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UM FAST EINE MILLION EURO MONATLICH

steigen zur Zeit die Kosten für die Luxussanierung der Beethovenhalle. Im April hat der Rat noch 56,3 Mio Euro beschlossen, jetzt will die Verwaltung einen Beschluss über 68,2 Mio Euro - bevor überhaupt der erste Handschlag getan ist. Das Millionengrab wird immer tiefer. Der Rat sollte die Kraft zur Korrektur haben.

 

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Stephan Eisel

Beethovenhalle: Immer tiefer ins Millionengrab 

Monatlich eine Million Euro Kostensteigerung – Kurskorrektur ist überfällig 

Die aufwendige Luxussanierung der Beethovenhalle ist nicht nur überflüssig, sondern entwickelt sich schon vor Baubeginn in abenteuerlicher Dynamik zur Rutschbahn in ein immer tieferes Millionen­grab. Bevor über­haupt nur ein Handschlag getan ist, haben sich die Kosten für die Sanierung um ein Viertel verteuert. Der Rat hat das auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen bzw. soll dies am 22. September erneut tun. Die Chronologie der Ratsbeschlüsse zeigt wie überfällig eine Kurskorrektur ist:

  • 15.04.2015 (Drs 151 1323) 56,3 Mio Euro

  • 10.12.2015 (Drs. 151 2665) 59,8 Mio Euro

  • 07.04.2016 (Drs. 161 1089) 62,7 Mio Euro

  • 22.09.2016 (Drs. 161 2370) 68,2 Mio Euro

Inzwischen verteuert sich die Sanierung also um fast eine Million Euro monatlich. 

Eine verständliche Übersicht über die Kostenentwicklung sucht man übrigens in den Verwaltungspa­pieren vergebens. So findet man in der aktuellen Ratsvorlage für den 22.09.2016 erst bei genauem De­tailstudium der 17 eng beschriebenen Seiten, dass die im Beschlussvorschlag genann­te „Verteuerung gegenüber dem Stand vom 7.04.2016“ von 5,5 Mio Euro keineswegs das Ende der Fahnenstange ist. 

In der Begründung heisst es nämlich wörtlich: „Darüber hinaus ist für die künftige Entwick­lung der­zeit von einem Risiko in Höhe von 2,971.914,17 Euro netto auszugehen.“ Außerdem findet sich dort der vielsagende Satz: „Noch im Projekt zu bewerten sind sowohl Erkenntnisse des konstruk­tiven Brandschutzes als auch die Schadstoffsituation der Asbestzementkanäle im Großen Saal aus de­nen zu­sätzliche Planungs-, Ausschreibungs- und Ausführungsvorgänge notwendig werden.“ 

Trotz dieser hohen Ausgaben ist eine Verbesserung der Akustik für die Zuhörer im Großen Saal aus­drücklich nicht vorgesehen. In den Unterlagen für den Ratsbeschluss vom 10.12.2015 steht wörtlich: „Projektgrenzen: Keine raumakustische Verbesserung des großen Saales für Musik.“ So werden zwar mindestens 70 Mio Euro für die Sanierung einer alten Mehrzweckhalle ausgegeben, aber die Beetho­venstadt Bonn muss das Beethoven-Jubiläum 2020 ohne angemessenen Konzertsaal bege­hen. 

Im Windschatten der aktuellen „Verteuerungsvorlage“ schlägt die Verwaltung dem Rat gleich eine weitere Kehrtwende vor. Im Dezember 2015 war ausdrücklich beschlossen worden, bestimmte zusätz­liche Maßnahmen nur auszuschreiben, wenn dafür Spenden eingehen. Dazu gehört auch der Aus­tausch der Aluminium-Glas-Fassaden. Im Gegensatz dazu will die Verwaltung nun doch einen Ratsbe­schluss (Drs. 161 2369) zur Beauftragung, obwohl es dazu in der Vorlage wörtlich heisst: „Die erfor­derlichen Spenden­mittel liegen noch nicht in erforderlicher Höhe vor.“ Es geht bei diesem zu­sätzlichen Griff in die Stadtkasse immerhin um ca. eine halbe Million Euro („371.000 Euro netto (+/- 30 % Schwankungsbreite)“). 

Der Rat erhöht seine Glaubwürdigkeit sicherlich nicht, wenn er in kurzen Abständen seine eigenen Beschlüsse nicht ernst nimmt. Leider ist der Umgang mit der Beethovenhalle dafür ein trauriges Be­spiel. Die bisher gefassten Ratsbeschlüsse sind schon deshalb unseriös, weil regelmäßig die notwendi­gen Entscheidungsgrundlagen fehlten. Im Dezember 2015 wurden - wie es im Beschlusstext wörtlich heisst - „vor Abschluss der Entwurfsplanung und Prüfung der Kostenberechnung“ hohe zweistellige Millionenbeträge verabschiedet. Weil das nicht alle CDU-Stadträte mitgemacht haben, kam die Mehr­heit nur mit der Linkspartei und den Piraten zustande. Diese Mehrheit überstimmte auch den Vorschlag von Oberbürgermeister Sridharan, die Hallensanierung auf das Notwendigste zu be­schränken. 

