Volltextsuche:

DIE CDU MUSS NACH DER SONDIERUNG

mit SPD und CSU aus dem Reaktions- in den Aktionsmodus umschalten,denn es bleibt unklar, worauf es ihr eigentlich - neben der Regierungsbildung - inhaltlich ankommt.  Bei Koalitionsverhandlungen muss sich die CDU größere Mühe geben, ihren eigenen Gestaltungsanspruch sichtbar zu machen – und zwar nicht nur in kleinteiligen Einzelfragen.

 

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken. 

 

Stephan Eisel

Sondieren, koalieren, profilieren
Gestaltungswille als Zukunftsaufgabe der CDU

CDU, CSU und SPD haben als mögliche Partner einer gar nicht mehr „großen“ Koalition ihre Sondierungsgespräche beendet und müssen nun entscheiden, ob sie Gespräche über die Bildung einer gemeinsamen Regierung aufnehmen wollen. Dabei sollte niemand vergessen, dass die drei Parteien mit gemeinsam nur 53,4 Prozent der Stimmen noch nicht einmal vier Prozent von einer Minderheitsregierung entfernt sind. Die erste Koalition zwischen Union und SPD hat 1965 noch 86,9 Prozent der Stimmen repräsentiert, bei der 2005 waren es 69,4 Prozent und 2013 immerhin noch 67,2 Prozent. Diese Koalitionen hatten verfassungsändernde Mehrheiten und damit das Prädikat „groß“ verdient. 

Wenn im neuen Bundestag bei einer neuen Koalition aus CDU, CSU und SPD nur 23 Abgeordnete dieser Parteien nicht mitmachen, ist die Kanzlermehrheit dahin. Das ist angesichts des Flügelschlagens bei der SPD und mancher Stimmen aus der CSU kein Ruhepolster, muss aber der Stabilität einer Regierung keinen Abbruch tun: Konrad Adenauer wurde 1949 mit einer Stimme Mehrheit zum Kanzler gewählt und Helmut Kohl hat 1994 – 1998 mit einer Mehrheit von nur fünf Stimmen eine stabile Regierung geführt. Und Deutschland braucht eine stabile Regierung. 

Politische Weinerlichkeit, die es als Strafe darstellt, in eine Regierung einzutreten, ist schlichte Verantwortungsflucht. Wer wie FDP-Chef Lindner die eigene Partei als Nichtregierungsorganisation feiert, hat vergessen, dass in der Demokratie die Verantwortung für das Land wichtiger sein sollte als der Jubel eigener Anhänger. Dabei blüht auf dem Humus der Kompaktheit einer geringen Mitgliederzahl die Blume der „reinen Lehre“ be­sonders gerne, Kompromisse haben es schwerer. 

Diese „reine Lehre“ der Partei ist auch für manche in der SPD wichtiger als die Übernahme von Regierungsverantwortung. Bei den Sondierungen hat die SPD am meisten durchgesetzt. Umso unverständlicher ist das Verhalten der SPD-„Größen“ Dreyer, Stegner und Schäfer-Gümbel. Sie haben mitverhandelt, dem Sondierungsergebnis zugestimmt und wollen jetzt nachverhandeln:
Wer schon samstags nicht mehr zu dem steht, wofür er freitags  gestimmt hat, zeigt keine Haltung.
Da ist Andrea Nahles von anderem Kaliber: Sie steht zu ihrem Wort. Chapeau ! 

Unbestritten hat es sich die SPD-Führung mit ihren zahlreichen „roten Linien“ und unverzichtbaren „Knackpunkten“ selbst erschwert, bei den in Sondierungsgesprächen unvermeidlichen Kompromissen durchgesetzten eigenen Positionen als Erfolg zu vertreten. Aber das ist ein selbst gewähltes emotionales Schicksal, das mit der Sache wenig zu tun hat. Das gilt übrigens auch für das Gejammere, Angela Merkel sei am Niedergang der SPD schuld: Wer die Schuld für das eigene Versagen beim Mitbewerber sieht, demonstriert nicht nur Mangel an Selbstbewusstsein, sondern ignoriert auch die bewährte Lebensweisheit: Selbsterkenntnis ist der beste Weg zu Besserung. 

