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DER ANSTIEG DER WAHLBETEILIGUNG BEI

den letzten Landtagswahlen lenkte den Blick auf eines der am meisten verbreiteten Klischees über Wahlen in Deutschland: das Mantra der Behauptung einer ständig zurückgehenden Wahlbeteiligung. Diese These hält sich ebenso hartnäckig wie sie falsch ist.
DER ANSTIEG DER WAHLBETEILIGUNG BEI

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Stephan Eisel

Wahlbeteiligung im Aufwind

Wellenbewegung statt ständiger Rückgang

Die Teilnahme an Wahlen ist die Königsdisziplin der Bürgerbeteiligung in einer freiheitlichen Demokratie. Keine andere Beteiligungsplattform wird von so vielen Menschen genutzt, keine hat ähnlich gravierende Folgen für das Gemeinwesen. Die saarländische Landtagswahl am 26. März zum Auftakt in das Bundestagswahljahr 2017 hat mit einem deutlichen Anstieg der Wahlbeteiligung den Blick auf eines der am meisten verbreiteten Klischees über Wahlen in Deutschland gelenkt: Seit Jahren gehört es nämlich zu den Mantras der Wahlberichterstattung,  eine ständig zurückgehende Wahlbeteiligung zu behaupten. Diese These hält sich ebenso hartnäckig wie sie falsch ist: So ist bei den letzten sechs Landtagswahlen die Wahlbeteiligung immer gestiegen, und zwar durchschnittlich um bemerkenswerte acht Prozent.

Datum

Land

Wahlbeteiligung

Differenz zur Vorwahl

26.03.2017

Saarland

69,7

+ 8,1

18.09.2016

Berlin

66,9

+ 6,7

04.09.2016

Mecklenburg-Vorpommern

61,1

+ 10,3

13.03.2016

Sachsen-Anhalt

61,1

+ 9,9

13.03.2016

Rheinland-Pfalz

70,3

+ 8,5

13.03.2016

Baden-Württemberg

70,4

+ 4,2

 

Dieser anhaltende Anstieg der Beteiligung an Landtagswahlen hat übrigens nichts zu tun mit dem Wechsel an der Spitze der SPD Anfang 2017 zu tun.

Auch eine langfristige Analyse zeigt seit der Wiedervereinigung keinen kontinuierlichen Rückgang der Beteiligung an Landtagswahlen, sondern eine Wellenbewegung. Addiert man nämlich die Zahl der tatsächlichen Wähler im jeweiligen Wahljahr und setzt sie in Beziehung zur Zahl der Stimmberechtigten, kann man die Verzerrungen ausgleichen, die sich durch den Vergleich der Prozentzahlen von Bundesländern völlig unterschiedlicher Größe ergibt. Um Verfälschungen durch Sondereffekte auszuschließen, sind dabei auch die Landtagswahlen auszunehmen, die mit Bundestagswahlen zusammenfallen.

In den 26 Wahljahren seit der Wiedervereinigung hat dabei die Wahlbeteiligung gegenüber dem Vorjahr in 12 Fällen zugenommen und in 14 Fällen abgenommen. Durchschnittlich lag sie bei Landtagswahlen seit 1991 bei 62,2 Prozent (Alte Bundesländer incl. Berlin: 66,3 Prozent / Neue Bundesländer 56,6 Prozent). Bei elf der 26 Landtagswahlen seit 1991 lag in die Wahlbeteiligung in einer +/- 3 Prozent Schwankungsbreite von +/-  5 Prozent um diesen Mittelwert. Auffällig ist allerdings eine enorme Spannungsbreite zwischen dem Rekordwert von 71,4 Prozent 1998 bzw. 71,2 Prozent 1991 und 49,6 Prozent 2014. Ohne diese untypischen Ausschläge ergibt sich aber über ein Vierteljahrhundert ein stabiles Bild der Beteiligung an Landtagswahlen:

 

Beteiligung an Landtagswahlen, die nicht mit Bundestagswahlen zusammenfielen

Wahlbet.

Alte Bundesl. Incl. Berlin

Neue Bundesl.

