber bei drei durchgeführten Verfahren die Millionengrenze erreichen.

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