Diese Einsicht sollte auch für die CDU Leitlinie sein, denn sie muss sich davor hüten, in der Pragmatismusfalle ihren Gestaltungsanspruch zu vernachlässigen. Der CDU fällt es nach den Sondierungsgesprächen angesichts ihrer selbst so empfundenen Moderationsverantwortung erkennbar schwer zu vermitteln, worauf es ihr – neben der Regierungsbildung – ankommt. 

Es ist schon auffällig, dass SPD und CSU auf ihren Internetseiten die eigenen Erfolge feiern, während bei der CDU nur die Darstellung des gemeinsam Erreichten zu finden ist. 

Die CSU schreibt als Erfolge die Begrenzung der Zuwanderung, die Abschaffung des Soli, höheres Kindergeld, ein Sofortprogramm für die Pflege, mehr bezahlbaren Wohnraum und 15.000 zusätzliche Polizeistellen auf ihre Fahnen. 

Die  SPD-Führung beansprucht sogar, bei den Sondierungen 60 inhaltliche Punkte durchgesetzt zu haben, vor allem soziale Mindeststandards, den Kampf gegen Steueroasen, das Ende der einseitigen Sparpolitik in Europa, ein  Einwanderungsgesetz, den Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit und auf Ganztagsbetreuung in Kita und Schule, gebührenfreie Kitas, die teilweise Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern, eine Grundrente sowie die Rückkehr zur Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung. 

Wie eine solche Positivliste bei der CDU aussehen würde, erschließt sich nicht. Als Erfolg wird eher gefeiert, was man wie z. B. die „Bürgerversicherung“ verhindern konnte. Sogar die zentrale Rolle der Europapolitik für eine künftige Regierung nimmt die SPD für sich in Anspruch. Wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommt, muss die CDU sich größere Mühe geben, ihren eigenen Gestaltungsanspruch sichtbar zu machen – und zwar nicht nur in kleinteiligen Einzelfragen. 

Wo andere Parteien dazu tendieren, das eigene Profil über das Wohl des Landes zu stellen, steht die CDU in der Gefahr, so staatstragend zu sein, dass sie das eigene inhaltliche Profil ver­nachlässigt. Das schlechte Ergebnis der Bundestagswahl war hier ein unübersehbares Warnzei­chen. Nur zu verteidigen, was erreicht wurde, reicht nicht aus. Politik muss Antworten darauf geben, wohin es gehen soll. Wer dabei sein Ziel nicht kennt, wird auch den Weg nicht finden. 

In der langen Oppositionszeit der 70er Jahre legte die CDU das Fundament für die folgende lange Zeit als führende Regierungspartei, indem sie politische Ziele verdeutlichte und dazu konkrete Projekte entwickelte: Für die „Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft“ u. a. durch Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen, die Förderung mittelständischer Betriebe im Steuerrecht und der dualen Ausbildung z. B. durch die Einführung des Meister-Bafög, „Für eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht“ durch Stärkung der Familien u. a. mit Erziehungsurlaub und – geld und Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rentenrecht und die Einführung der Pflegeversicherung, für die „Bewahrung der Schöpfung“ u.a. durch bleifreies Benzin und die Verknüpfung von Umwelt- und Entwicklungspolitik, für eine „geistig-moralische Erneuerung“ u.a. durch mehr Geschichtsbewusstsein z. B. durch das Haus der Geschichte in Bonn und das Deutsche Historische Museum in Berlin und für die europäische Einigung durch den Binnenmarkt und die Einführung des Euro. 

Dabei ist gerade für die C-Parteien ist die Antwort auf das Warum, also die Begründung ih­rer Politik, min­destens ebenso wichtig wie die Erklärung des Wie, also der Umsetzung. Das Kon­zept einer grund­werteorientierten Politik ist das Lebenselexier der Union und bedarf als Alleinstellungsmerkmal ei­ner Wiederbelebung. 