1991

Hessen / Rheinland-Pfalz / Hamburg / Bremen

 71,2 %

71,2%

 

1992

Baden-Württemberg /Schleswig-Holstein

70,5 %

70,5%

 

1993

Hamburg

69,6 %

69,6%

 

1994

Nieders. / Sachsen-Anhalt / Brandenb. / Sachsen / Bayern

65,5 %

70,0%

56,8%

1995

Hessen / Bremen / NRW / Berlin

65,1 %

65,1%

 

1996

Baden-Württemberg  / Rheinland-Pfalz / Schleswig-Holstein

69,0 %

69,0%

 

1997

Hamburg

68,7 %

68.7%

 

1998

Niedersachsen / Sachsen-Anhalt / Bayern

71,4 %

71.4%

71,4%

1999

Hess. / Bremen / Saarl. / Brandenb.  / Sachsen /  Thür. / Berlin

62,6 %

66,0%

58,9%

2000

Schleswig-Holstein / NRW

58,5 %

58,5%

 

2001

Baden-Württemberg / Rheinland-Pfalz / Hamburg / Berlin

64,2 %

64,2%

 

2002

Sachsen-Anhalt

56,4 %

 

56,4%

2003

Hessen / Niedersachsen / Bremen / Bayern

61,8 %

61,8%

 

2004

Hamburg / Thüringen / Saarland / Brandenburg / Sachsen

58,5 %

63,3%

57,2%

2005

Schleswig-Holstein / NRW

63,5 %

63,5%

 

2006

Ba-Wü / Rheinland-Pfalz / Sachsen-Anhalt / Berlin / Meck-Pom

54,3 %

55,3%

50,3%

2007

Bremen

57,5 %

57,5%

 

2008

Hessen / Niedersachsen / Hamburg / Bayern

57,9 %

57,9%

 

2009

Hessen / Saarland / Thüringen / Sachsen

57,7 %

62,0%

53,5%

2010

NRW

59,3 %

59,3%

 

2011

Hamburg / Sachsen-Anhalt / Ba-Wü/ Rheinland-Pfalz / Bremen /Mecklenburg-Vorpommern / Berlin

61,0 %

63,2%

51,3%

2012

Saarland / Schleswig-Holstein / NRW

60,0 %

60.0%

 

2013

Niedersachsen / Bayern

62,1 %

62.1%

 

2014

Sachsen / Thüringen / Brandenburg

49,6 %

 

49,6%

2015

Hamburg / Bremen

54,7 %

54,7%

 

2016

Ba-Wü/ Rheinland-Pfalz / Sachsen-Anhalt / Meck-Pom / Berlin

68,3 %

69,7%

61,3%

 

Durchschnitt  1991 - 2016

62,0%

66,3%

56,6%

Wenn sich dennoch der Eindruck einer ständig sinkenden Wahlbeteiligung verfestigt hat, liegt das vor allem an den letzten beiden Bundestagswahlen. Sie fallen mit 70,8 Prozent bzw. 71,5 Prozent bei der Wahlbeteiligung gegenüber den Bundestagswahlen seit Wiedervereinigung deutlich ab. Dabei ist übrigens durchaus auffällig, dass die Wahlbeteiligungsschere zwischen alten und neuen Bundesländern bei den Landtagswahlen deutlich höher ist als bei Bundestagswahlen.

Wahljahr

Beteiligung an Bundestagswahlen

Alte Bundesländer incl. Berlin

Neue Bundesländer

1990

77.8%

78,6%

74,5%

1994

79,0%

80.5%

72,6%

1998

82,2%

82.8%

80,1%

2002

79,1%

80,6%

72,8%

2005

77,7%

79,2%

74.7%

2009

70,8%

72,2%

64,7%

2013

71,5%

72,4%

67,7%

Durchschnitt

76,8%

78.0%

72,4%

Wahlstrategen haben den Einbruch der Wahlbeteiligung bei den letzten beiden Bundestagswahlen mit dem Begriff „asymmetrische Demobilisierung“ beschrieben und damit den Eindruck erweckt, es handle sich um eine von ihnen bewusst herbeigeführte Entwicklung. Wahrscheinlicher ist, dass die mangelnde Machtperspektive der SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier und Steinbrück demobilisierend wirkte, ohne dass dies durch Wahlkampfstrategien beeinflussbar war. Wenn es bei Wahlen „um etwas“ geht, wenn es je nach Sichtweise die Chance oder Gefahr eines Machtwechsels als konkret empfunden wird, steigt auch die Mobilisierung – und damit die Herausforderung für die Parteien, Menschen von sich zu überzeugen.

 

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