Volltextsuche:

WAHL 2013: DIE BUNDESANALYSE

Angela Merkel und Claudia Lücking-Michel sind zusammen mit der Union Sieger der Bundestagswahl im Bund und in Bonn. Zugleich lohnt ein genauer Blick auf das Wahlergebnis, das voller Ambivalenzen ist. Für den Blog kreuz-und-quer.de habe ich eine Wahlanalyse verfasst.

Dass Bonn nach meinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2009 mit Claudia Lücking-Michel wieder einen CDU-Bundestagsabgeordneten hat, freut mich besonders. Herzlichen Glückwunsch !

Den folgenden Beitrag können Sie hier ausdrucken.

Den Beitrag können Sie hier diskutieren.

 

Stephan Eisel

Ein Wahlergebnis voller Ambivalenzen

Das Ergebnis der Bundestagswahlen 2013 ist ohne Zweifel ein großer Erfolg für die Union und ein persönlicher Triumph für ihre Spitzenkandidatin Angela Merkel. Mit zusammen 41,5 Prozent der Stimmen haben sich CDU und CSU neu als Volksparteien etabliert. Nach 1953 mit Konrad Adenauer (+14,2 Prozent) erzielten sie den zweithöchsten Zuwachs in ihrer Geschichte (+7,7 Pro­zent). Zum letzten Mal hatte die Union 1994 über 40 Prozent der Stimmen erreicht (41,5 Prozent). Sie hat jetzt eine Serie von drei Bundestagswahlen mit Stimmenverlusten eindrucksvoll beendet.

Dennoch ist das Wahlergebnis keineswegs so eindeutig wie es auf den ersten Blick erscheint:

  1. Die Union steht vor einer schwierigen Koalitionsbildung mit nicht nur parteistrategischen, sondern auch demokratiepolitischen Konsequenzen:
  • Eine großen Koalition zwingt nicht nur zu schwierigen inhaltlichen Kompromis­sen, sondern ihr fehlt auch die Herausforderung einer starken Opposition. Mit FDP, AfD und Piraten wäre eine außerparlamentische Opposition nur unwesentlich schwächer als die parlamentarische Opposition aus aus Linken und Grünen.
  • Dass die CDU in einer schwarzgrüne Koalition CSU und Grüne zusammenführt, ist aus inhaltli­chen Gründen deshalb schwer vorstellbar, weil die aktuelle Führung der Grünen um Jürgen Trittin die Partei inhaltlich nach links gerückt hat.

Beide Konstellationen stehen unter dem ständigen Drohpotential
eines Koalitionswechsels zu einem rot-rot-grünen Bündnis.