Im letzten Jahrzehnt hat sich die CDU vor allem durch erfolgreiche Krisenbewältigung profiliert – von der Finanzkrise über die Energiewende bis zur Flüchtlingskrise. Der nicht durch äußeren Zwang, sondern durch eigene politische Ziele  ausgelöste Gestaltungswille trat so in den Hintergrund. Das muss sich ändern. Die CDU muss sich wieder stärker mit dem befassen, was sie erreichen will und nicht nur mit Krisen, die es zu bewältigen, oder Vorschlägen von Mitbewerbern, die es zu verhindern gilt. Die Sondierungsgespräche haben es verdeutlicht: Die CDU muss aus dem Reaktionsmodus stärker in den Aktionsmodus umschalten. Das ist entscheidend für ihre Zukunft als Volkspartei – und Deutschland ist für seine innere Stabilität auf Volksparteien angewiesen.

RSS

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD

BESTELLUNG MIT KLICK AUF BILD
Das "große" und das "kleine" Buch zu Beethoven in Bonn:
Ausführlich: Beethoven - Die 22 Bonner Jahre (Hardcover, 550 Seiten, bebildert) 34,90 €.
Im Überblick: Beethoven in Bonn (Taschenbuch, 128 Seiten bebildert (90 Seiten plus engl. Übersetzung) 8,99 €

BUCHTIPP: 3. Auflage

BUCHTIPP: 3. Auflage

Die Presse zum Buch:
"
unbedingt lesenswert" + "verfasst von einem Mann mit genauem Blick in die Kulissen der Macht" + "ausgewogen" + "anschaulich" + "persönlich, direkt, ganz nah dran" + "schildert Kohls Charakter-züge" + "spannende Hinter-gründe" + "keine undifferen-zierte Schwärmerei"
Ausführliche Pressestimmen zum Buch finden Sie hier

Frühere Artikel

05. Apr 2024

DIE EINSPURIGKEI DER ADENAUERALLEE

wie sie die Bonner Grünen durchsetzen wollen, ist politisch höchst umstritten. Dabei wird oft behauptet, es gäbe einen rechtlichen Zwang für eine solche Maßnahme. Gegenüber Stephan Eisel stellte aber auch Stadtbaurat Helmut Wiesner fest, dass es "keinen unmittelbaren rechtlichen Zwang für die Herstellung der Einspurigkeit auf der Adenauerallee" gibt. Lesen Sie mehr…
09. Feb 2024

GEICH DREIMAL LÄUFT DIE GRÜN GEFÜHRTE

Bonner Kommunalpolitik in ein Sanierungsdesaster. Bei Stadthaus und Oper wiederholt man die gravierenden Fehler bei der Beethovenhalle. Dort haben sich bei der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle die Kosten vervielfacht und liegen jetzt bei über 225 Mio €. Auch bei Stadthaus und Oper wären Neubauten nicht nur wirtschaftlicher, sondern eine Chance zur Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr…
03. Dez 2023

DIE NÄCHSTE BUNDESTAGSWAHL WIRFT

ihre Schatten voraus. 2024 steht schon die Kandidatenaufstellung an. Für die CDU in Bonn möchte der Mediziner Prof. Dr. Hendrick Streeck antreten. Hier finden Sie seine Begründung für diese Bewerbung und warum er dabei vom ehem. Bonner MdB Stephan Eisel unterstützt wird. Lesen Sie mehr…
01. Okt 2023

BEI DER BEETHOVENHALLE STEIGEN

die Kosten für die Luxussanierung weiter - in den vier Monaten von Mai bis September 2023 um 1,7 Mio €. Das enthüllte jetzt ein weitgehend unbeachteter Projektbereicht. Dort kann man auch lesen, dass die Ausführungsplanung weiter nur "schleppend" vorankommt. Lesen Sie mehr…
12. Sep 2023

DIE BONNER VERSCHULDUNG WIRD SICH

in Verantwortung der grün geführten Ratskoalition und der grün geführten Verwaltung mehr als verdoppeln. Diese Politik auf Kosten künftiger Generationen für in die Sackgasse und treibt Bonn in die kommunale Handlungsunfähigkeit. Lesen Sie mehr…
03. Aug 2023

AUF MANIPULATIVE IRREFÜHRUNGEN SETZEN

die Grünen und die von ihnen geführte Verwaltung, um die Einspurigkeit auf der Adenauerallee durchzusetzen. So wurde gegenüber Rat und Öffentlichkeit fälschlicherweise behauptet, es gebe rechtliche Vorschriften, die die Einspurigkeit der Adenauerallee erzwingen würden. Tatsächliche gibt es diesen rechtlichen Zwang nicht, sondern es geht um eine politische Entscheidung.