Am 7. April 2016 hat der Rat eine Beschlussvorlage der Verwaltung verabschiedet, deren gesamte Kostenberechnung auf den nicht kritisch überprüften Angaben eines „externen Projektsteuerers“ be­ruht. Im Beschlusstext heisst es ausdrücklich, dass erst nach (!) der Beschlussfassung zur „internen Absicherung … eine Plausibilisierung der vorgelegten Zahlenwerke durch das städtische Rechnungs­prüfungsamt vorgenommen werden“ soll - und selbst das nur „auf einer kursori­schen Ebene“. Die jetzt vorgelegte Kostensteigerung um fast zehn Prozent innerhalb von vier Monaten ist eine Folge der­art fahrlässiger Beschlüsse. 

Nicht vollzogen wurde auch der Ratsbeschluss vom Mai 2015, vor einer Sanierungsentscheidung einen Businessplan für die Beethovenhalle vorzulegen. Zusätzlich zu den Baukosten liegen nämlich auch im Betrieb erhebliche wirtschaftliche Risiken. Schon heute muss die Beethovenhalle aus der Stadtkasse mit ca. 2 Mio Euro jährlich bezuschusst werden. 

Vor allem aber fehlt bis heute das im Mai 2015 durch Ratsbeschluss geforderte Hallenkonzept, das zu­nächst überhaupt den Bedarf für Mehrzweckhallen wie die Beethovenhalle feststellen sollte. So han­gelt sich die Bonner Kommunalpolitik ohne Strategie von einer Einzelentscheidung zur nächsten. Auch bei Oper gibt es nämlich einen Sanierungstau, der auf weit über 50 Mio Euro geschätzt wird. Ein Gutachten zu genaueren Ermittlung des Bedarfs wird nicht erstellt, weil man sich sich vor dem Ergebnis fürchtet. Altbau-Sanierungen dieses Ausmaßes sind finanziell auch ein reines Lotterie­spiel. 

Umso unbegreiflicher ist es bis heute, das sich der Rat im letzten Jahr weigerte, 4,4 Mio Euro für ein baureifes Grundstück zu Verfügung stellen, auf dem ein völlig privat finanziertes Festspielhaus er­richtet worden wäre. Über 120 Millionen Euro an privaten Geldern und vom Bund hat man damals ausgeschlagen, um jetzt mindestens 70 Millionen Euro aus der Bonner Stadtkasse aufzubrin­gen. Das bleibt unbegreiflich. 

Statt sich weiteren unvermeidlichen Kostensteigerungen bei der Luxussanierung der Beethovenhal­le hilflos auszusetzen, sollte der Rat eine Kurskorrektur vornehmen: Es genügt für das Beethoven-Ju­biläum 2020 die Beethovenhalle in einen betriebssicheren Zustand zu bringen und etwas herzuricht­en – d. h. den im Dezember 2015 abgelehnten Vorschlag von Oberbürgermeister Sridharan wieder auf­zugreifen. Experten schätzen, dass dies für 10 Mio Euro möglich wäre. Damit wäre auch das Risi­ko vermieden, dass die aufwendige Hallensanierung bis 2020 nicht fertig wird. 

Statt bei Beethovenhalle und Oper über 150 Mio Euro in die Sanierung zwei alter Gebäude zu ste­cken, wäre es besser, nach 2020 – wie z. B. in Baden-Baden oder Bregenz – einen integrierten Opern- und Konzerthausbau neu zu errichten. Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetz lässt dies übrigens auch für Beethoven­halle ausdrücklich zu: Nach Artikel 9 muss die Erlaubnis zum der Ab­riss eines denkmalgeschützten Gebäudes erteilt werden, wenn „ein überwiegendes öffentliches In­teresse die Maßnahme verlangt“. Dies festzustellen wäre Aufgabe des Rates. 

Die Vorteile einer solchen Zukunftsstrategie liegen auf der Hand: Die unkalkulierbare finanzielle Dop­pellast der Sanierung von Beethovenhalle und Oper wäre vermieden. Eine moderne integrierte Lö­sung würde die Betriebskos­ten reduzieren (ein Gebäude statt zwei), die Vermarktung des Opern­grundstücks würde Geld in die Stadtkasse bringen, die Zukunft von Oper und Schauspiel wäre gesi­chert und die Beethovenstadt käme endlich zu einem angemessenen Konzertsaal.

Vielleicht führt die Kostenexplosion bei der Beethovenhalle, die sich nach nach dem Baubeginn sicherlich fortsetzen wird, endlich zu dem Entscheidungsmut, der dem Rat beim Beethoven-Festspiel­haus fehlte. Andernfalls wird die Stadt noch lange gebannt in das immer tiefere Millionen­grab Beetho­venhalle schauen.

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DAS NEUE BEETHOVEN-BUCH VON

Stephan Eisel ist soeben erschienen. Dabei geht es um BONN UND DIE NEUNTE SINFONIE, denn Beethovens Meisterwerk hat vielfältige Bezüge zu seiner Heimatstadt. So hat Beethoven hat Schillers "Ode an die Freude" bereits in Bonn kennengelernt und hier die Absicht geäußert, es zu vertonen. Und mit Ferdinand Ries war 1817 bzw. 1822 ein Bonner der Auftraggeber für die 9. Sinfonie, denn er Direktor der London Philharmonic Society.

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