  1. Die Sitzverteilung Deutschen Bundestag ermöglicht eine Koalition zwischen SPD, Grü­nen und Linken. Es ist offenkundig, dass die SPD diese Option im­mer weniger ausschließt und teilweise sogar anstrebt. Schon werden zeitliche Perspekti­ven für eine solche Bünd­nisbildung genannt, grundsätzlich lehnt auch die SPD-Führung eine solche Ko­alition auch auf Bundesebene offenbar nicht mehr dauerhaft ab.
  2. Das schlechte Ergebnis der Grünen ist offenbar auch ein Votum gegen die alte Führungs­mannschaft um Jürgen Trittin. Zugleich kommen die Grünen durch das Aus­scheiden der FDP in eine neue Schlüsselrolle bei Koalitionsbildungen: Für die Union ent­wickelt sich Schwarzgrün zur einzigen Alternative zu einer Großen Koalition. Umgekehrt entscheiden die Grünen auch darüber, ob die SPD den Weg zu einer Rot-Rot-Grü­nen Koalition mit der Linken fortsetzen kann. Für die Grünen steht die Grund­satzentscheidung der Positionie­rung in der Parteienlandschaft an. Vielleicht hat eine neue Führung dazu die Kraft.
  3. Für die FDP ist das Wahlergebnis ein existenzbedrohendes Desaster. Erstmals ist sie nicht im Bundestag vertreten. Nur in neun von sechzehn Landtagen hat sie die 5-Prozent-Hürde überwunden. Sie ist nur in der sächsischen Landesregierung vertreten. Ein vollständiger Wechsel im Führungspersonal ist unvermeidbar. Da die FDP die letzten Wahlen mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz immer aus Koalitionen mit der Union verloren hat, ist absehbar, dass sie nach neuer Unabhängigkeit strebt, um ihre Bedeutung in wechselnden Koalitionen wiederzuerlangen.
  4. Wähler sind selbstständiger als manche Parteistrategen vermuten: Der FDP-Versuch einer Leihstimmenkampagne ist im Blick auf die Zweitstimme dramatisch gescheitert. Das „Ge­gengeschäft“ des Erststimmenaufrufs für die CDU-Kandidaten wurde von Wählern beson­ders dort deutlich abgelehnt, wo es von FDP-Minister durch örtliche Absprachen fast for­malisiert wurde: In Bonn (Westerwelle), Heidelberg (Niebel) und Münster (Bahr) betrug der Erststimmenzuwachs für die CDU weniger als die Hälfte des Erststimmenverlustes der FDP. Im Bundesdurchschnitt gewann die CDU ohne solche konkreten Vereinbarungen fast 80 Prozent des Erststimmenverlustes der FDP.
  5. Die Protestparteien in Deutschland wechseln immer schneller einander ab. In den Bundes­tag schafften sie es mit Ausnahme der Linkspartei nicht, aber bei Landtagswahlen erzielten diese Protestparteien teilweise erhebliche Erfolge: Nach NPD (1966-69), Republikanern (1989-96), DVU (1990/91 und 1997/98), Linkspartei (2007-10) und Piraten (2011/12) bindet nun die „Alternative für Deutschland“ unabhängig vom jeweiligen Programm ein erhebliches Protestpotential.
  6. Ob sich die „Alternative für Deutschland“ vom Sammelbecken des Protests zu einer nachhaltigen politischen Kraft entwickelt, ist offen. Bei der Bundestagswahl sprach sie jedenfalls mit einem eher diffusen Programm völlig unterschiedliche Wähler­gruppen an. Von der FDP kamen 450.000 , von der Linken 360.000, von CDU/CSU 300.000, aus dem Nichtwählerlager 240.000, von der SPD 180.000 und von den Grünen 100.000 Stimmen.
  7. Erfreulich sind sowohl die Bedeutungslosigkeit rechtsextremistischer Parteien und als auch die Stimmenverluste von -3,3 Prozent für die Linke mit ihrer Kommunistischen Plattform und ähnlichen undemokratischen Strukturen.
  8. Nicht zufrieden stellen kann die Wahlbeteiligung: Sie stieg nur unwesentlich um 0,8 Pro­zent auf 71,5 Prozent. Das ist der zweitschlechteste Wert seit 1949. Auch im europäischen Vergleich ordnet sich Deutschland dabei eher im unteren Bereich ein. In diesem Jahr lag bei nationalen Wahlen die Beteiligung nur in Tschechien (61,2) niedriger, in Italien (75,1), Norwegen (78,2), Island (81,1) und Zypern (83,1) aber höher.
  9. Eine besondere demokratiepolitische Herausforderung ist die Tatsache, dass Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind, noch nie so viele Stimmen bekommen: haben. Auf die „Sonstigen“ entfielen insgesamt 15,7 Prozent der Stimmen (FDP 4,8; AfD 4,7; Piraten 2,2; NPD 1,3; Freie Wähler 1,0; weitere 1,7). Einschließlich der Nichtwähler sind 24,4 Mio wahlberechtigte Bürger nicht im Parla­ment vertreten, auf die Parlamentsparteien entfielen 36,8 Mio Stimmen. So nahe lagen diese Zahlen noch nie zusammen.

Dr. Stephan Eisel (1955) ist ehem. Mitglied des Deutschen Bundestages und verantwortlicher Redakteur des Blogs für politisches Handeln aus christlicher Verantwortung kreuz-und -quer.de

RSS

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD
Das "große" und das "kleine" Buch zu Beethoven in Bonn:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert) 34,90 €.
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung) 8,99 €

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
03. Dez 2023

DIE NÄCHSTE BUNDESTAGSWAHL WIRFT

ihre Schatten voraus. 2024 steht schon die Kandidatenaufstellung an. Für die CDU in Bonn möchte der Mediziner Prof. Dr. Hendrick Streeck antreten. Hier finden Sie seine Begründung für diese Bewerbung und warum er dabei vom ehem. Bonner MdB Stephan Eisel unterstützt wird. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
01. Aug 2023

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…