Lesen Sie mehr…
01. Aug 2023

AM 14. August 1949 WÄHLTEN DIE BONNER

Konrad Adenauer zu ihrem ersten MdB. Er blieb bis zu seinem Tod 1967 direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Bonn. In meinem Aufsatz "Konrad Adenauer als Bonner Bundestagsabgeordneter" habe ich mich intensiver mit diesem oft vernachlässigten Teil des Wirkens Adenauers befasst. Lesen Sie mehr…
08. Jul 2023

EDITHA LIMBACH IST IM ALTER VON 90

Jahren verstorben. Die ehem. Bonner Bundestagsabgeordnete ist 1960 der CDU beigetreten und war 1970 - 1988 sowie 1998 - 2003 stv. Kreisvorsitzende der Bonner CDU. 1975 - 1989 gehörte sie dem Bonner Stadtrat an und 1987 - 1998 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages.  Lesen Sie mehr…
04. Mai 2023

DIE GRÜNEN GEBEN IN BONN SEIT

zweieinhalb Jahren als stärkste Ratsfraktion und mit einer grünen Oberbürgermeisterin die Richtung vor. Dabei sind sie völlig auf Einschränkungen des Verkehrs zugunsten von Fahrradfahrern fixiert und tragen damit zu einer bedenklichen Polarisierung der Stadtgesellschaft bei. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

POLITIK- UND MUSIKWISSENSCHAFT HABEN

an der Bonner Universität eine besonders lange und beeindruckende Tradition. In beiden Fächern wurden die ersten Lehrstühle im deutschsprachigen Raum hier eingerichtet. Aber durch Reformen im Rahmen des unseligen Bologna-Prozesses drohen diese Fächer in den Hintergrund zu treten. Lesen Sie mehr…
03. Mai 2023

DIE AKTIVISTEN DER „LETZTEN GENERATION“

Klebeaktionen und der Beschädigung von Gebäuden und Kunstwerken demokratische Prinzipien in Frage, sondern auch mit ihrem Vorschlag eines ausgelosten "Gesellschaftsrat", der gewählte Parlamente ersetzen soll. Lesen Sie mehr…
01. Apr 2023

DAS ERZBISTUM KÖLN WILL IN BONN

die traditionsreiche Liebfrauenschule schließen. Weil er das für einen schweren Fehler hält, hat Stephan Eisel mit seinen Nachfolgern im Vorsitz der CDU Bonn einen gemeinsamen Brief an Kardinal Woelki geschrieben. Christliche Kirchen dürfen sich nicht aus der Arbeit mit und für Jugendliche zurückziehen. Lesen Sie mehr…
02. Mrz 2023

DAS MILLIONENGRAB DER BEETHOVENHALLE

wird immer tiefer. Jetzt musste die Bonner Stadtverwaltung auch beim Parkplatz  Mehrkosten um 30 Prozent einräumen. Den Boden des Millionenlochs auf Kosten der Bonner Steuerzahler kann man schon längst nicht mehr sehen. Lesen Sie mehr…
03. Jan 2023

BEGABUNGSVIELFALT SOLLTE UNSER

Bildungssystem prägen. Aber in den letzten Jahren hat sich eine einseitige Fixierung auf die akademisch-theoretische Ausbildung in den Vordergrund geschoben. Das rächt sich jetzt durch einen dramatischen Fachkräftemangel gerade im Handwerk. Lesen Sie mehr…
23. Nov 2022

ÜBER 224 MIO € FÜR DIE BEETHOVENHALLE

will die grüne Bonner Oberbürgermeisterin Dörner ausgeben. Wie ihre beiden Vorgänger verkündet sie wieder eine Höchstgrenze, obwohl kein Ende des Sanierungsdesasters abzusehen ist. So rutschen die Ratsmehrheit und die Verwaltungsspitze immer tiefer in Millionengrab der Sanierung einer maroden Mehrzweckhalle. Lesen Sie mehr…